SCB-Mitbesitzer Marc Lüthi hatte die Anstellung von Cheftrainer Don Nachbaur – der erste Personalentscheid seiner neuen Sportchefin Florence Schelling – über alle Massen gerühmt. Noch nie sei bei der Auswahl so gründlich vorgegangen worden.
Nach 14 Spielen (inklusive Cup) ist die Amtszeit des so professionell Auserwählten, der in der Brache als Operetten-Trainer gilt, schon zu Ende.
Einst war Marc Lüthi ein Grossmeister der geradlinigen Kommunikation. Nun kann er nicht einmal mehr sagen, was ist. Die Absetzung des überforderten Cheftrainers wird als eine Trennung «aus persönlichen Gründen», als Rücktritt des Trainers verkauft. Die Anstellung war schon eine Farce, nun endet das Arbeitsverhältnis mit einer Farce. Dahinter verbirgt sich eine ganz simple Amtsenthebung. Aber aus marketingtechnischen Gründen darf in Zeiten der Krise nicht von einer Trainerentlassung gesprochen werden. Weil die ja kostet. Marc Lüthi sagt, der Trainerwechsel sei «kostenneutral, Sie dürfen mich so zitieren.» Wer es glaubt, zahlt einen Taler.
Don Nachbaur tritt per sofort als Headcoach zurück. Mario Kogler, Cheftrainer U20 Elit-Team von SCB Future, übernimmt ad interim. https://t.co/udc191fyVH
— SC Bern (@scbern_news) December 1, 2020
Selbst in einer Saison ohne Absteiger und mit wahrlich anderen Sorgen als den sportlichen, in einer Saison, in der das Publikum Niederlagen akzeptiert wie nie zuvor seit der Einführung der Playoffs (1986), war dieser Trainer nicht mehr haltbar. Er hatte in der Kabine den Rückhalt verloren.
Dieses absurde Trainertheater mag zeigen, in welch besorgniserregendem Zustand sich die sportliche Abteilung bei einer der wichtigsten Eishockeyfirmen Europas inzwischen befindet. Marc Lüthi weist alle Kritik an der sportlichen Führung als «billige Polemik» in aller Form zurück. Das ist die sportliche SCB-Tragik. Wie im Märchen mit dem Kaiser ohne Kleider so sieht der SCB-Mitbesitzer und -Manager nicht, dass seine sportliche Abteilung im Sinne dieses Märchens nackt dasteht. Weil es ihm niemand zu sagen wagt.
Die Konstellation ist geradezu grotesk. Sportchef Alex Chatelain ist als Sündenbock für den selbstverschuldeten sportlichen Rückschlag – der Meister verpasste die Playoffs 2020, die dann nicht stattgefunden haben – abgesetzt worden. Aber er ist geblieben und ist heute als «Schatten-Sportchef» der wichtigste Mitarbeiter seiner Nachfolgerin Florence Schelling.
Neu übernimmt nun also Juniorentrainer Mario Kogler das Traineramt. Um es politisch unkorrekt und bösartig zu sagen: ein solche Trainer-Operette kann nur mit einem Österreicher in der Hauptrolle aufgeführt werden. Und ja, ausgerechnet Alex Chatelain hilft ein wenig bei der Beübung der Mannschaft und natürlich bleibt Assistent Alex Reinhard und – als Gipfel der Lächerlichkeit – steigt die NHL-Legende Mark Streit, Verwaltungsrat beim Verband und Klub-Mitbesitzer aufs Eis hernieder um in diesem Theater als «Skill Coach» als Komparse aufzutreten. Was für ein Schauspiel!
Zumindest ist der Unterhaltungswert maximal. Einst hat die Bernerin Anita Weyermann durch den Spruch «Gring ache u seckle» – es ging um das Erfolgsrezept als Läuferin – Kultstatus erlangt. Nun hat Florence Schelling gute Chancen, dass auch sie Kult wird. Mit der Aussage, es müsse etwas passieren nach der blamablen Heimniederlage gegen Langnau. Wahrlich prophetische Worte. Es ist seither etwas passiert bei SCB.
Der SC Bern mag in guten Zeiten mehr als 30 Millionen mit Gastronomie umsetzen. Der SCB mag eine grossartige «Marketing-Maschine» sein. Aber der SC Bern ist in erster Linie ein Sportunternehmen.
Erst wenn Marc Lüthi erkennt, dass in einem Sportunternehmen alles mit einer gut geführten Sportabteilung und einer erfolgreichen Mannschaft beginnt und endet, wird der SC Bern aus der hausgemachten Krise herauskommen.
Was schlimmer ist als der sportliche Misserfolg: der SCB ist drauf und dran durch sportliches Missmanagement in wenigen Monaten den grossen Respekt zu verspielen, den diese grandiose Hockey-Firma über die Jahre europaweit aufgebaut hat.
Der hart erarbeitete Aufstieg und der selbstverschuldete Niedergang dieser formidablen Hockey-Firma – die beste, die dramatischste, ja die unglaublichste Geschichte der letzten 25 Jahre im Schweizer Mannschaftssport.
Beim SCB wird ein Meisterteam ruiniert und Marc Lüthi merkt es nicht. Er sollte den Hockey-Göttern auf den Knien danken, dass es diese Saison keinen Absteiger gibt. Der SCB wäre Abstiegskandidat Nummer 1. Mit einer Mannschaft, die gut genug wäre, um in der oberen Tabellenhälfte zu rocken und zu rollen.
So, habe fertig.
Diese Wörter stehen zur Verfügung:
Rolex, Operetten-, Polemik, Taler, Theater, Tempel, nie zuvor, Hockey-Götter, Firma, Maschine, Kult, Marc Lüthi (oder Chole-Marc).
Ich glaube ihm. Denn kostenneutral bedeutet, dass es gleich viel kostet, wie wenn er den Vertrag erfüllt hätte. Entlassung mit internem Ersatz ist somit kostenneutral und nicht günstiger (z.B. bei einem Rücktritt).
Evtl. ist das aber auch zu spitzfindig gedacht für eine Polemik
Es gibt einige vielversprechende Talente und genau Ihnen gehört die Zukunft. Diese sollten nun mit genügend Eiszeit gefördert, und das Alteisen aussortiert werden.