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Eismeister Zaugg

Eishockey-WM: Eismeister Zaugg analysiert das Schweizer 7:0 im Halbfinal

Switzerland's Damien Riat, left, and Christoph Bertschy celebrate after a goal during the semifinal match between Denmark and Switzerland at the ice hockey world championships in Stockholm,Sweden ...
Die Schweizer stehen zum zweiten Mal in Serie im WM-Final.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Die Schweiz rockt die Hockey-Welt und B-Weltmeister sind wir schon

7:0 gegen Dänemark im WM-Halbfinal. Die Schweiz ist so gut wie noch nie und auf der Autobahn zum Gipfel hinaufgefahren, wo nun goldener WM-Ruhm winkt. Wenn Leonardo Genoni beschliesst, Weltmeister zu werden, dann werden wir erstmals Weltmeister.
24.05.2025, 21:1224.05.2025, 22:35
klaus zaugg, stockholm
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Was für eine Entwicklung! 2013 ist der WM-Final ein schier unfassbares Wunder. Im Vorjahr hatte es nicht einmal für den Viertelfinal gereicht Wochenlang wusste Nationaltrainer Sean Simpson nach dem Turnier nicht, ob er im Amt bleiben wird.

Und dann waren wir mit neun Siegen in Serie in den Final gegen Schweden gestürmt (wo wir dann 1:5 verlieren sollten). Niemand vermochte das Ausmass dieses epochalen Erfolges richtig zu ermessen. Die erste WM-Medaille seit 1953! Die WM 2013, erlebt wie in Trance. Wie ein Traum, aus dem wir erst im Final erwachten und nicht glauben konnten, was wir nicht geträumt, sondern erlebt hatten.

Swiss President Ueli Maurer, left, greets Switzerland's player Nino Niederreiter, 2nd left, and Rene Fasel, 2nd right, President of the International Ice Hockey Federation (IIHF), greets Switzerl ...
2013 stürmte die Schweiz als Aussenseiter zu WM-Silber.Bild: KEYSTONE

Seither sind zwölf Jahre vergangen. Wieder stehen wir in der gleichen Stadt im gleichen Stadion im Final (Sonntag, 20.20 Uhr). Alles sieht noch aus wie 2013. Nach Stockholm kam ich wieder. Die alten Strassen noch, die alten Häuser noch. Aber die alten Hockey-Welten sind nicht mehr. Unser Hockey-Selbstverständnis hat sich fundamental verändert.

Zwölf Jahre später dürfen wir mit etwas Arroganz sogar sagen: WM-Final – na und? Wir waren ja auch vor einem Jahr in Prag im Final. Spielen um den WM-Titel ist beinahe schon helvetischer Hockey-Alltag geworden.

Einen Titel ist uns nach dem Halbfinalsieg gegen Dänemark schon sicher. Wir haben in Herning und Stockholm die B-Weltmeisterschaft gewonnen. Das mag nun etwas gar despektierlich tönen. Aber wir haben bei dieser WM erst zweimal gegen ein Team gespielt, das im Welteishockey zu den Titanen gehört: Gegen den inzwischen entthronten Weltmeister Tschechien (4:5 n.V) und gegen die USA (3:0).

Die restlichen 7 Partien dürfen wir – etwas polemisch, aber hockeytechnisch korrekt – als B-WM bezeichnen. Wir stehen auf Rang 5 der Weltrangliste. Wir haben Deutschland (Nr. 8 Weltrangliste), Norwegen (Nr. 12), Österreich (13.), Absteiger Kasachstan (Nr. 15), Ungarn (Nr. 18) und Dänemark (Nr. 11) zweimal (in den Gruppenspielen und nun im Halbfinal) besiegt.

Switzerland's players celebrate their victory after defeating the team Denmark, during the IIHF 2025 World Championship semifinal game between Switzerland and Denmark, at the Avicii Arena (Globe) ...
Bild: keystone

Diese Siege durften, ja mussten beim Potenzial unseres WM-Teams erwartet werden. Aber leicht geht vergessen, wie schwer sich die Schweizer schon so oft gegen vermeintlich «leichte» Gegner getan haben.

Favorit zu sein ist kein Selbstläufer. Die Favoritenrolle bringt eine besondere mentale Belastung mit sich. Der Druck, gewinnen zu müssen, lässt oft die Leichtigkeit und Kreativität vermissen, die erforderlich ist, um sich gegen defensiv gut strukturierte, hart arbeitende Teams durchzusetzen. Die Kanadier haben es im Viertelfinal gegen Dänemark schmerzlich erfahren.

Der Gewinn der «B-Weltmeisterschaft» ist deshalb ein bemerkenswerter Erfolg. Logisch, wenn wir das spielerische Potenzial dieses Teams berücksichtigen. Es ist das beste, das schnellste, taktisch das reifste und am besten ausbalancierte der Geschichte.

Und doch ist der Gewinn der «B-WM» alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Dass die Schweizer im Laufe dieser «B-WM» nie überheblich, nie arrogant, nie leichtsinnig, nie unkonzentriert, nie nachlässig, nie undiszipliniert geworden sind – das ist ein riesiges Kompliment an Nationaltrainer Patrick Fischer und ein Zeichen für eine hochprofessionelle Einstellung jedes einzelnen Spielers. Wahrlich, sie haben die Pflicht grandios erfüllt.

epa12132109 Switzerland's head coach Patrick Fischer looks on during the IIHF Ice Hockey World Championship semifinal match between Switzerland and Denmark at Avicii Arena in Stockholm, Sweden, 2 ...
Patrick Fischer hat sein Team perfekt eingestellt.Bild: keystone

Der Sieg gegen Dänemark im Halbfinal ist erneut auf eine so überzeugende Art und Weise herausgespielt worden, dass sich eine tiefere Analyse erübrigt. Wieder kein Spiel. Wieder wie eine mit höchster Präzision durchgeführte Operation. Gnadenlos durchgezogen von der ersten bis zur letzten Minute. Die Dänen waren zwar eine Nummer grösser als die Österreicher – aber eine Chance hatten sie nie und das perfekte Spiel wie gegen Kanada gelang ihnen nicht. It was over before the fat lady sang.

Das Torverhältnis aus dem Viertelfinal und dem Halbfinal: 13:0. Dreizehn zu null! Trotz zwei aberkannten Toren gegen Dänemark. Die Schweiz rockt die Hockey-Welt mit bis zur Perfektion verfeinertem «Pausen-Platz-Hockey».

Aber die grandiose Pflicht verliert viel von ihrem Wert, wenn nun im Final gegen die USA die Kür nicht gelingt. Es ist eine «Jahrhundert-Chance» auf den ersten WM-Titel unserer Geschichte. Mit ziemlicher Sicherheit wird es in den nächsten hundert Jahren nie mehr eine solche Konstellation geben: Auf dem Weg in den Final mussten «nur» Österreich im Viertelfinal und Dänemark im Halbfinal besiegt werden. Wir sind sozusagen auf der Autobahn zum Gipfel hinaufgefahren, wo jetzt goldener Ruhm winkt.

Wie stehen die Chancen? 50:50. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Einen «Amerika-Komplex» gibt es wahrlich nicht. 2013 haben wir den Halbfinal (mit Reto Berra im Tor) gegen die USA 3:0 gewonnen. Bei dieser WM setzten wir uns in den Gruppenspielen mit dem gleichen Resultat durch (3:0). Auf der Minus-Seite steht das 0:3 im Viertelfinal von 2022.

epa12130957 USA's Shane Pinto (L) celebrates with teammates after scoring the 2-6 during the IIHF Ice Hockey World Championship semifinal match between Sweden and the USA at Avicii Arena in Stock ...
Die Amerikaner haben sich im Turnierverlauf gesteigert.Bild: keystone

Die Amerikaner sind inzwischen besser als bei der Niederlage vor 12 Tagen in Herning. Nicht nur besser eingespielt. Sie sind zu einem Team, zu einer verschworenen «Bande» zusammengewachsen, für die diese WM zu einem aufregenden Abenteuer geworden ist. Sie sind mit einem Durchschnittsalter von gut 24 Jahren das jüngste Team des Turniers (die Schweizer sind mit etwas mehr als 28 Jahren das drittälteste). Ihre Spielweise ist einfach, geradlinig, mutig, intensiv und natürlich mit viel Talent veredelt. Nur zwei Spieler sind keine NHL-Profis. Es ist eines der besten, vielleicht sogar das beste US-Team der Neuzeit.

2013 und 2018 waren die Schweden und 2024 die Tschechen als klare Favoriten in den Final gegangen. Nun sind die Schweizer zum ersten Mal kein Aussenseiter. Sind die Amerikaner talentierter? Nein. Sind sie besser gecoacht? Ganz sicher nicht? Sind sie härter, robuster? Nein. Sind sie schneller? Nein. Sind sie erfahrener? Nein, ganz im Gegenteil. In diesem Bereich haben die Schweizer sogar einen klaren Vorteil. Haben die Amerikaner den besseren Torhüter? Das ist die entscheidende Frage.

Leonardo Genoni hat gegen Dänemark zum vierten Mal bei dieser WM «zu null» gespielt (zuvor 3:0 USA, 10:0 Ungarn, 6:0 Österreich) und steht nach 2018 und 2024 zum dritten Mal im WM-Final.

Wenn Leonardo Genoni beschliesst Weltmeister zu werden, dann werden wir Weltmeister.

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quelle: keystone / salvatore di nolfi
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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Holzvermöbler
24.05.2025 21:20registriert November 2020
Und die USA so:
Wie ist das denn möglich?
Wir haben doch Schweden aus dem Turnier geworfen!?!
Jetzt treffen wir im Final wieder auf sie???
18110
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Schlaf
24.05.2025 21:29registriert Oktober 2019
Diese Leichtigkeit, gepaart mit der physischen Präsenz dieses Teams ist ein wahrer Genuss, mir bleibt die Spucke weg.

Ein Team, welchem morgen Grossartiges gelingen kann!

Ich wünsche beste Erholung und hoffe so fest, dass ihr morgen den Amis den Meister zeigt!
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Geff Joldblum
24.05.2025 21:27registriert August 2019
So und jetzt holt den Chübel!!
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