Ambris Sportchef Paolo Duca hat diesen Transfer umsichtig eingefädelt, Philip Wüthrich die Möglichkeiten in Ambri aufgezeigt, ihm Zeit für die Entscheidungsfindung gelassen und den «Transfer-Playoff-Final» gegen den SCB gewonnen. Er sagt: «Ich bin zuversichtlich, dass sich Philip bei uns wohl fühlen und noch besser wird. Wir haben in den letzten Jahren sehr gute Erfahrung mit «Bärner Giele» gemacht …» Wo er recht hat, da hat er recht: Zuletzt sind André Heim, Yanik Burren oder Marco Müller erst in Ambri bestandene NL-Spieler geworden.
Philip Wüthrich (26) hat für zwei Jahre bis 2027 unterschrieben. Der Vertrag mit Gilles Senn (28) ist vorzeitig um zwei Jahre bis 2028 verlängert worden. Paolo Duca setzt also auf zwei Torhüter mit Schweizer Pass, die sich konkurrenzieren und gegenseitig unterstützen. Das ist machbar, wenn beide die Aussicht auf mehr als 20 Spiele haben, funktioniert aber selten, wenn einer auf die Rolle einer Nummer 2 und weniger als 20 Spiele reduziert wird. «Bei 52 Qualifikationsspielen braucht es einfach zwei gute Goalies. Das ist der Trend im Hockey.» Wenn einer der beiden eine ausländische Lizenz blockiert, funktioniert eine Doppellösung nur dann, wenn sich einer mit der Rolle am Katzentisch zufriedengibt: Schon aus Prestigegründen ist der Ausländer die Nummer 1. Wenn nicht, müsste sich der Sportchef fragen lassen, was er eigentlich den ganzen Tag mache.
Paolo Duca gibt noch einen Punkt bei einer doppelten Schweizer Lösung zu bedenken: «Ein ausländischer Goalie bedeutet einen ausländischen Feldspieler weniger. Die Mannschaft muss jedes Mal, wenn nicht der ausländische Goalie spielt, auf zentralen Positionen umgestellt werden. Zwei Schweizer Goalies bringen mehr Stabilität in die Mannschaft.»
Beim SCB gab es ja letzte Saison latentes Murren, weil sich Philip Wüthrich auf den Kopf stellen konnte und doch nicht an Adam Reideborn (32) vorbeikam. Er musste selbst nach einem «Shutout» fürs entscheidende Viertelfinalspiel gegen Zug wieder den Schweden den Vortritt lassen und der SCB verlor krachend. Jussi Tapolas sture Bevorzugung von Adam Reideborn hat dem SCB die aktuelle «Goalie-Suppe» eingebrockt und eine funktionierende Doppel-Lösung «Reideborn-Wüthrich» unnötig erschwert.
Luganos Sportchef Hnat Domenichelli hat für diese Problematik einmal eine interessante Lösung ins Spiel gebracht: «Eigentlich müsste man nicht einen, sondern zwei ausländische Goalies verpflichten, um Stabilität und Ruhe zu bekommen. Aber diese Lösung ist natürlich bei uns nicht realistisch.»
Seit zwei Jahren ist das Goalie-Problem beim SCB erkannt. Aber selbst mit einer Doppelbesetzung der sportlichen Führung mit Unter- und Obersportchef ist es nicht gelungen, eine befriedigende Lösung mit einem zweiten starken Schweizer Goalie neben Philip Wüthrich zu finden. Kloten hat sich Ludovic Waeber gesichert, Luca Hollenstein zügelte von Zug nach Davos, Gilles Senn von Davos nach Ambri, Joren van Pottelberghe von Biel nach Lugano, Ivars Punnenovs von Lausanne nach Rapperswil-Jona und Reto Berra hat bei Gottéron Kultstatus. Seit Leonardo Genoni im Sommer 2019 nach Zug gewechselt hat, ist der SCB auf der Suche nach einer Goalie-Lösung.
Der SCB hat mit dem ehemaligen Junioren-Internationalen Andri Henauer (22) einen Schweizer Goalie bis 2026 unter Vertrag. Er hat bis heute kein einziges NL-Spiel bestritten und steckt in der Swiss League bei Basel in der Karriere-Sackgasse fest. Weil der Bruder von Lakers-Verteidiger Mika Henauer (24) noch nie in der höchsten Liga zum Zuge gekommen ist, kann sein Potenzial nicht verlässlich beurteilt werden.
Der SCB braucht erstmals seit Leonardo Genoni wieder eine erstklassige Besetzung der Torhüterposition, um Titelanwärter zu werden. Wenn Adam Reideborn diesen Ansprüchen im Frühjahr nicht gerecht wird, brauchen die Berner einen besseren ausländischen Goalie, der zur Not auch 40 Partien durchstehen kann wie Biels Harri Säteri oder Zürichs Simon Hrubec. Oder einen «Doppel-Wumms» mit Schweizer Pass: Connor Hughes (28) und Akira Schmid (24). Beide warten in Nordamerika in einer NHL-Organisation (Montréal, Las Vegas) mit auslaufenden Verträgen auf ihre Chance in der wichtigsten Liga der Welt. Beide nächste Saison nach Bern zu holen, ist völlig unrealistisch.
Gibt es auf dem Schweizer Markt tatsächlich keine valablen Kandidaten? Diese Frage stellt sich ja auch Langnaus Sportchef Pascal Müller nach dem Transfer von Stéphane Charlin nach Genf oder in die NHL. Klotens Sportchef Ricardo Schödler ist drauf und dran, die Goalie-Frage für nächste Saison mit einer interessanten Variante zu lösen: Die neue Nummer zwei hinter Ludovic Waeber (28) als Ersatz für Sandro Zurkirchen (34) könnte der italienische Nationaltorhüter Davide Fadani (23) werden.
Der Transfer ist interessant, weil sich Ricardo Schödler auf einem von den Sportchef oft vergessenen «Lateinischen Transferwühltisch» umgesehen hat: Auf dem Markt der italienischen Nationalspieler mit Schweizer Lizenz. Davide Fadani ist italienischer Nationaltorhüter und ein vergessener Held der Sky Swiss League: Er ermöglicht dem Schlusslicht Bellinzona mit Heldentaten immer wieder erstaunliche Resultate und zuletzt ist es ihm beinahe gelungen, bei Olten einen Punkt zu retten (3:4). Die durchschnittliche Fangquote von 92,55 Prozent beim schwächsten Schweizer Profi-Team ist beachtlich.
Davide Fadani ist in Lugano ausgebildet worden (daher die Schweizer Lizenz) und schon vom damaligen Lugano-Trainer Chris McSorley über den grünen Klee gelobt worden. Vor zwei Jahren wechselte er in die Organisation von Ambri. Er hat bisher erst vier Partien in der höchsten Liga bestritten. Beobachter rühmen seine professionelle Einstellung und trotz durchschnittlicher Statur (182 cm/76 kg) sein Talent. Aber ihm fehle die Erfahrung im «seriösen» Profihockey. Will heissen: Erfahrung in Spielen mit Resultatdruck in der National League.
Das Torhüterproblem ist beim SCB nicht einfach zu lösen. Gut, hat der SCB in der Sportabteilung mit einem Unter- und Obersportchef genug Ressourcen für gründliches Scouting, kreative Ideen und gute Lösungen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte