Nur die Frage nach dem Pferdeschwanz ist bei Biel definitiv beantwortet. Doch dazu später mehr. In Biel ist vieles anders. Auch eine Trainerentlassung. Biel ist eben «Hockeytown». Ein wenig wie das ebenso zweisprachige Montréal. Am Montag kurz nach 10.00 Uhr beginnt im Hockey-Tempel am Fusse des Juras das erste Training unter der Leitung des neuen Trainers Martin Steinegger und des neuen Assistenten Anders Olsson.
Nach und nach finden sich mehr als ein Dutzend Chronisten (Chronistinnen fehlen) deutscher und welscher Zunge ein. Fast wie bei einem Training der Montréal Canadiens mit den Medienvertreterinnen und -vertretern aus dem anglophonen und frankophonen Kulturkreis. Dort aber geht es alle Tage so emsig zu und her. Hier in Biel nur am ersten Tag nach einer Trainerentlassung.
Martin Steinegger und Anders Olsson ersetzen Petri Matikainen und Juha Vuori. Der neue Chef ist gut zu erkennen: Martin Steinegger trägt unter der roten Dächlikappe mit Abstand die längsten Haare. Das Training dürfte den Spielern gefallen haben: Viel Bewegung, viel Simulation von Spielsituationen und nur wenig taktische Schulung mit Anders Olsson, den sie aus früheren Jahren bereits kennen.
Der Schwede hat bereits von 2017 bis 2021 als Assistent in Biel gearbeitet. Er steht zur Verfügung, weil er es fertiggebracht hat, mit Martigny im allerletzten Spiel ausgerechnet gegen die Ticino Rockets die Playoffs der Swiss League zu vergeigen. Martin Steinegger spricht ab und an in Zimmerlautstärke mit den Spielern. Hinterher wird er zu seinem Führungsstil sagen:
Böse Worte über die abgesetzten Vorgänger gibt es vom Sportchef keine. «Sie haben ihr Herz in die Arbeit gelegt und nie gejammert oder Ausreden vorgebracht. Sie haben jeden Tag alles versucht, um Lösungen zu finden.» Aber am Ende seien sie mit ihren Worten wohl nicht mehr durchgedrungen.
Am Sonntagnachmittag ist der Verwaltungsrat zusammen mit dem Sportchef zum Schluss gekommen, den Trainer und seinen Assistenten drei Runden vor Qualifikationsschluss doch noch zu wechseln. «Es gibt nicht einen Grund, warum wir zu diesem Entscheid gekommen sind. Es gibt viele Gründe, warum dieser Schritt notwendig geworden ist.» War es vielleicht so, dass der Nachfolger von Antti Törmänen zum Scheitern verurteilt war? Dass erst ein Trainer «verheizt» werden musste, damit ein neues Kapitel beginnen kann? Der Sportchef, der jetzt bis Saisonende Trainer ist, sagt: «Auf jeden Fall war es eine schwierige Situation.»
Wie ist die Stimmung in der Kabine, in der Mannschaft? Das ist in Biel einfach herauszufinden: Damien Brunner gut, alles gut. Der charismatische Leitwolf mit der Erfahrung aus mehr als 700 Partien in der höchsten Liga und über 100 in der NHL ist der Sensibelste im Team und zuversichtlich. Also: Damien Brunner gut. Er sagt, niemand habe gegen den Trainer gespielt.
Natürlich sagt das jeder auf eine entsprechende Frage. Aber Damien Brunner meint es wirklich so. Dieser «ewige Spieler» und Künstler sagt, was er denkt, leidet, wenn es seinem Team nicht läuft. Am Stuhl des Trainers hat er noch nie gesägt, und in Biel macht das ohnehin keiner.
Was war das Problem? «Wir haben diese Saison nie die Leichtigkeit gefunden, die unser Spiel ausmacht. Wir haben einige gute Partien gezeigt, aber konstant waren wir nie, und nach und nach sind die Sicherheit und das Selbstvertrauen verloren gegangen.» Jeder habe versucht, sein Bestes zu geben. «Aber es passte nicht mehr zusammen.»
Auch von ihm kein böses Wort über den alten Chef. Er scheint einfach froh und erleichtert zu sein, dass es noch einmal so etwas wie einen Neustart gibt. Nun bleiben drei Partien – Davos (h), Lugano (h) und Servette (a) – um das Play-In doch noch zu schaffen.
Wer wird nächste Saison Trainer sein? Für Martin Steinegger kommt die Frage viel zu früh, und Zeit für Anstellungsgespräche hat er vorerst sowieso keine. «Namen sind bei uns bereits eingegangen. Aber damit beschäftigen wir uns in aller Ruhe nach der Saison.» Ist es nur Spass, als er auf eine entsprechende Frage nicht explizit auschliessen mag, Trainer über den Rest dieser Saison hinaus zu bleiben?
Wahrscheinlich schon. Aber tief im Herzen sind halt fast alle Sportchefs auch ein wenig Trainer, und Martin Steinegger hat sich in Biel schon zweimal kurzzeitig als Nottrainer bestens bewährt. Eines stellt er klar: Eine Rückkehr von Antti Törmänen sei keine Option. «Er hat uns gesagt, dass er keinen Coaching-Job mehr annehmen wird.»
Einen berühmten Namen gibt es bereits. Noch am Sonntagabend hat ein vorwitziger Chronist Jukka Jalonen per SMS kontaktiert. Finnlands legendärer Nationaltrainer, Weltmeister und Olympiasieger wird sein Amt nach der WM in Prag niederlegen und eine neue Herausforderung suchen. «Hi Jukka, everything ok in Finland? Are you ready for Switzerland after Prague? Biel fired the coach …» – «Of course I am ready. We will see what will happen in Biel …» Affaire à suivre heisst es im Welschland in so einem Fall.
Was wir jetzt schon sicher wissen: Martin Steinegger hat zusammen mit Christian Dubé mit grossem Abstand die längsten Haare aller NL-Cheftrainer. Aber er wird sie, anders als der Gottéron-General, nicht zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden. «Ganz sicher nicht.» Und nachdem er lange, geduldig und freundlich Auskunft gegeben hat, bittet er um Nachsicht. «Meine Füsse schmerzen stark. Ich muss unbedingt aus den Schlittschuhen …»
Der 52-Jährige muss sich nach mehr als 1000 Partien in der obersten Liga, über 200 Länderspielen und mehr als 2000 Strafminuten wieder an das Schuhwerk mit den eisernen Kufen gewöhnen. Aber immerhin weiss er, wo der Schuh drückt.
Für Biel wäre das eine super Sache, der beste Coach von Europa haben zu können, wäre natürlich genial.
Vielleicht stürzt er dann aus dem Bus und nicht aus dem Flieger. 🤣🤣🍻