Die fünf Spiele am Samstagabend beginnen alle mit einigen Minuten Verspätung. Der Grund: eine koordinierte «Protestaktion» der Spielergewerkschaft und der Fans.
Nach dem Motto «2 Minuten fürs Schweizer Eishockey» halten die Spieler während 120 Sekunden von Fans kreierte «Protestbanner» in die TV-Kameras. Mit der Aufschrift: «Der Nachwuchs ist unsere Zukunft, die Fans unser Rückgrat und Eishockey unser Leben.»
Es ist die lächerlichste Protestaktion unserer Sport-Geschichte. Wer protestiert, sollte schon den Mut (oder in der Hockey-Sprache: die Eier) haben, zu sagen, gegen was er protestiert. Was er will und was er nicht will.
In diesem Falle hätte es mindestens heissen müssen: «Wir sind gegen 7 Ausländer – stoppt die Reform».
Es ist ein Operetten-Protest einer Operetten-Spielergewerkschaft mit dem Operetten-Präsidenten Jonas Hiller. Der ehemalige NHL-Torhüter fabulierte zwar hinterher in die TV-Kameras etwas wirr, man sei gegen die Reform, gegen die höhere Anzahl Ausländer und so – aber den Mut hatten er und seine Spieler nicht, dies mit der Protestaktion auch klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen.
Der vermeintliche «Protest» hat bei federführenden Reformern unter den Klub- und Ligagenerälen am Samstagabend nachgerade Hohn und Spott ausgelöst.
Liga-Manager Denis Vaucher hatte auf dem «Latrinenweg» von der Aktion erfahren. Aber wohlweislich nichts unternommen. Jeder Versuch, die Aktion zu unterbinden, hätte ihr bloss Wichtigkeit gegeben.
Kein Wunder, erklärte er gut gelaunt, die Spielergewerkschaft sei offenbar ganz auf einer Linie mit den geplanten Reformen (u.a. 7 statt 4 Ausländer und kein Auf- und Abstieg). Bei diesen Reformen gehe es um die Interessen der Fans und das Wohl des Nachwuchses und Eishockey sei auch das Leben der Reformer.
Es ist eine «Protestaktion» von nachgerade rührender Naivität. Sie ist der Ohnmachtsbeweis der Spielergewerkschaft und der Mutlosigkeit ihres Präsidenten. Ein mit der Sache nicht vertraute Laie kann die «Protestaktion» sogar als Zustimmung der Spieler zu den Reformen, zu mehr Ausländern interpretieren.
Wenn die Spieler doch noch Einfluss auf die Reform nehmen wollen, dann brauchen sie einen Vorsitzenden, der klar auszudrücken versteht, was falsch und richtig ist in unserem Hockey.
Kein Wunder, dass sich keiner der Liga-Generäle und Reformer über die Aktion aufregt. Am Montag soll der Protest bei der Sitzung der Liga-Führung kurz besprochen werden. Wir können ohne jede Boshaftigkeit davon ausgehen, das herzlich darüber gelacht wird. Die Reformer wissen spätestens nach dieser «Protestaktion», dass sie die Meinung der Spieler getrost ignorieren können.
Auch SCB-Manager Marc Lüthi, einer der führenden Reformer, war am Samstag im Stadion. In Ambri. Die «Protest-Aktion» kümmerte ihn weniger als ein umgestürzter Sack Reis in Peking. Gerne bestätigte er, dass man als Arbeitgeber von der Aktion nichts gewusst habe und enthielt sich einer weitergehenden Meinungsäusserung.
Dabei wäre die ganze Reform mit entschlossenem, klugem Widerstand der Spieler und der Fans durchaus noch zu stoppen.
Inzwischen sagen nämlich selbst führende Reformer, sieben Ausländer seien nur im Rahmen eines Gesamtpaketes möglich. Will heissen: sieben Ausländer nur dann, wenn gleichzeitig das sog. «Financial Fairplay» (also eine Salärbegrenzung) eingeführt wird. Vorgesehen ist eine maximale Lohnsumme von 10 und eine minimale von 5 Millionen. So soll die mit sieben Ausländern unvermeidliche Kostenexplosion verhindert werden. Wer mehr als 10 Millionen ausgibt, wird gebüsst. Vorgesehen ist eine Busse in der Höhe von 50 Prozent der Summe, die über die 10 Millionen hinaus in Spielerlöhne investiert wird.
Mit dieser Salärbegrenzungs-Idee haben die Reformer die naiven «Kleinen» der Liga dazu gebracht, der Erhöhung auf sieben Ausländer zuzustimmen. Nur die ZSC Lions waren dagegen und Ambri hatte sich immerhin der Stimme enthalten.
Sieben Ausländer sollen gemäss Liga-Beschluss schon ab der Saison 2022/23 zugelassen werden. Das «Financial Fairplay» wird hingegen gemäss übereinstimmenden Angaben der Reformer frühestens ab der Saison 2025/26 greifen (wenn überhaupt).
Dann werden wir also mindestens drei Saisons mit sieben Ausländern ohne jede Kostenbegrenzung haben (2022/23, 2023/24 und 2024/25). Heirassa!
Die Antwort eines führenden Reformers auf diesen Systemfehler: Das «Financial Fairplay» werde natürlich und selbstverständlich schon 2022/23 gleichzeitig mit der neuen Ausländerregelung eingeführt. Die Lohnbegrenzung gehöre ja zum Gesamtpaket. Aber man werde Überschreitungen der maximalen Lohnsumme erst ab 2025/26 sanktionieren. Der Bär soll also gewaschen werden, ohne ihn nass zu machen.
Selbst wem jede Form der Polemik oder der Kritik an sportlichen Autoritäten fremd ist, dem bleibt angesichts solcher Reformen nur kopfschüttelnde Fassungslosigkeit.
Unser Eishockey ist ein erstklassiges Produkt. Unsere höchste Liga ist sportlich eine der besten der Welt und wir hatten bis zur Pandemie nach der nordamerikanischen NHL weltweit die höchsten Zuschauerzahlen. 2013 und 2018 spielte die Schweiz im WM-Final.
Aber es ist nicht mehr ganz sicher, dass unsere formidable National League stark genug sein wird, um diese Reformen ohne schwere sportliche und wirtschaftliche Schäden zu überstehen.