Eine neue Ära hat beim SCB begonnen. Marc Lüthi ist bekanntlich vom Präsidenten wieder zum Manager mutiert. Sein Nachfolger im Präsidentenamt ist der bisherige Verwaltungsrat Carlo Bommes, der Sohn des legendären ehemaligen SCB-Obmannes Fred Bommes. Das ist allerdings bloss eine Randnotiz fürs SCB-Geschichtsbuch. Anders als einst Fred Bommes hat sein Sohn beim SCB nicht das letzte Wort und der erfolgreiche und gut vernetzte Eventmanager (u. a. Gurtenfestival) wird sich mit einer dekorativen Rolle begnügen wie der König von England.
Das letzte Wort im Tagesgeschäft hat nun wieder Marc Lüthi. Was zu einer neuen Leistungskultur führt: Vor der Saison 2022/23 wollte Präsident Marc Lüthi Trainer Johan Lundskog feuern. Er konnte sich gegen den neuen Manager Raeto Raffainer nicht durchsetzen. Später musste Raeto Raffainer Johan Lundskog trotzdem entlassen.
Der Bruch mit der Vergangenheit ist räumlich sichtbar. Vor einem Jahr hat der SCB zur Vorsaison-Medienkonferenz in die VIP-Loge eingeladen. Mit Getränken und Fingerfood. Sportchef Andrew Ebbet und Manager Raeto Raffainer rühmten die Harmonie im Team. Marc Lüthi verabschiedete sich offiziell ins Präsidentenamt und wollte fortan bis zum Ende seiner SCB-Tage dort bleiben. Wie sich bald zeigen sollte: Ohne Marc Lüthi war der SCB nur noch eine Mineralwasser-Version seiner selbst.
Nun hat der SCB wieder zur Vorsaison-Medienkonferenz eingeladen. In den Medienraum. Also an einen Ort, wo gearbeitet wird. Marc Lüthi, sein Bürogeneral Pascal Signer, Unter-Sportchef Andrew Ebbet und der neue Präsident Carlo Bommes geben kurz, präzis und freundlich Antwort. Der neue Ober-Sportchef Martin Plüss sitzt noch nicht vorne am Tisch. Er hat zwar bereits das Büro von Raeto Raffainer in der SCB-Geschäftsstelle übernommen, wird aber sein Amt erst am 1. Mai 2024 übernehmen und bis zu diesem Zeitpunkt im Hintergrund bleiben. Er muss noch seine Spielervermittler-Agentur (er vertritt auch SCB-Stars) deaktivieren.
Auf die Frage, ob er bewusst die neue Saison im Medienraum und nicht mehr in der VIP-Loge eröffne, geht Marc Lüthi nicht direkt ein und sagt einfach: «Nun bin ich wieder da.» In der Kabine ist die Rückkehr von Marc Lüthi übrigens positiv aufgenommen worden. Die Spieler mögen seine direkte, kantige Art. Für seinen rhetorisch brillanten Vorgänger Raeto Raffeiner hatten sie sich nicht richtig begeistern können.
Die Zahlen, die Marc Lüthi fürs letzte Geschäftsjahr präsentiert, sind unspektakulär. Die SCB Eishockey AG hat einen Verlust von 241'000 Franken eingefahren. Erst zum vierten Mal in den letzten 23 Jahren hat der SCB rote Zahlen geschrieben. Das Minus ist für den Hockey-Konzern SCB allerdings unerheblich und fiel sogar geringer aus als budgetiert. Weil die SCB Eishockey AG auch Publikumsaktien hält, werden die Zahlen veröffentlicht.
Die interessantesten Zahlen sind allerdings die der SCB Group AG als Besitzerin der SCB Eishockey AG, der SCB Future AG und der Sportgastro AG. Hier ist der Maschinenraum der SCB-Finanzen und weil die SCB Group AG einer kleinen Männerrunde um Marc Lüthi gehört (keine Publikums-Aktien), bleiben diese Zahlen geheim. Neben Marc Lüthi gehören auch Roman Josi und Mark Streit zu den Mitbesitzern. Die beiden Hockey-Stars haben sich mit je einer Million eingekauft. Marc Lüthi bestätigt lediglich, dass auch die SCB Group AG einen kleinen Verlust eingefahren habe. Der Umsatz der gesamten SCB-Gruppe habe noch nicht ganz den Stand vor Corona (rund 60 Millionen) erreicht.
Der SCB steht auf solider finanzieller Basis. Sowohl die SCB Eishockey AG wie auch der gesamte SCB-Konzern. Neues Geld ist nicht erforderlich. Aber eine neue Identität. Also wird an einer Image-Korrektur gefeilt. Dabei macht Marc Lüthi – um die Rückkehr zur Leistungskultur zu betonen – im Rahmen der offiziellen Medienkonferenz eine doch etwas gewagte Aussage: «Der SCB ist ein Arbeiter- und Bauernklub.» Später korrigiert er sich auf «KMU-, Arbeiter- und Bauernklub».
Worin unterscheidet sich der SCB dann noch von den SCL Tigers? «Wir sind grösser und wir haben die meisten Bauern im Stadion.» Was bei der höchsten Zuschauerzahl in Europa durchaus richtig sein kann. Oder kokettiert er mit dem Bauern-Image, weil er – wie die Landwirte – auf Subventionen hofft? «Das wäre in der Tat eine gute Idee.»
Der SCB als Arbeiter- und Bauernklub – funktioniert das? Nein, funktioniert nicht. Es ist ein – hoffentlich – einmaliger verbaler Betriebsunfall von Marc Lüthi. Wenn er es mit dem Bauern-Image ernst meint, müsste er ein klares Zeichen setzen und wenigstens Rolf Gasser in den SCB-Verwaltungsrat holen: Der tüchtige Geschäftsführer des Eidgenössischen Schwingerverbandes ist Urberner, weiss, wie die Bauern ticken, versteht etwas vom Sport-Business und kennt Hockey.
Wenn Marc Lüthi «seinen» SCB (er ist ja Mitbesitzer) als Bauernklub bezeichnet, so zeigt das, wie sehr er unter dem Zerfall der Leistungskultur letzte Saison gelitten hat. Der SCB ist auf dem richtigen Weg. Aber die Bezeichnung «Bauernklub» sollte eine einmalige verbale Kuriosität bleiben. Der SCB ist sicherlich nicht der Landwirtschaftsbetrieb unseres Hockeys. Sondern das Bayern München unseres Hockeys. Es hat schon seinen Grund, warum die SCB-Fans die Langnauer auch als «Gustiputzer» und «die Chäsigen» bezeichnen. Eine Niederlage gegen die SCL Tigers kann sich der SCB als Bauernklub nicht mehr leisten, ohne sich im Bernbiet dem Gespött auszusetzen: Der SCB wäre ja dann nach den Langnauern nur noch die Nummer 2 der bernischen Bauernklubs. Und wie sollen die Langnauer künftig mit dem Volkslied «Es Burebüebli mahn i nit» verhöhnt werden?
Dass der SCB nun auch ein Frauenteam in die Meisterschaft schickt (Ziel ist der Meistertitel), will ja auch nicht recht zu einem «Bauern-Klub-Image» passen. Die Frauen bilden eine eigene Abteilung im SCB und operieren mit einem Budget von rund 200'000 Franken. Weil das SCB-Frauenhockey juristisch eigenständig als Verein organisiert ist, können die Partien der Frauen (Heimspiele Hockey-Tempel) – anders als die Juniorenspiele – mit einem SCB-Abo nicht gratis besucht werden. Pascal Signer präzisiert: «Der Eintritt zu den Spielen der Frauen kostet zwischen fünf und sieben Franken und ein Saisonabi gibt es für 50 Franken.» Ein Saisonabi nur für die Frauen? «Ja, wir haben bereits rund 80 verkauft.» Gecoacht werden die Frauen von Thomas Zwahlen, der sich bei Düdingen während zehn Jahren in der höchsten Amateurliga Kultstatus erarbeitet hat und seit 2021 das nun vom SCB übernommene Frauenteam Bomo Thun führt. Als Sportchef rockt die ewige Legende Köbi Kölliker die Szene.
Beim «richtigen» Aboverkauf ist der SCB bei 12'142 angelangt. Das ist trotz der sportlich verlorenen letzten vier Jahre (mit den Rängen 9, 9, 11 und 8) eine erstaunliche Zahl, die nahe an die magische Grenze von 13'000 Saisontickets herankommt. Wenn es in Bern rockt (wie zuletzt in der Meistersaison 2018/19), wird der Saisonkartenverkauf jeweils bei 13'000 gestoppt.
Das Budget für die erste Mannschaft ist im Vergleich zur letzten Saison nicht erhöht worden. Aber nachdem der SCB vier Jahre lang – etwas boshaft formuliert – keinen richtigen Trainer mehr hatte, wird allein das Engagement eines richtigen Trainers (Jussi Tapola) und die bessere Besetzung der Torhüter- und Ausländerpositionen für eine klare Steigerung sorgen. Es geht wieder einmal um den Klassiker Geld und Geist. Der SCB beginnt eine neue Ära nicht mit mehr Geld. Aber mit mehr Geist.
Die Weichen sind allgemein besser gestellt als in den letzten Jahren.