Einzelrichter Reto Steinmann hat Servettes Nationalgoalie Robert Mayer, Held des Sieges in Lugano (3:2) wegen eines Schlages mit der Stockhand gegen Luganos Brett McLean gesperrt. Dieses Urteil ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.
Die beiden Headschiedsrichter haben Robert Mayers Vergehen nur mit zwei Minuten sanktioniert, weil sie in der Hitze des Spiels nicht gesehen hatten, dass der Goalie mit seiner Stockhand geschlagen hatte. Der Einzelrichter hat nun aufgrund der TV-Bilder diesen Entscheid korrigiert, obwohl es weder eine Verletzung eines Gegenspielers noch einen gegnerischen Protest oder eine Videoeingabe Luganos gegeben hat. Das Regelbuch ist unmissverständlich: Schlägt der Torhüter, so wie es Robert Mayer getan hat und wie es auf den TV-Bildern glasklar zu erkennen ist, mit der Stockhand, dann sind eine Matchstrafe und eine Spielsperre zwingend.
Dieses Vorgehen ist im bezahlten Sport so einmalig. Der Einzelrichter korrigiert hinterher einen Entscheid des Schiedsrichters. Was nicht ganz ohne Risiko ist: Die Latte für diese Playoffs liegt nun sehr hoch. Im Sinne der Rechtssicherheit sollten auch in allen noch anstehenden Playoffpartien gleiche Vergehen vom Einzelrichter geahndet werden. Auch dann, wenn es keine Video-Eingabe gibt.
Die Sperre gegen Robert Mayer ist ein bemerkenswerter Eingriff in die Rechtshoheit der Schiedsrichter – ein Gut, das etwa im Fussball bis zum Exzess verteidigt wird.
Damit kein Missverständnis entsteht: Der Einzelrichter darf nur dann eingreifen und Schiedsrichter-Entscheide korrigieren, wenn es um Verstösse des «Hockey-Strafrechts» geht. Also nur bei Fouls oder sonstigem unsportlichen Verhalten, welches so schwerwiegend ist, dass es eine Matchstrafe bzw. Sperren nach sich ziehen kann. Er kann hingegen nicht wegen eines verpassten Offsides oder eines irrtümlich annullierten (oder gegebenen) Tores oder eines folgenlosen Dutzendfouls aktiv werden. Ein wenig Spielraum für Schiedsrichter-Fehlentscheide haben wir schon noch.
Die Sperre gegen Robert Mayer ist noch am Montag offiziell bestätigt worden – mit der Rekurs-Möglichkeit für Servette. Zum Rechtsstaat gehört auch, dass gegen alle erstinstanzlichen Urteile Einsprache erhoben werden kann. Auch diese Rekursinstanz funktioniert. Sie lässt zwar die meisten Urteile von Reto Steinmann so wie sie sind – aber sie wagt es hin und wieder, eines seiner Urteile zu kippen. Wie zuletzt bei der Verlängerung der Sperre gegen Zugs Josh Holen von fünf auf acht Partien. Dieses Gremium ist dazu in der Lage, einen Rekurs in 48 Stunden zu erledigen.
Für dieses erstaunliche Funktionieren gibt es drei Gründe. Erstens die Kompetenz des Einzelrichters und seiner Stellvertreter. Reto Steinmann hat im Eishockey als Jurist und Betreuer langjährige Erfahrung an vorderster Front in Nordamerika und in der Schweiz. Der Anwalt ist ein ehemaliger Strafrichter. Er kennt also die Materie von der sportlichen und von der juristischen Seite her.
Zweitens sind keine ehemaligen Spieler in der Justiz tätig. Die nüchterne Anwendung der Regeln funktioniert am besten, wenn keine Ex-Spieler bei der Beurteilung beigezogen werden. Sie neigen nämlich immer wieder dazu, alle möglichen mildernden Gründe zu finden, vertreten die Sichtweise des harten Mannes (weil es im Eishockey so schlimm ist, weich zu sein) und sind emotional fast immer nach wie vor mit einem Klub oder Spielern verbunden und daher parteiisch.
Drittens gibt es kein Gremium bei der erstinstanzlichen Urteilsfindung. Die Kompetenz ist an eine einzige Person, an Einzelrichter Reto Steinmann bzw. dessen Stellvertreter delegiert. Das ist entscheidend. Nur so ist der zügige Ablauf überhaupt möglich. Mehrere Personen blockieren bloss die Abläufe, sorgen nicht für mehr Qualität und die Gefahr von Indiskretionen und Einflussnahme wird grösser. Reto Steinmann kann bei Bedarf Spezialisten beiziehen und bespricht sich bei heiklen Fällen auch mit Amtskollegen aus der NHL.
Es gibt ein Einwand, Einzelrichter Reto Steinmann habe sein Büro in Zug und sei deshalb nicht neutral. Das ist barer Unsinn. Unser Land ist so klein, dass es gar nicht mehr möglich ist, den Lebensmittelpunkt in einer Stadt zu haben, die keinerlei Bezug zum Eishockey hat.
Die Entscheide des Einzelrichters können die Meisterschaft beeinflussen. Seine Entscheide wecken Emotionen, ja bisweilen auch den Zorn dieser oder jener Partei, und seine Entscheide entfachen schon mal Polemik in den Medien. Es gibt immer wieder mal die Versuchung, an dieser Institution etwas zu ändern. Davor sollten wir uns hüten. Ausser dem Spielplanbüro von Willi Vögtlin funktioniert keine andere Abteilung in der Liga und im Verband so gut wie die Rechtsprechung. Tragen wir also Sorge zu dieser Institution. Sie ist ein wichtiger Grund für das Funktionieren des Meisterschaftsbetriebes – gerade in Zeiten der Playoffs.