Die Gewährsleute in Finnland werden hellhörig, wenn in der Schweiz Arbeitsplätze für Cheftrainer frei werden. In der National League sind die Löhne fast doppelt so hoch wie daheim in Finnland.
Logisch also, dass in diesen Tagen in Brno – Finnland, Schweden, Tschechien und die Schweiz spielen hier das letzte Turnier der Euro Hockey Tour – die offenen Trainerstellen in der National League ein Thema sind.
Um sehr gute Coaches zu finden, ist es eigentlich im Mai schon sehr spät: Die grossen Bandengeneräle pflegen ihren Kommandos für die neue Saison bereits im November oder Dezember zu regeln. Der interessanteste Kandidat, den die finnischen Gewährsleute nennen, ist erst inoffiziell auf dem Markt: Tommi Niemelä (39). Er hat im Frühjahr 2020 in Lahti die Pelicans übernommen, die eine miserable Saison auf dem 14. Platz beendet hatten. Nun stürmte er mit den Pelicans im dritten Amtsjahr bis in den Playoff-Final. Ein Coach, der Wiederaufbau kann.
Die Manager und Spieler in Finnland ticken nicht immer gleich wie in der Schweiz. Internationale Erfahrung, Sprachkenntnis und Kommunikationstalent sind schon fast eine Voraussetzung für erfolgreiche Arbeit in der Schweiz. Tommi Niemelä spricht nach Aufenthalten als Spieler und Trainer unter anderem in Deutschland und Lausanne (von 2018 bis 2020 Assistent) auch Deutsch, Französisch und Englisch. Ein guter Kommunikator, der auf der Klaviatur des positiven Denkens bei Bedarf fast so virtuos in die Tasten greift wie einst Ralph Krueger.
Tommi Niemelä hat bei den Pelicans einen weiterlaufenden Vertrag. Könnte er trotzdem in die Schweiz wechseln? Auf Anfrage – es ist ja die Pflicht, Gerüchten nachzugehen – mag er weder mit «Ja!» noch mit «Nein!» antworten und sagt: «Sie werden verstehen, dass ich dazu nichts sagen kann. Kein Kommentar also.» Diese Antwort lässt eigentlich auch ohne Boshaftigkeit nur eine Interpretation zu: Ja, er könnte in die Schweiz wechseln.
Womit für die Sportchefs auf Trainersuche klar ist: Ein Anruf hinauf nach Lahti lohnt sich. Nützt es noch nichts, so schadet es gerade im Hinblick auf die nähere und weitere Zukunft nicht. Zwar ist alles erst im Stadium eines interessanten Gerüchtes. Aber so oder so wird der Name Tommi Niemelä wohl eher früher als später in der Schweiz konkret ein Thema werden.
Kommunikativ, jung, erfolgreich auch als finnischer Junioren-Nationaltrainer, gut bekannt mit Antti Törmänen – eigentlich der perfekte Trainer, um in Biel mit dem Rückhalt und der Verlässlichkeit von Sportchef Martin Steinegger eine über die Jahre gewachsene Spielkultur und Sozialstruktur weiterzuentwickeln.
Ajoie auf dem 14. Platz übernehmen (wie vor drei Jahren die Pelicans) und zusammen mit Assistent Petteri Nummelin zu einem Playoff-Team machen – eine schwierige, fast unmöglich zu bewältigende Herausforderung. Aber durchaus reizvoll. Auch landschaftlich und kulturell.
Die grösste Herausforderung wäre der SC Bern. Beim SCB geht es nicht um eine Weiterentwicklung. Der SCB braucht vielmehr einen Kulturschock, um aus seiner Ausreden- und Bequemlichkeits-Parallelwelt herauszukommen.
Keine einfache Aufgabe: Der alte, neue oberste Chef – Marc Lüthi – ist unberechenbar. Geduld ist keine seiner Primärtugenden und er hat schon mehrmals Coaches unmittelbar nach einem Spiel gefeuert. Die Leitwölfe in der Kabine wissen, dass sie jeden Machtkampf gegen den Trainer gewinnen. Sportchef Andrew Ebbett ist ein freundlicher, smarter Opportunist, der seine Meinung schneller ändern kann, als die Mannschaft von Defensive auf Offensive umzuschalten vermag. Vor Opposition gegen Marc Lüthi hütet er sich wie der Teufel vor dem geweihten Wasser. Grundsätzlich gilt: Wer sich als Coach in Bern zu behaupten vermag, kann sich überall in der Welt durchsetzen.
In Bern könnte aus Tommi Niemelä ein grosser Trainer mit internationaler Strahlkraft werden. Wenn er sich durchsetzt. Aber eigentlich ist der SCB inzwischen die perfekte Adresse für einen Coach mit einem grossen Namen, der still und heimlich plant, ein Jahr zu arbeiten und den Lohn für zwei oder – wenn er schlau verhandelt – drei Jahre zu bekommen.
Dafür ist Tommi Niemelä eigentlich noch zu jung. Am besten würde er zu Biel passen.