Noch selten ist ein Linienrichter von einem Spieler so rüde attackiert worden – vor den Augen der TV-Kameras und der Welt. Gavin Bayreuther checkt Linienrichter Dario Fuchs in den Rücken. Es ist kein unglücklicher Zusammenstoss. Es ist ein Check. Selbst wenn der Linienrichter ein Spieler gewesen wäre, hätte es eine Strafe gegeben.
Ein Vergehen, das zwingend eine Sperre bis an die juristische Grenze des Berufsverbotes nach sich ziehen müsste (mindestens 10 Spiele).
Und was passiert? Nichts. Wie ist das möglich? Es ist eine Verkettung von Umständen und skandalösen Zuständen. Erstens sehen die Schiedsrichter den Vorfall auf dem Eis nicht. Hätten sie den Vorfall gesehen und den amerikanischen Verteidiger mit einem Restausschluss unter die Dusche geschickt, dann wäre der Fall automatisch beim Einzelrichter gelandet und die Hockey-Justiz hätte den Sünder bestraft.
Aber nur die TV-Kameras haben den Vorfall gesehen.
In solchen Fällen kommt die Angelegenheit auf den Tisch des sogenannten «Sounding Board». Ein Dreiergremium mit Ryan Gardner als Player Safety Officer, Marc Reichert als Vertreter der Spielergewerkschaft und Philipp Rytz als Vertreter der Schiedsrichter. Ryan Gardner und Marc Reichert haben Philipp Rytz 2:1 überstimmt und – noch schlimmer – auch die Wiedererwägung mit dem gleichen Resultat gegen die Stimme von Philipp Rytz abgeschmettert.
Das Problem ist ein Systemfehler: Vor zwei Jahren haben die Klubs im August 2023 dieses «Sounding Board» eingeführt: Vergehen gegen die Schiedsrichter – verbale oder tätliche – die auf dem Eis nicht gesehen und oder nur mit zwei Minuten geahndet worden sind, können nur von diesem Gremium an den Einzelrichter überwiesen werden. Kommt dieses «Sounding Board» zum Schluss, dass es kein Vergehen war, dann passiert nichts mehr. Es gibt keine Instanz, die dann noch eingreifen könnte. Selbst Liga-Manager Denis Vaucher ist machtlos.
Was diesen Fall noch schlimmer macht: Die Hockey-Justiz ist ad absurdum geführt worden. Wenn dieses Schiedsrichter-Foul von Gavin Bayreuther straffrei bleibt, was bedeutet das denn für künftige Fälle? Und was bedeutet dieser Vorfall im Rückblick für alle bisherigen Strafen wegen Vergehen gegen die Unparteiischen. Wir wollen nicht grübeln.
Klar ist: Dieses System ist per Saisonende sofort abzuschaffen. Es ist immer problematisch, ehemalige Spieler in solche Gremien zu berufen und ihnen dort eine Mehrheit einzuräumen. Sie neigen stets dazu, ihre alten oder neuen Freunde zu schonen, wenn es um Vergehen gegen Schiedsrichter, ihre «natürlichen Feinde» geht. Vor allem hat in einem solchen Gremium ein Vertreter der Operetten-Spielergewerkschaft nichts zu suchen.
Es ist billig, hinterher nun die Konstituierung dieses «Sounding Board» zu kritisieren. Dass dieses Gremium zu einem so dummen, skandalösen und arroganten Entscheid kommen könnte, war nach menschlichem Ermessen nicht voraussehbar. Der grosse Albert Einstein soll einmal gesagt haben: «Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.»
Nun ist die Maske gefallen und die Katze aus dem Sack. Das «Sounding Board» ist per Saisonende aufzulösen und abzuschaffen. Die Kompetenz, Vergehen gegen die Schiedsrichter dem Einzelrichter vorzulegen, ist an Liga-Manager Denis Vaucher und an den Chef der Schiedsrichter-Abteilung zu delegieren. Und Ryan Gardner ist als Player Safety Officer nicht mehr tragbar.
Die National League muss sich hockeyweltweit für die Dummheit von Ryan Gardner und Marc Reichert schämen. Und wenn Lausanne Stil und Anstand hat, wird Gavin Bayreuther in diesen Playoffs nicht mehr eingesetzt.