Salärkürzungen – das «Wundermittel» der Profiklubs in Zeiten der Virus-Krise
Die rechtliche Ausgangslage ist wahr und klar. Ein Spieler hat das Anrecht auf das im Vertrag festgeschriebene Salär. Ohne Wenn und Aber. In der Schweiz schützt das Arbeitsrecht auch Profisportler. Will der Arbeitgeber weniger bezahlen, dann geht das nur, wenn der betreffende Spieler mit der Kürzung seines Gehaltes einverstanden ist.
Bis heute haben Salärkürzungen in unserem Profisport nie richtig funktioniert. Und wenn die Spieler während einer finanziellen Notlage auf etwas Geld verzichtet haben, dann nur, weil schon sichergestellt war, dass die Kohle später doch wieder hereinkommt.
Aber nun ist alles anders. Weil nicht nur ein Klub durch die Virus-Krise in finanzielle Not gerät. Sondern alle. Es ist wie eine bittere Ironie: Ausgerechnet in Zeiten der grössten Krise dieses Jahrhunderts sitzen die Klubs zum ersten Mal bei Salärverhandlungen am längeren Hebel.
Die Löhne sind mit Abstand der grösste Kostenfaktor. Sie steigen schneller als die Einnahmen. In der NHL gibt es eine Salärbegrenzung nach einer einfachen Regel: Die Klubs geben bloss einen bestimmten Prozentsatz (rund 50 Prozent) ihrer Einnahmen an die Spieler weiter. Nur wenn es der Liga besser geht, wird auch die Gesamtlohnsumme erhöht.
In der Schweiz «fressen» bei einzelnen Klubs die Löhne gleich alle im Hockey- oder Fussballgeschäft erwirtschafteten Mittel auf. Ohne Mäzen – also ohne betriebsfremde Zuschüsse – müsste mindestens ein Drittel unserer Hockey- und Fussballfirmen den Betrieb einstellen.
In den letzten 50 Jahren sind die Spielerlöhne kontinuierlich gestiegen. Aber nun haben die Klubbosse zum ersten Mal die Möglichkeit, diese Entwicklung zu beenden. Ja, sogar die Löhne zu reduzieren.
Natürlich sind die Spielerverträge rechtsgültig. Zahlt der Klub nicht, gibt es den Rechtsweg. Aber nun kommen durch die Virus-Krise vorübergehend drei Faktoren ins Spiel, die es in normalen Zeiten nicht gibt.
- Erstens: Es bringt wenig, den Rechtsweg zu beschreiten. Salopp gesagt: Geht ein Klub – es handelt sich durchwegs um Kapitalgesellschaften – aufgrund einer Betreibung Konkurs, dann kommt nicht einmal mehr genug Geld zusammen, um die ausstehenden Spielergehälter zu bezahlen. Hockey- und Fussballfirmen haben in der Regel ausser ein bisschen Büromöbel keine verwertbaren Aktiven. Ein Spieler, der jetzt den Rechtsweg beschreitet, schlachtet bloss die Gans, die ihm goldene Eier gelegt hat – und findet in Zeiten der Krise keine neue Gans.
- Zweitens: Es gibt vorübergehend keinen Markt mehr. Alle Klubs sind mehr oder weniger im gleichen Ausmass von der Virus-Krise betroffen. In normalen Zeiten findet ein Spieler, der seinen Klub wegen einer Salärkürzung verlässt, sofort einen neuen Arbeitgeber. Das ist nun praktisch unmöglich. Keiner der Stars und erst recht keiner der überbezahlten Mitläufer findet einen neuen Arbeitgeber, der seinen Vertrag übernimmt. In allen europäischen Hockey-Ligen sind die Saläre für Durchschnittsspieler mindestens 50 Prozent tiefer als bei uns und kein Ausländer, der jetzt bei einem unserer Klubs in der National League unter Vertrag steht, kann im Ausland auch nur ein annähernd gleiches Salär verdienen.
- Drittens: Salärkürzungen haben für eine kurze Zeit auf allen Ebenen eine sehr hohe Akzeptanz. Den Spielern dämmert, dass es letztlich auch um ihre Existenz geht. Wer jetzt klug und entschlossen argumentiert, die Angst vor dem finanziellen Kollaps schürt und die Situation in schwärzesten Farben ausmalt (sofern das überhaupt nötig ist), kann die Saläre für die nächsten zwei Jahre um bis zur Hälfte kürzen. Kein Spieler wird versuchen, für sich eine Sonderregelung herauszuschlagen solange die Existenzangst grösser ist als die Zuversicht.
Öffentliche Empörung und Erregung wird es wegen Salärkürzungen im nationalen Fussball und Hockey keine geben. Ganz im Gegenteil. Nie war die Zustimmung für solche Massnahmen auch bei der Fanbasis grösser als in diesen Zeiten. Selbst die allermeisten Spieleragenten sehen die Notwendigkeit ein, den Gürtel wenigstens ein bisschen enger zu schnallen.
Natürlich ist es nicht so einfach, Lohnreduktionen umzusetzen. Die Klubbosse müssen sich einer klaren Vorstellung an die Spieler wenden und Entschlossenheit signalisieren. Es hilft, wenn bei Verhandlungen – unter Respektierung aller gesundheitlichen Vorschriften natürlich, beispielsweise bei einer Videokonferenz – nicht eine einzelne Person auftritt, sondern gleich das ganze Rösslispiel mit Präsident, Sportdirektor, Finanzchef und einem oder zwei Anwälten, die sich in der Kunst des Wichtigtuns verstehen. Das schüchtert ein.
Mit ein bisschen Theaterdonner in den Medien muss schon gerechnet werden. Aber der verhallt gerade in Zeiten der Krise schnell. Wer jetzt seine Finanzen ordnen will, muss das schon aushalten.
Gekürzte Saläre haben übrigens keinen Einfluss auf die Qualität des nationalen Fussballs oder des Eishockeys und auf die Zuschauerzahlen. Reto Berra lässt – um einfach ein Beispiel zu nennen – nicht einen Puck mehr rein, wenn er auf eine grössere Summe verzichten muss, und Alain Berger macht wegen eines gekürzten Lohnes nicht weniger Laufmeter. Die Fans wollen guten Sport sehen und es interessiert niemanden, wie wenig oder viel einer verdient. Entscheidend ist, wie gut einer spielt.
Die Klubbosse müssen sich allerdings beeilen: Das Zeitfenster zur Kürzung der Saläre wird nach der Rückkehr zur Normalität schon wieder geschlossen. Wer in unserem Fussball und Hockey nach der Krise immer noch unter der gleich grossen Lohnsumme ächzt wie vor der Krise, ist selber schuld. Ende der Polemik.
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