Das Leben im Dorf nimmt seinen gewohnten Gang. Die Aufregung ob den Besuchern aus der ganzen Schweiz hält sich in engen Grenzen. Die SCL Tigers haben nun ein zweites Eisfeld. Na und? In Tat und Wahrheit können an diesem Freitag die geladenen Gäste ein Leistungssportzentrum besichtigen, das die Hockey-Landkarte im Bernbiet bereits mittelfristig verändern wird.
Gut zehn Jahre nach der Erneuerung des Tempels (für rund 30 Millionen Franken, je zur Hälfte von der Gemeinde und von Peter Jakob finanziert) ist nun der nächste Schritt gemacht worden. 21 Millionen investiert wieder Langnaus Präsident in eine Erweiterung der Infrastruktur, die einen Vergleich mit Zugs legendärem OYM nicht zu scheuen braucht.
Kein Wunder, ist viel Prominenz nach Langnau gekommen. Verbandsportdirektor Lars Weibel, Liga-General Denis Vaucher, Raeto Raffainer als Vertreter des internationalen Verbandes. Sogar HCD-Geschäftsführer Marc Gianola ist aus dem fernen Bündnerland angereist, um einen Blick in die Zukunft des Flachland-Hockeys zu werfen.
Im Parterre Parkplätze, im ersten Obergeschoss ein Eisfeld mit NHL-Abmessung (rund vier Meter schmäler als die europäischen Masse), im zweiten Obergeschoss neue Gastronomie-Räume und im dritten Obergeschoss die Athletikhalle. Das bedeutet: Die SCL Tigers verfügen nun zusammen mit Zug über die beste Hockey-Sportinfrastruktur der Liga und durch einen weiteren Ausbau der Gastronomie über noch bessere wirtschaftliche Voraussetzungen.
Details der Einrichtung der Athletikhalle und der neuen Brasserie mögen vor allem Spieler, Trainer und Wirte interessieren. Die Bedeutung der gesamten Anlage kann hingegen nicht hoch genug eingeschätzt werden und wird in den nächsten Jahren alle im Hockey-Business interessieren und beschäftigen.
Weniger als eine Stunde Auto- oder Eisenbahnfahrt von Bern und seinen Universitäten und weiteren Bildungseinrichtungen entfernt finden Spieler im Herzen der Schweiz bessere Voraussetzungen für die Ausübung ihres Berufes als in Bern oder Biel und an den meisten anderen Hockey-Standorten. Ein starkes Argument für junge, entwicklungsfähige Spieler, nach Langnau zu wechseln.
Die Position der SCL Tigers als Ausbildungsclub wird weiter gestärkt. Was sich bereits auswirkt: Brian Zanetti (21), Joshua Fahrni (21) und Dario Allenspach (22) ziehen es vor, in Langnau und nicht in Lugano, Bern und Zug zum NL-Stammspieler zu reifen. Weitere werden ihrem Beispiel folgen. Nach dem Grundsatz: In Langnau besser, in Bern, Zürich, Zug, Lugano, Genf, Lausanne oder Fribourg reich werden – und vielleicht sogar Millionär in der NHL.
Langnaus bessere sportliche Infrastruktur muss Marc Lüthi in Bern noch nicht beunruhigen: Dann soll Langnau halt ausbilden. Der SCB kann bessere Löhne zahlen. Nach wie vor ist der SCB ein Hochlohn-Klub und hat als Hockey-Konzern mit über 50 Millionen Umsatz (Langnau klar weniger als 20 Millionen) die Geldspeicher, um die in Langnau ausgebildeten Spieler «einzukaufen». Ohnehin gilt seit Anbeginn der Zeiten: Was wäre der SCB ohne seine Langnauer (Bruno Wittwer, Simon Moser, Beat Gerber …)?
Aber diese Rechnung geht womöglich bald nicht mehr auf: Da die Langnauer mit der neuen Anlage auch die Gastronomie weiter ausgebaut haben, werden die jetzt schon erstaunlich guten wirtschaftlichen Möglichkeiten (die SCL Tigers schreiben schwarze Zahlen) weiter verbessert: Schon mittelfristig dürften die SCL Tigers dazu in der Lage sein, zumindest bei einem oder zwei Spitzenspielern eine SCB-Offerte zu kontern und eine aus Biel sowieso.
Erstmals seit den 1970er-Jahren, als Bern, Langnau und Biel die Liga dominierten und vor dem Playoff-Zeitalter viermal hintereinander die ersten drei Plätze belegten (1975/76: 1. Langnau, 2. Biel, 3. Bern. – 1976/77: 1. Bern, 2. Langnau, 3. Biel. – 1977/78: 1. Biel, 2. Langnau, 3. Bern. – 1978/79: 1. Bern, 2. Biel, 3. Langnau), hat Langnau die Voraussetzungen, um den SCB und Biel mittelfristig auf Augenhöhe herauszufordern.
Nach bald einem halben Jahrhundert haben der SCB, Biel und Langnau erstmals wieder mehr oder weniger gleich lange Spiesse. Der SCB, über die Jahre reich, satt und arrogant geworden, hat die Entwicklung verschlafen und sieht sich Kantonsrivalen gegenüber, die viel bessere (Langnau) und bessere (Biel) infrastrukturelle Voraussetzungen haben.
Die Dynamik in Langnau und Biel ist schon deshalb höher als in Bern, weil die SCL Tigers und der EHC Biel noch im 21. Jahrhundert vor dem finanziellen Aus standen und hoffnungslos veraltete Stadien durch eine neue bzw. eine von Grund auf erneuerte Arena ersetzen mussten. Die Langnauer und die Bieler hatten noch keine Gelegenheit, satt, reich und arrogant zu werden.
Der SCB hat inzwischen die «marodeste» Hockey-Infrastruktur im Kanton. Längst bieten Biel und nun eben auch Langnau dem Publikum (Komfort im Stadion) und den Spielern bessere Voraussetzungen. Eine Entwicklung, die Marc Lüthi in der ganzen Tragweite inzwischen erkannt hat. Die tiefgreifende Reorganisation und Stabilisierung der sportlichen Führung durch die Verpflichtung eines neuen Obersportchefs (Martin Plüss) und eines Untersportchefs (Patrik Bärtschi) sowie erstmals seit 2019 eines richtigen Trainers (Jussi Tapola) erlauben es ihm, seine Energie in die grösste Herausforderung seiner Karriere als Hockey-Macher zu investieren – in den Ausbau der Infrastruktur mit so grundlegenden Fragen: Neubau einer Arena oder Sanierung?
Was der SCB an Infrastruktur den Spielern nicht bieten kann, muss er mit Geld ausgleichen. Es ist im Hockey-Business im Bernbiet inzwischen recht ähnlich wie im Baugewerbe: Geht es um Aufträge der öffentlichen Hand, werden die Champagner-Offerten aus der Schublade geholt und die Preise sind höher. Will der SCB einen Transfer machen, setzen die Agenten den Preis bei den Verhandlungen viel höher an als bei Langnau oder Biel.
Ein interessanter Aspekt beim Ausbau der Infrastruktur in Langnau: Wer bezahlt? Eissportanlagen und Sportzentren können in der Schweiz nicht rentabel betrieben werden. Es geht früher oder später nicht ohne Zuschüsse aus öffentlichen Kassen und sehr oft sind Gemeinden direkt oder indirekt Mitbesitzer solcher Anlagen.
Der nun fertig gestellte Ausbau in Langnau ist auf privater Basis vom Präsidenten initiiert und finanziert worden. Das garantiert Flexibilität, Berücksichtigung der lokalen Wirtschaft ohne politische Einmischung und Anpassungen an die Erfordernisse des Marktes. Das Ziel, das neu eröffnete Sportleistungszentrum bis in fünf Jahren kostendeckend zu betreiben, ist sehr hochgesteckt und wird wahrscheinlich nicht zu erreichen sein. Kein Problem: Dann obliegt es den SCL Tigers, die Differenz zu begleichen. Sie können dank der erstklassigen Infrastruktur ein Vielfaches dieser Kosten bei der Lohnsumme einsparen.
Die rege Hockey-Bautätigkeit ruft natürlich im Emmental auch Kritiker auf den Plan. Sollten die Langnauer in eine sportliche Krise geraten, so heisst es im Dorf: «Man hätte halt das Geld in die Mannschaft und nicht in irgendwelche Bauten investieren sollen.» Aber Visionäre, wie Langnaus Peter Jakob einer ist, mussten schon immer mit der Kurzsichtigkeit ihrer Zeitgenossen leben. Das ist Noah nicht anders ergangen, als er einst auf dem Trockenen ein grosses Schiff – die Arche – baute und dafür Hohn und Spott erntete. Rentiert hat die Arche nicht. Aber ihr Bau hat sich gelohnt.
Sportföderung ist in jeder Hinsicht das A und O des Wohlergehen einer Gesellschaft und bringt nicht nur Ruhm und Glanz. Schaut euch Schweden an, da sind Sporteinrichtungen so üppig und reichhaltig vorhanden dass eine ganze Bevölkerung davon profitiert und Sporttalente im Überfluss produziert. Mehr davon liebe schweizer Unternehmer. So investiert man und nicht für die eigenen Nachkommen im Milliardenhöhe.
Der Artikel übersieht aber einfach die Zürcher mit der Momentan wohl besten
Organisation.
Der SCB transferiert traditionell bevorzugt fertig ausgebildete Spieler. Mit der Strategie waren sie durchaus erfolgreich Unterwegs.
Den grössten Challenge sehe ich, wenn sich Peter Jakob mal zurück ziehen will. Aber wie alles was er bis jetzt gemacht hat, wird er auch kompetente Nachfolger finden!