Seit bald zehn Jahren ist Patrick Fischer im Amt. Er ist am 3. Dezember 2015 nach dem tränenreichen Verzicht von Kevin Schläpfer (tja, das waren noch Zeiten!) Nationaltrainer geworden.
Frei von Sorgen konnte er seither nie zur WM fahren. Der erfolgreichste Nationaltrainer der Geschichte ist stets kontrovers beurteilt worden. Das mag erstaunen. Aber er hatte als Klubtrainer nie Kult-Status und wer in der Schweiz offen vom höchsten Ziel spricht (Weltmeister) provoziert. Dabei hat gerade das neues Denken dieses Nonkonformisten unsere Hockey-Mentalität verändert und ist ein zentraler Erfolgsfaktor geworden.
Sorgenfrei ist ein Nationaltrainer natürlich nie ganz. Das liegt schon in der unberechenbaren Natur dieses Spiels. Die Sorgen um seine Spieler, um das Funktionieren des Teams, um die Zusammenstellung der Linien treibt einen Coach tagtäglich um.
Ein Blick zurück erklärt uns, warum die Gegenwart trotzdem weitgehend sorgenfrei ist: Vor einem Jahr stand die Position von Patrick Fischer zur Debatte. Eine missglückte WM 2024 in Prag – ein verlorener Viertelfinal – hätte ihn trotz Vertrag bis und mit der Heim-WM 2026 den Job gekostet. Es wäre gerade noch genug Zeit geblieben, um für die WM in Zürich und Fribourg einen Nachfolger einzuarbeiten. Der Druck vor der letzten WM war maximal.
Der Erfolg dann aber auch: Die Schweizer haben 2024 in Prag den WM-Final gegen Tschechien erreicht. Die Position von Patrick Fischer ist seither «betoniert» und er ist erstmals zumindest verbandspolitisch der mächtigste Mann in unserem Hockey («Mighty Patrick») und der mächtigste Nationaltrainer unserer Geschichte.
Hingegen ist Verbandspräsident Stefan Schärer, der den Nationaltrainer kritisch hinterfragt hatte, in einer grandiosen Intrige der Verbands-Sportabteilung aus dem Amt spediert worden. Seither sind alle Verbandsfunktionäre bekennende Fischer-Fans. In einem Jahr vom Wackelkandidaten zur Lichtgestalt: Patrick Fischer muss sich keine Sorgen mehr um seinen Job machen.
Er kann sich ganz auf die Arbeit mit der Mannschaft und den ersten Match – die Finalrevanche gegen Tschechien am Freitag 16.30 Uhr – konzentrieren. So gesehen ist er «Patrick Sorglos». Noch nie seit Einführung des aktuellen WM-Formates (2 Gruppen/7 Vorrundenspiele) hatte die Schweiz zumindest auf dem Papier (gespielt wird auf rutschigem Eis) so schwache Gegner: Nur gerade Tschechien, die USA und – mit etwas Abstand Deutschland – gehören zu den Titanen des Welteishockeys. Dänemark, Ungarn, Kasachstan und Norwegen haben – bei Lichte besehen – lediglich «Operetten-Status» und werden einen Punktgewinn gegen die Schweiz wie eine WM-Medaille feiern. Platz vier reicht für den Viertelfinal. Wie immer dieses Turnier enden mag – Folgen werden die Resultate so oder so keine haben.
Bei Kritik wird diese WM erklärungspsychologisch zum Vorbereitungs-Turnier für die WM im nächsten Frühjahr in unserem Land umgedeutet: Alles was zähle, sei die Zukunft. Selbst ein Verpassen des Viertelfinals – es wäre die grösste Schmach der «Ära Fischer» – würde höchstens ein Säuseln im Wasserglas auslösen. Mit dem Hinweis, man solle nicht kleinlich denken und das grosse Bild im Auge haben, würde jede Kritik vom Tisch gewischt. Absteigen können die Schweizer selbst dann nicht, wenn sie jedes Spiel verlieren sollten: Als Gastgeber sind sie 2026 automatisch qualifiziert.
Mit Roman Josi (verletzt) und Nino Niederreiter (falls Winnipeg die zweite Playoff-Runde übersteht) fehlen zwar die zwei Leitwölfe der Finalteams von 2013, 2018 und 2024.
Sie sind mindestens so talentiert wie die WM-Silberhelden von 2013, 2018 und 2024. Noch nie waren die Resultate in der finalen WM-Vorbereitungsphase (8:2 Finnland, 5:3 Tschechien) so vielversprechend. Gute Resultate in den Vorbereitungspartien mögen wenig heissen, zeigen aber zumindest das Potenzial des Teams. Die National League gilt inzwischen als eine der besten Ligen der Welt. Wenn aus Spielern dieser Liga eine Mannschaft zusammengestellt und mit Stars aus der NHL, der besten Liga der Welt, ergänzt wird, dann können die Schweizer bei einer WM jeden Gegner auf Augenhöhe herausfordern. Auch so gesehen: «Patrick Sorglos».
Auf eine Frage kann uns die WM 2025 vielleicht eine Antwort liefern: Gibt es den nächsten Leonardo Genoni? Seit 2018 hängt das Glück jeder WM-Expedition am siebenfachen Meistergoalie. Im August wird er 38. Für die Playoffs musste er sich soeben bei Zug zum ersten Mal eine Fangquote von weniger als 90 Prozent notieren lassen. Elf im Playoff-Viertelfinal eingesetzte Goalies waren statistisch besser.
Neben Akira Schimd (in der NHL-Organisation von Las Vegas) hat nur einer Postur, Stil und Ruhe – das Potenzial also um auf internationalem Niveau der nächste Leonardo Genoni zu werden. Stéphane Charlin (24). Er ist in Langnau in drei Jahren vom schlampigen Genie zum besten Schweizer Torhüter der Liga gereift. Nun steht er zum ersten Mal im WM-Aufgebot. Er wird die Chance bekommen, die Nummer 1 zu werden.
Es ist Patrick Fischers erstes Goalie-Experiment, seit er 2023 für den WM-Viertelfinal gegen Deutschland Robert Mayer statt Leonardo Genoni ins Tor gestellt hat. Die erfreulichste Erkenntnis aus der WM 2025 wäre also: Stéphane Charlin gut, fast alles gut.
Der Teufel schläft gerade im Hockey nie: Es kann sein, dass Stéphane Charlin 2026 in Zürich trotz Fünfjahresvertrag bei Servette nicht zur Verfügung steht. Weil er in der NHL engagiert ist.