Dreimal hintereinander hat es nicht gereicht: 2019 verloren die Schweizer im Viertelfinal in letzter Sekunde gegen Kanada, 2021 nach Penaltys gegen Deutschland und 2022 scheiterten sie als Gruppensieger gegen die USA (0:3).
In der Vergangenheit finden wir eine Erklärung für dieses Scheitern. Seit der Rückkehr in die höchste WM-Klasse (1998) ist die Qualifikation für die Viertelfinals das Ziel. Daran haben auch die WM-Finals von 2013 und 2018 nichts geändert.
Diese tief in der DNA der Nationalmannschaft verankerte Bescheidenheit hat ihren Grund: Tatsächlich waren die Viertelfinals bis weit ins 21. Jahrhundert als Erfolg zu werten. Nach dem Motto: Wir sind im WM-Viertelfinal, also sind wir und alles ist gut.
Bei dieser Zielsetzung war es wichtig und richtig, in den Gruppenspielen so schnell wie möglich die Viertelfinals zu sichern und alles klarzumachen. Vollgas und Nervosität vom ersten Spiel an.
Die Grossen hingegen (Kanada, Schweden, Finnland, Tschechien, die USA und bis zum WM-Ausschluss wegen des Ukraine-Krieges auch Russland) nehmen die Viertelfinals als Selbstverständlichkeit. Sie bauen die Form im Laufe der Gruppenspiele auf.
Inzwischen haben wir in der NHL so viele Feldspieler in wichtigen Rollen wie noch nie. Die heimische Liga hat sich sportlich weiterentwickelt. 2015 hat mit Patrick Fischer eine neue Ära begonnen: Er hat die Nationalmannschaft taktisch und spielerisch neu positioniert. Die Schweizer sind nicht mehr die bescheidenen Meister der Defensive. Unter Patrick Fischer hat sich ein neues Selbstbewusstsein entwickelt und als Folge davon auch eine andere Spielweise: Zu Beginn des Jahrhunderts gehörten die Partien der Schweizer zu den taktisch interessantesten, aber langweiligsten einer WM («Football on Ice»). Inzwischen begeistern sie mit Lauf- und Tempohockey.
Das Problem: In der entscheidenden Phase scheiterten wir seit 2018 doch. Besonders spektakulär vor einem Jahr in Finnland: Die Schweiz war zum ersten Mal seit dem Wiederaufstieg von 1998 das offensiv beste WM-Team der Gruppenphase und im Viertelfinal gegen die USA trotzdem fast chancenlos (0:3).
Das soll sich ändern. Patrick Fischer sagt es so: «Gerade bei der letzten WM flogen wir in den Gruppenspielen und hatten dann unser Pulver verschossen. Wir versuchen jetzt das Turnier etwas verhaltener zu beginnen und uns dann zu steigern. So wie die Grossen.» Und fügt an. «Auch wenn ‹wie die Grossen› arrogant tönen mag.»
Ist es arrogant? Nein, ist es nicht. Ganz und gar nicht. Dieses Denken ist logisch. Diese neue Vorgehensweise bei der Vorbereitung und Planung der WM ist der Spielstärke unserer Nationalmannschaft geschuldet. Und es wäre ja eine Torheit sondergleichen, aus dem wahrlich spektakulären Scheitern des Vorjahres – als offensiv bestes Team der gesamten WM im Viertelfinal «zu null» untergegangen – nichts zu lernen.
Patrick Fischer kommt entgegen, dass die drei ersten Gegner bei der WM in Riga ab dem nächsten Samstag in Riga nicht zu den Grossen gehören: Slowenien (Weltrangliste Nr. 19), Norwegen (12.) und Kasachstan (16.). Die Schweiz ist die Nummer 7.
Der behutsamere Formaufbau zeigt sich auch darin, dass die Schweizer erst jetzt in Brünn ihr wahres Gesicht zeigen. Die Partie gegen Finnland (2:1) war in jeder Hinsicht – Intensität, Defensivorganisation, Tempo – die mit Abstand bisher beste der WM-Vorbereitung.
Auch ohne weitere Verstärkungen aus der NHL – also mit dem Team, das hier in Brünn spielt – sind die Schweizer bereits gut genug für die Viertelfinals. Aber eben: Um die Halbfinals zu erreichen – die beim Standard unseres Hockeys das Ziel sein müssen – ist eine weitere Steigerung unerlässlich.