Als es noch kein Internet und erst wenige und sperrige Hosentelefone gab, da hatten es die Spieleragenten (die es damals schon gab) einfach: Wenn es bei Vertragsverhandlungen nicht vorwärtsgehen wollte, dann wurde das Gerücht einer Offerte aus Lugano gestreut. Zum HC Lugano, Ende der 1980er Jahre ein Pionier der Professionalisierung und ein Titan der Liga mit vollen Geldspeichern (Meister 1986, 1987, 1988 und 1990) wollte eigentlich jeder. Dort gab es die besten sportlichen Voraussetzungen und die höchsten Saläre. Und dazu das milde Wetter und Palmen.
Seit der Erfindung des Internets und der weiten Verbreitung handlicher Hosentelefone ist es nicht mehr so einfach. Heute sind unsere Sportchefs gut untereinander vernetzt. Es ist zumindest im heimischen Markt nicht mehr möglich, mit blossen Gerüchten die Verhandlungen zu befeuern. Eine kurze Nachfrage entlarvt ein Pokerspiel zügig.
Aber auf einer höheren Ebene funktioniert es noch weitgehend so wie bei uns vor mehr als 20 Jahren. Seit die russische KHL als Arbeitgeber für Skandinavier praktisch ausgefallen ist, gilt unsere National League für jene, die es nicht in die NHL schaffen oder von dort nach Europa zurückkehren wollen, als Wunschziel: Gutes sportliches Niveau, hohe Lebensqualität, kurze Reisen und ein bäumiges Salär. In der National League sind die Saläre für Spitzenspieler höher als in der finnischen Liga und mindestens so hoch wie in Schweden. Keiner der zurzeit in der National League beschäftigten Finnen und Schweden könnte in der heimischen Liga gleich viel verdienen.
Wenn es also bei Vertragsverhandlungen in Schweden oder Finnland oder einer geplanten Rückkehr aus Nordamerika nicht recht vorwärtsgehen will, dann hilft das Gerücht einer Offerte aus der Schweiz. Dieses Spiel wird so ins Absurde gesteigert, dass sich die ZSC Lions diese Saison schon offiziell und schriftlich gegen Gerüchte verwahrt haben: Aus Schweden ist verbreitet worden, Frölunda Göteborgs Trainer Roger Rönnberg werde 2025 nach Zürich wechseln. Was bedeuten würde, dass die ZSC Lions jetzt schon über den Kopf von Marc Crawford hinweg mit einem Trainer für die Saison 2025/26 verhandeln. Was nun nach dem krachenden Scheitern von Hans Wallson und Rikard Grönborg tatsächlich absurd ist.
Da sich in Finnland und Schweden offenbar noch nicht herumgesprochen hat, dass sich die Verhältnisse in Lausanne inzwischen normalisiert haben und nicht mehr «Mondsaläre» bezahlt werden, taucht in den meisten Gerüchten Lausanne als möglicher neuer Arbeitgeber auf. Da nun Jussi Tapola in Bern arbeitet und Marc Lüthi ja auch über gut gefüllte Geldspeicher verfügt, wird auch der SCB vermehrt in den Gerüchten als möglicher neuer Klub genannt.
Die aktuell grössten Namen an der skandinavischen Gerüchtebörse sind der schwedische Stürmer Victor Ejdsell (28), die finnischen Stürmer Niko Huuhtanen (20), Janne Kuokkanen (25), Lauri Pajuniemi (24), Ahti Oksanen (30), sowie die schwedischen Verteidiger Olle Alsing (27) und Anton Lindholm (29).
Es ist die Pflicht eines Chronisten, bei verlässlichen Gewährsleuten nachzufragen, an welchen Gerüchten tatsächlich etwas dran ist. Und siehe: Der Wechsel von Anton Lindholm zum SCB dürfte auf nächste Saison über die Bühne gehen. Der schwedische Defensivverteidiger mit fünf Dienstjahren in Nordamerika und einem in der KHL ist der Wunschkandidat von Trainer Jussi Tapola. In Bern ist der Wunsch von Jussi Tapola ein Befehl für die Sportabteilung. Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten.
Womit auch klar ist, worauf der SCB-Trainer wert legt: Auf System, Disziplin und Stabilität. Anton Lindholm ist so ziemlich der Gegenentwurf von Julius Honka, der auf Geheiss des SCB-Trainers diese Saison nach 22 Spielen (10 Punkte) nach Genf transferiert worden ist. Anton Lindholm hat es in den letzten drei Jahren in 118 Spielen gerade mal auf 10 Tore (38 Punkte) gebracht und in 61 Länderspielen ist es bisher bei einem einzigen Assist geblieben. Wichtiger: Er musste sich in dieser Zeit auch nie eine Minus-Bilanz notieren lassen. Julius Honka produzierte im gleichen Zeitraum in 152 Spielen in Finnland und Schweden 32 Tore (76 Punkte).
Die Rückkehr zu taktischer Ordnung, Stabilität und sportlicher Respektabilität beim SCB mit den entsprechenden Personalentscheiden ist also kein Gerücht.