37 Millionen Franken für Regisseur Adam Lallana, 30 Millionen für Innenverteidiger Dejan Lovren, 30 Millionen für Flügelflitzer Lazar Markovic und 24 Millionen für «die Kobra» – Mario Balotelli. Die Summen, welche der FC Liverpool diesen Sommer in seinen Kader gepumpt hat, würden die Rechenmaschinen der Super-League-Kassiers vom Tourbillon bis ins Brügglifeld zum Schmelzen bringen.
Für insgesamt 182 Millionen Franken durfte sich Manager Brendan Rodgers elf Mal auf dem Transfermarkt bedienen. Dagegen verkommt auch Basels Rekord-Offensive von knapp 14 Millionen Franken zum Kindergeburtstag. Derlis Gonzalez, mit 3,6 Millionen der teuerste Neuzugang im Team von Paulo Sousa, wäre auf der Einkaufsliste der «Reds» abgeschlagen auf dem letzten Platz gelandet.
Fast schon absurd mutet es angesichts dieser Dimensionen an, dass die Bebbi laut der Uefa heute als Favorit ins Duell mit dem englischen Vizemeister gehen. Im Klub-Ranking belegt Basel den 18. Platz und ist damit erstmals im Topf 2 der Champions League gelandet. Das grosse Liverpool hingegen ist nach zwei bescheidenen europäischen Kampagnen auf Rang 44 und damit in Topf 3 abgerutscht.
Auch Basels jüngere Heimbilanz gegen englische Teams kann sich sehen lassen: Drei der letzten vier Partien im St.Jakob-Park gegen Chelsea, Tottenham und Manchester United konnte der FCB seit 2011 für sich entscheiden. Wer trotzdem davon ausgeht, dass diese Zahlenspielereien nicht der Realität entsprechen und denkt, dass Basel heute – wie gegen Real Madrid – als klarer Aussenseiter ins Rennen geht, den bringen die Auftritte der beiden Coaches an den Pressekonferenzen vor der Partie ordentlich aus dem Konzept.
Basel-Coach Paulo Sousa sprüht trotz des Last-Minute-Punktverlusts gegen Fussballzwerg Thun vor dem Duell mit Gigant Liverpool nur so vor Zuversicht. Offenbar hat der erste raue Gegenwind, der sich zuletzt in Pfiffen im Stadion und diversen Medienspekulationen entladen hat, dem Optimismus des Portugiesen bisher nichts anhaben können: «Für mich, meine Spieler und die Fans ist das Spiel gegen Liverpool ein fantastischer Moment. Wir werden es geniessen, zuhause auf diesem Level anzutreten. Aber wir wollen auch das Resultat erreichen, welches unserer Philosophie entspricht – und das ist ein Sieg.»
Als Grundlage für diese kecke Ansage beruft sich Sousa ausgerechnet auf die brutale Lehrstunde im Bernabeu, wo Real Madrid den Schweizer Meister beim 5:1 vor zwei Wochen ordentlich zerzaust hat: «Wir hatten dort ungefähr 50 Prozent Ballbesitz und 16 Torschüsse. Wenn wir gegen Liverpool ähnliche Statistiken erreichen können, dann hat mein Team sehr grosse Chancen, dieses Spiel zu gewinnen. Aber dafür müssen wir auf unserem Topniveau spielen und die Schlüsselmomente für uns entscheiden.»
Das Duell mit Brendan Rodgers ist für den Basel-Coach auch ein Wiedersehen. Der Nordire hat ihn 2010 nach seinem Abgang zu Leicester City bei Swansea ersetzt. In der zweiten englischen Liga haben die beiden anschliessend zwei Mal die Klingen gekreuzt – und sich jeweils torlos unentschieden getrennt. Ein Resultat, das nach Sousas Aussagen heute Abend offenbar eine Enttäuschung wäre.
Trotzdem zollt Sousa seinem Gegenspieler grossen Respekt: «Es ist schön, gegen Brendan Rodgers anzutreten – er ist ein grossartiger Trainer und eine tolle Persönlichkeit. Er versucht, dass seine Mannschaft guten Fussball spielt, so wie ich. Ich habe das Glück, Spieler mit vielen verschiedenen Fertigkeiten und Charakteren zu haben, was mir viele taktische Optionen lässt. Darum werden wir seinem Team einige Schwierigkeiten bereiten und nicht auf ein Unentschieden spielen, sondern streben eben klar die drei Punkte an.»
Ungleich bescheidener gibt sich Liverpools Trainer anschliessend selbst. Brendan Rodgers, der 41-jährige Coach, der seine Profikarriere wegen chronischer Verletzungsproblemen bereits als 20-Jähriger beenden musste, lobt den FC Basel über den grünen Klee und übertreibt dabei dezent: «Basel ist ein Klub, der die letzten elf Meistertitel gewonnen hat. Das ist das Team, welches den Schweizer Fussball in den vergangenen Jahren definiert hat. Und dieses Land produziert laufend junge, sehr gute Spieler, die technisch enorm beschlagen sind.»
Elf Titel in Serie sind es zwar nicht wirklich, doch die Erfolge gegen englische Teams haben offenbar auch an der Anfield Road für Eindruck gesorgt. Rodgers: «Basel ist in dieser Gruppe ein grosser Gegner für uns. Sie sind daran gewöhnt, Spiele zu gewinnen. Dadurch treten sie sehr selbstbewusst auf. Die Aufgabe wird enorm schwierig für uns. Wir müssen alles abrufen, um unser Ziel zu erreichen und in die K.o.-Runde einzuziehen.»
Die Frage, ob er nicht manchmal heimlich davon träume, die Champions League zu gewinnen, quittiert Rodgers mit einem trockenen «No.» Er habe keine Zeit zu träumen, auch nach dem 2:1-Startsieg gegen Ludogorets gelte die Konzentration in der Champions League immer nur dem nächsten Match und der sei dieses Mal schwierig genug.
Alles nur Understatement und taktisches Geplänkel? Vielleicht. Sicher ist, dass Liverpool mit Daniel Sturridge auf seinen Schlüsselspieler in der Offensive verzichten muss. Der Mittelstürmer ist nach seiner Oberschenkelverletzung vor dem Länderspiel gegen die Schweiz noch immer nicht einsatzfähig und hat die Reise nach Basel gar nicht erst mitgemacht. Dominic King, Liverpool-Reporter bei der «Daily Mail» fasst diese Absenz gegenüber watson in ein knackiges Fazit: «Ohne Sturridge ist ihr Angriff nichts wert.»
Immerhin scheint die Stimmung im Team der Engländer trotzdem hervorragend zu sein. Im Internet kursiert seit zwei Tagen ein Video, das Verteidiger Javier Manquillo nach einem verlorenen Ping-Pong-Mätschli gegen seinen spanischen Landsmann José Enrique zeigt. Als Strafe muss Manquillo zugeben, dass er «der hässlichste Spieler ist, der je für Liverpool aufgelaufen ist.»
Weniger zu lachen hat derzeit Philipp Degen. Der Aussenverteidiger mit Liverpool-Vergangenheit wird seit August von einer Fussverletzung ausser Gefecht gesetzt und hat sich Hoffnungen auf ein Comeback gegen seinen Ex-Klub gemacht. Sousa winkt aber ab: «Es reicht noch nicht.» So bleibt Degen, der zwischen 2008 und 2011 nur sieben Einsätze bei den «Reds» verbuchte, wieder nur der Platz auf der Tribüne. Von dort aus wird er beobachten, ob sein FCB den starken Ansagen heute auch starke Taten folgen lässt.