Seine Stimme wird euphorisch. Sein Lachen noch etwas breiter. Roko Simic kommt ins Erzählen. Und der Zuhörer spürt: Da läuft in seinem Kopf noch einmal der Film seines spektakulären Einstands ab. Er sagt: «Irgendeine Torraumszene provozieren, das war der Auftrag an mich. Ich spürte, es liegt noch etwas in der Luft.»
Und wie! Eine Viertelstunde Spielzeit genügt Simic für seine zwei ersten Tore in der Super League. Der FCZ kommt in Luzern nach einem 0:2 dank Simic in letzter Sekunde doch noch zu einem 2:2. Seither fragt sich die Fussball-Schweiz: Wer ist dieser 19-Jährige?
Die Frage geht an FCZ-Sportchef Marinko Jurendic, der Simic von Red Bull Salzburg leihweise für sechs Monate nach Zürich geholt hat. «Er hat die Anlagen eines modernen Mittelstürmers. Er ist gross, robust, hat ein gutes Gespür, wo er stehen muss – und fackelt nicht lange im Abschluss.» Ein erstes Mal hat er das eindrücklich bewiesen. «Wunderbarer Einstand», fällt Jurendic zum Debüt ein, «nun gilt es, den Moment zu geniessen, das Selbstvertrauen mitzunehmen, aber vor allem auch, in den nächsten Spielen auf dieser Leistung aufzubauen.» Am Sonntag um 16:30 Uhr trifft der FCZ auf den FC St.Gallen.
Roko Simic wächst in Mailand auf. Sein Vater Dario Simic ist ein grosser Name im Fussball. Mit der AC Milan gewinnt er die Champions League. Mit Kroatien nimmt er dreimal an einer WM teil, der dritte Platz 1998 lässt Simic in der Heimat zum Helden werden.
Auch Roko Simic findet zum Fussball. Aber sein Vater vermeidet es, ihm von seinen Erfolgen und Erlebnissen zu erzählen. «Geschichten über ihn hörte ich höchstens von Freunden oder Bekannten. Erst als ich professionell mit Fussball begann, realisierte ich, was er für grosse Karriere hingelegt hat.»
Von Mailand geht es weiter für zwei Jahre nach Monaco, ehe die Familie nach Zagreb zurückkehrt. Dort beendet Verteidiger Dario Simic seine Karriere, derweil jene von Stürmer Roko Fahrt aufnimmt. Sein Talent ist früh erkennbar, bereits mit 16 Jahren debütiert er in der höchsten kroatischen Liga für Lokomotiva Zagreb. Er schiesst erste Tore, landet darum in den Notizbüchern ziemlich vieler Scouts.
Simic entscheidet sich, in die Organisation von Red Bull Salzburg zu wechseln. Als 18-Jähriger schiesst er letzte Saison für den Partnerverein Liefering in 24 Spielen 19 Tore. Im Sommer lautet die Frage: Ist er schon bereit für den nächsten Schritt bei Salzburg? Noch ist die Konkurrenz zu gross. Noah Okafor ist einer der Gründe dafür, warum Simic im letzten Halbjahr nur wenig Spielzeit bekommt. «Darum haben wir uns nun gemeinsam für eine Leihe entschieden», sagt Christoph Freund.
Freund ist Sportdirektor bei Red Bull Salzburg. Immer wieder haben die Österreicher in letzter Zeit Spieler in die Schweiz verliehen. Torhüter Philipp Köhn (Wil) und Stürmer Junior Adamu (St.Gallen) sind Beispiele. In dieser Saison auch Daouda Guindo (ebenfalls St.Gallen), der nun im Winter zurückkehrte. Was macht die Schweizer Liga interessant für Leihtransfers? Freund sagt: «Die Struktur der Liga ist ähnlich wie in Österreich. Auch Spielstärke, Sprache, Kultur und öffentliches Interesse sind vergleichbar. Ausserdem wird in der Schweiz sehr guter Fussball gespielt», sagt Freund, Fazit: «Es kann eine gute Geschichte für alle Beteiligten sein.»
Nur: Profitieren die Schweizer Klubs tatsächlich auch? Oder werden sie benutzt, um Spieler für die Konkurrenz in Österreich auszubilden? FCZ-Sportchef Jurendic sagt: «Red Bull Salzburg gehört mit seiner Organisation zu den Topklubs. Wenn sich da eine Möglichkeit gibt, einen Spieler zu holen, der gut ins Gefüge passt und bei dem die Chancen gross sind, dass er sofort eine klare Verstärkung ist, macht das Sinn.» Selbst dann, wenn er aller Voraussicht nach bereits in sechs Monaten wieder zurück nach Salzburg geht. Eine Kaufoption besitzt der FCZ nicht. Salzburg-Sportdirektor Christoph Freund sagt: «Unser klarer Plan ist, dass Roko im Sommer zurückkehrt, wir planen langfristig mit ihm, was auch mit den Verantwortlichen des FC Zürich so besprochen ist.»
Auch der FC St.Gallen schwärmt von den Erfahrungen mit Leihtransfers aus Salzburg. Trainer Peter Zeidler sagt: «Wir haben innert kürzester Zeit vier tolle Beispiele erlebt mit Ashimeru, Adamu, Diakité und Guindo – vielleicht gibt’s ja einmal ein fünftes.» Dass ein Spieler wie Guindo plötzlich schon mitten in der Saison zurückgeholt wird, ist Teil des Geschäfts.
Zurück zu Roko Simic. «Ein Riesentalent. Und das wichtigste: Er hat eine Tor-Garantie. Hoffentlich vergisst er sie gegen uns.» Sagt FCSG-Trainer Peter Zeidler. Im FCZ-Kosmos hoffen sie naturgemäss, dass Simic weiter trifft und bald für Entspannung im Abstiegskampf sorgt.
Und der Stürmer selbst? Italiens Serie A wäre sein grosser Traum. Eine WM-Teilnahme mit Kroatien ebenfalls. Und wie heisst sein Idol? Erling Haaland, der seine Karriere auch in Salzburg so richtig lancierte? «Falsch!», sagt Simic und lacht. «Für mich gibt es nur meinen Vater.»