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Jeff Saibene tritt beim FC St.Gallen zurück: «Es braucht einen neuen Trainer mit neuen Inputs und Impulsen»

Hatte zuletzt oft Grund zu hadern: Jeff Saibene im Heimspiel gegen den FC Zürich Anfang August.
Hatte zuletzt oft Grund zu hadern: Jeff Saibene im Heimspiel gegen den FC Zürich Anfang August.Bild: freshfocus

Jeff Saibene tritt beim FC St.Gallen zurück: «Es braucht einen neuen Trainer mit neuen Inputs und Impulsen»

Das 0:1 beim FC Vaduz hat Konsequenzen: Jeff Saibene gab seinen Rücktritt als Trainer des FC St.Gallen bekannt. Er war viereinhalb Jahre im Amt und damit der dienstälteste Trainer der Super League. Vorübergehend übernimmt Co-Trainer Daniel Tarone das Team.
01.09.2015, 11:0201.09.2015, 13:37
Ralf Meile
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Am 8. März 2011 brachte ich Jeff Saibene zum Lachen. An diesem Tag wurde er als Trainer des FC St.Gallen vorgestellt, der den Klub vor dem Abstieg retten sollte. Er sei ja ein Trainer aus einer grossen Fussballnation, sagte ich dem Luxemburger. Die 1:2-Jahrhundertpleite der Schweizer Nati gegen den Zwerg war erst einige Monate her.

Es ist vielleicht eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet eine Niederlage gegen einen anderen Zwerg Saibenes letzte als FCSG-Trainer war. Am Samstag unterlagen die Ostschweizer dem bescheidenen FC Vaduz. Ihnen wollte einfach kein Tor gelingen. Nur vier Treffer schoss St.Gallen in den ersten sieben Saisonspielen – das ist der katastrophale Wert eines Abstiegskandidaten. «Die Saison ist bisher unglücklich verlaufen», bezeichnete Jeff Saibene am Dienstagvormittag vor den Medien die Situation. Dass die Grün-Weissen trotzdem noch vor vier anderen Mannschaften liegen, ist für diese Klubs wahrlich kein Ruhmesblatt.

Sportchef Stübi nimmt Ex-Trainer Saibene in den Arm, links Präsident Früh.
Sportchef Stübi nimmt Ex-Trainer Saibene in den Arm, links Präsident Früh.Bild: freshfocus

Trotz Aufstieg Pfiffe gegen den Trainer

Die Torflaute kommt nicht unbedingt überraschend. Saibene liess in St.Gallen nie einen Hurra-Fussball spielen; «Safety first» lautete seine Devise. Dass man damit als Aussenseiter eher Erfolg hat als durch stürmisches Anrennen, damit hatten in der Ostschweiz viele Zuschauer Mühe. Wer selbst in Heimspielen gegen nominell schwächere Teams bloss einen Stürmer aufstellt, muss sich darüber nicht wundern. Nicht einmal in St.Gallen heiligt der Zweck die Mittel. Frei nach dem Motto: «Drei Punkte? Gerne. Aber ein bisschen Real Madrid darf schon auch sein, wenn's geht.»

Die meisten Fans wurden mit Jeff Saibene trotz seiner Erfolge nie wirklich warm. In Erinnerung bleibt, wie er nach dem direkten Wiederaufstieg in die Super League 2012 – den Abstieg konnte der als Retter geholte Luxemburger nicht verhindern – von Teilen der Zuschauer ausgepfiffen wurde. Das habe weh getan, sagte Saibene damals: «Wenn man im eigenen Stadion einen Aufstieg feiern kann, ist es nicht schön, so etwas zu erleben.»

Der FCSG unter Jeff Saibene
2010/11: Abstieg in die Challenge League
2011/12: Aufstieg in die Super League
2012/13: Rang 3, Qualifikation für die Europa League
2013/14: Rang 7
2014/15: Rang 6, Cup-Halbfinal

Der schöne Europacup-Herbst

Saibenes Schaffen und die Leistung seines Teams erreichten im rauschenden Europa-League-Herbst 2013 ihren Höhepunkt. Nichts zeigte dies besser als die Tatsache, dass ein kurze Zeit zuvor noch in der Challenge League engagierter Spieler wie Marco Mathys zur Nationalmannschaft eingeladen wurde.

Seither ging es mit dem FCSG wieder abwärts. Mehr als die Ränge 7 und 6 lagen nach zwei verkorksten Rückrunden nicht drin. Marco Mathys wurde nie mehr für die Nati aufgeboten. «Aber wir haben nie etwas mit dem Abstieg zu tun gehabt. Das ist nicht selbstverständlich», verteidigte sich Saibene.

St.Gallen eliminiert Spartak Moskau und zieht in die Europa League ein.
St.Gallen eliminiert Spartak Moskau und zieht in die Europa League ein.Bild: AP

Ein Treten an Ort

Natürlich liegt es nicht nur am Trainer und seiner Taktik, wenn ein Team das Tor nicht trifft. Dass zunächst Alhassane Keita und nun Albert Bunjaku nicht einschlugen, konnte man bei ihrer Verpflichtung nicht ahnen. Beides waren für einen Klub wie den FC St.Gallen sehr gute Transfers. Bloss muss ein Stürmer halt ab und an seine Chancen verwerten …

Vielleicht ist Jeff Saibene durch den Rücktritt bloss seiner baldigen Entlassung zuvorgekommen. Die Trennung macht jedenfalls Sinn, wenn man nicht bloss die laufende Saison zur Beurteilung nimmt, sondern auch die vergangenen Monate. Der FC St.Gallen ist unter dem Luxemburger nicht mehr voran gekommen, es war ein Treten am Ort.

«Hatte eine schöne Zeit hier»

Er habe deshalb vorgeschlagen, seinen Vertrag aufzulösen, sagte Saibene. «Es braucht einen neuen Trainer mit neuen Inputs und Impulsen. Wir gehen in einem guten Verhältnis auseinander, trennen uns als Freunde. Das ist selten in diesem Business. Ich hatte eine schöne Zeit hier und bedanke mich für die Unterstützung.»

Saibenes Söldnertruppe liess zuletzt nicht mehr immer spüren, dass sie restlos alles gibt. Mit Goalie Daniel Lopar liess einer der wenigen echten Ostschweizer am Wochenende durchblicken, dass die Einstellung einiger Kollegen zu wünschen übrig lasse. So etwas fällt auch auf den Trainer zurück. Sein Gefühl habe ihm gesagt, dass der Abschied der richtige Entscheid ist, so Saibene. «Manchmal ist es gut, wenn ein neuer Trainer mit anderen Ideen kommt.»

Bloss 6 Tore in 36 Spielen: Albert Bunjaku, von Jeff Saibene zum Captain befördert.
Bloss 6 Tore in 36 Spielen: Albert Bunjaku, von Jeff Saibene zum Captain befördert.Bild: freshfocus

Und nun zum Meister …

Lange schaute der äusserst geduldige, besonnen handelnde Präsident Dölf Früh zu, verteidigte den Trainer gegen jede Kritik. «Wir dachten, dass Jeff auch diese Kurve kriegt», sagte der Geldgeber, der den Entscheid Saibenes akzeptierte. Man sei gestern Abend überraschend von ihm darüber in Kenntnis gesetzt worden. «Vaduz war kein Schicksalsspiel, wir stehen noch am Anfang der Saison.» Auch Saibenes menschliche Qualitäten hätten überzeugt, so Früh: «Ehrlich, geradlinig, auch bei harten Entscheiden.»

Nun muss der FC St.Gallen also nach sieben Runden seinen Trainer austauschen – und als bereits dritter Klub der Super League nach YB und dem FC Zürich. Die Trainersuche sei bereits in vollem Gang, erklärte Sportchef Christian Stübi. Interimistisch übernimmt der bisherige Assistent Daniel Tarone. Man wolle «keinen Schnellschuss» machen, sagte Stübi, man müsse «den richtigen Trainer» finden. Der Zeitpunkt für eine Änderung scheint günstig: Wegen der Länderspielpause steht das nächste Meisterschaftsspiel erst in elf Tagen auf dem Programm. St.Gallen muss dann zum ungeschlagenen Leader FC Basel reisen.

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Am Wegrand liegt der Wohnsitz von Jeff Saibenes Familie. Diesen hatte er, um die Schnelllebigkeit des Fussballgeschäfts wissend, stets im Kanton Aargau belassen. Vielleicht war auch er am Ende überrascht, dass er immerhin viereinhalb Jahre Trainer der Espen war. Und damit so lange wie keiner seit über 30 Jahren und dem legendären Willy Sommer, der zwischen 1975 und 1981 FCSG-Trainer war.

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