Mechaniker in der Formel 1 – das klingt eigentlich nach einem Traumjob: Viel Glanz und Glamour, Reisen über den halben Globus, arbeiten auf dem neusten Stand der Technik. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Bei «Motorsport-Total» erzählt ein Mechaniker aus der Königsklasse des Motorsports anonym, wie kräftezehrend und anstrengend sein Alltag ist.
«Es lässt sich nicht verbergen, dass das Leben als Formel-1-Mechaniker hart ist», beginnt er seine Ausführungen. «Das war schon immer so, und keiner von uns macht das, weil wir es uns leicht machen wollen.» Doch mit bald 23 Rennen pro Saison und einem engen Terminkalender sei die Grenze der Belastbarkeit erreicht.
Ein Mechaniker erzählt: Die brutale Realität des Formel-1-Kalenders #F1 https://t.co/aMtAt0XHeL pic.twitter.com/1cfSsEYJ70
— Motorsport-Total.com (@MST_AlleNews) December 26, 2021
Vor allem die sogenannten Triple-Header – drei Rennen auf verschiedenen Kontinenten an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden – hätten es in sich. «Es gibt keine Erholungszeit. Du arbeitest von dem Moment an, an dem du aus dem Flugzeug steigst – und das kann nach einem wirklich beschissenen Flug sein, bei dem du in der Economy Class eingepfercht warst und wenig bis gar keinen Schlaf bekommen hast.»
Das habe auch Einfluss auf die Psyche, erklärt der unbekannte Mechaniker: «Wenn du so weit weg von deinen Liebsten und stets auf Achse bist, kannst du dich echt alleine fühlen.» Doch man sei nicht nur mental, sondern auch körperlich ausgelaugt und mit fortschreitender Saison würden «eine ziemliche Menge Verletzungen» passieren. «Die Teams haben zwar Ärzte und Physios, um auf dich aufzupassen. Die einfachste Lösung ist aber, dich mit Schmerzmitteln vollzupumpen, damit du weitermachst. Nicht in einer Million Jahre würden normale Ärzte dir das geben, was wir bekommen.» Neben Schmerzmitteln würden auch viele zum Alkohol greifen.
Der ganze Stress wirke sich zudem auch auf das Privatleben aus. «Wenn du dann am Montagmorgen oder Montagabend heimkommst und ein paar Tage nicht ordentlich geschlafen hast, leiden auch deine Beziehungen darunter – entweder weil du dich über deinen Partner aufregst oder einfach andere Dinge im Kopf hast. Und das ist weder für dich noch für sie fair.»
Belastend sei zudem, mit den hohen Erwartungen bei der Arbeit klarzukommen. «Niemand will ein Auto haben, mit dem ein Fahrer ausscheidet oder einen Unfall hat, also ist jeder mit vollem Einsatz dabei», so der Mechaniker. «Die Fahrer vertrauen darauf, dass du bei 100 Prozent performst und keine Fehler machst. Aber jeder kann Fehler machen. Wir sind nur Menschen, und ich habe in meiner Zeit schon einige Fehler gemacht. Wenn du einen machst, dann herrscht nur diese stille Enttäuschung der anderen.»
Der ganze Druck plus die Müdigkeit sorge dafür, dass die Atmosphäre in den Garagen manchmal ziemlich vergiftet sein könne. Diese Toxizität entstehe vor allem, weil alle die ganze Zeit aufeinander hocken. «Du kommst nicht weg, um mal durchzuatmen. Vom Mittwoch vor einem Rennen bis zum Sonntagabend arbeiten wir jeden Tag mindestens zwölf Stunden. Manchmal hast du keine halbe Stunde Zeit für das Mittagessen.»
Hinzu komme, dass die Bezahlung aufgrund der Budgetobergrenze in der Formel 1 mittlerweile ziemlich mager sei: «Die Löhne eines Mechanikers sind in den letzten 20 Jahren ziemlich stagniert – und welche Motivation hast du dann für die Zeit und die geistige und körperliche Anstrengung, die du im Laufe der Jahre in den Sport investierst? Und weil die Teams ihre Ausgaben im Rahmen halten wollen, können sie sich Gehaltserhöhungen einfach nicht leisten.»
Dass sich an seinen Arbeitsbedingungen bald etwas ändern wird, kann sich der Formel-1-Mechaniker nicht vorstellen. «Ich glaube, dass das Teammanagement und die Chefs der Formel 1 wissen, was los ist. Aber ich glaube nicht, dass sie es wirklich verstehen. Darum gibt es auch keine Not, irgendwelche Veränderungen herbeizuführen, die allen helfen würden.»
Dabei wäre es aus seiner Sicht einfach, eine Verbesserung herbeizuführen. «Am meisten helfen würde ein wenig Empathie von der Spitze der Formel 1. Mehr Auszeiten für Sport und Erholung, ein paar richtige Gesundheitschecks und etwas mehr Verständnis dafür, wie unser Leben aussieht – das würde uns die Welt bedeuten.» (pre)
Und die 55 Millionen Dollar, die Lewis Hamilton pro Saison verdient, lachen sich grad schlapp 😂
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23 Rennen pro Saison? Da geht's nicht mehr darum, herauszufinden, wer der Beste (Fahrer / Konstrukteur) ist, da geht es primär um $$$. Um ganz grosses $$$!
Unter solchem $-Druck leiden stets die untersten Wasserträger in der Struktur: Mechaniker, Chauffeure, Logistik, Verpflegung, ...