Der Ton ist rauer, die gegenseitigen Verdächtigungen und Anschuldigungen sind mehr geworden. Die aufgeheizte Stimmung hat mittlerweile Plusgrade weit über Normaltemperatur erreicht. Es sind typische Anzeichen eines engen Titelkampfs in der Formel 1, bei dem auch zwei Rennen vor Schluss noch jeder Ausgang möglich scheint.
Das Duell zwischen Verstappen und Hamilton beschränkt sich längst nicht mehr auf die Rennstrecke. Nebenschauplätze sind, je näher das Saisonende kommt und die Entscheidung naht, immer mehr ins Zentrum gerückt. Im Wettstreit der Chefetagen bleiben sich beide Parteien nichts schuldig. Toto Wolff, der Teamboss von Mercedes, und Christian Horner, sein Amtskollege bei Red Bull, lassen es längst nicht mehr bei verbalem Zündeln bewenden.
Gegenseitige Überwachung gehört mittlerweile bei Wolff und Horner zum Tagesgeschäft. Jede Veränderung an den Autos, die der anderen Seite zum Vorteil gereichen könnte, wird bei offizieller Seite nachgefragt und werden Zweifel an der Legalität angebracht. Der Mail-Verkehr mit den Regelhütern der FIA hat sich in den vergangenen Wochen merklich intensiviert. Es sind deutliche Merkmale gestiegener Nervosität und Dünnhäutigkeit.
Die Nervosität hat in den vergangenen Tagen womöglich in der Equipe Red Bull noch etwas mehr zugenommen. Auf jeden Fall ist die Gemütslage nunmehr wieder eine andere. Der Optimismus bröckelt, der Glaube, die Vorteile endgültig auf der eigenen Seite zu haben, ist nicht mehr ganz so gross. Hamilton und Mercedes haben noch einmal zurückgeschlagen in Brasilien – auf einem Terrain, auf dem sie sich bei den Roten Bullen eine weitere Zäsur zugunsten von Verstappen erhofft hatten.
Hamiltons Meisterleistung hinterliess selbstredend auch beim direkten Konkurrenten Eindruck, warf aber auch Fragen auf. Das immense Leistungsvermögen des neu eingebauten Motors sorgte gleichermassen für Erstaunen und Skepsis. Der Verdacht eines reglementswidrigen Schachzugs lag nahe, Beweise dafür gab es aber keine. Das Fazit von Helmut Marko, dem Sportchef von Red Bull, hatte schon etwas von Resignation. «Wenn das so weitergeht, sieht es für uns nicht mehr gut aus.»
Dass es am Sonntag in Losail «so weiter» gehen würde, hatte sich bereits vor dem Rennen abgezeichnet. Zwei Stunden vor dem Start bestätigten die Stewards, was von Seiten von Red Bull schon am Samstag befürchtet worden war. Wegen Missachtens der Aufforderung zur Temporeduzierung im Qualifying musste Verstappen die Rückversetzung um fünf Startplätze in Kauf nehmen, was dem aus der Pole-Position losgefahrenen Hamilton natürlich zusätzlich in die Karten spielte.
Verstappen vermochte die verlorenen (Start-)Plätze innert kürzester Zeit wieder wettzumachen, in Schlagdistanz zu Hamilton kam er allerdings nie. Der Brite war im Mercedes zu dominant und auch für den Niederländer unerreichbar. Mit der Art und Weise, wie er seinen siebten Sieg in dieser Saison errang, sandte Hamilton den nächsten Denkzettel an die Adresse von Verstappen und Red Bull.
Als Dritter erreichte Fernando Alonso im Alpine das Ziel. Der Spanier sicherte sich seinen ersten Podestplatz seit über sieben Jahren. In jenem Sommer war Alonso, damals noch in Diensten von Ferrari, im Grand Prix von Ungarn Zweiter geworden.
Im richtigen Auto hätte er in der Vergangenheit Hamilton und Vettel den einen oder anderen Titel abgenommen.
Mit Vierzig immer noch ein sensationeller Racer, als hätte er den Zirkus nie für zwei Jahre verlassen.