Neun Grands Prix, sechs Siege. Max Verstappen tritt derzeit so dominant und fehlerfrei auf wie nie zuvor. Nach seinen zwei Ausfällen in den ersten drei Saisonrennen stand der Niederländer in den letzten sechs Grands Prix nur in Monte Carlo (als Dritter beim Triumph seines Teamkollegen Sergio Perez) nicht zuoberst auf dem Podest.
Nach den Siegen in Baku und Montreal ist sein Vorsprung in der WM-Wertung auf Perez und Charles Leclerc bereits auf 46 respektive 49 Punkte angewachsen. Eine Garantie für einen Alleingang ist dies für den «fliegenden Holländer» aber keinesfalls. Vor einem Jahr hatte Verstappen zum gleichen Zeitpunkt der Saison bereits 32 Punkte mehr auf dem Konto als Lewis Hamilton, nur zwei Rennen später lag er deren acht hinter dem Briten zurück.
Anders als noch vor einem Jahr droht Verstappen im Titelkampf auch Konkurrenz aus dem eigenen Lager. Perez hat unlängst klargemacht, dass er sich mit dem Vize-Weltmeistertitel nicht zufrieden geben wird. Zuletzt bekam der Mexikaner, dessen Vertrag kürzlich bis nach der Saison 2024 verlängert worden war, auch von den Verantwortlichen von Red Bull Rückendeckung, was seine Rolle im Team anbelangt.
Die Tage als Wingman von Verstappen scheinen gezählt, auch wenn «Checo» mit dem Ausfall in Kanada nach einem Getriebeschaden einen herben Dämpfer einstecken musste. Für die Roten Bullen ist der frühere Sauber-Fahrer in der aktuellen Hochform im Titelkampf so oder so Gold wert.
Auch wenn Red Bull zuletzt sechs Sieg in Folge einfahren konnte und damit die zweitlängste Erfolgsserie in der Teamgeschichte aufweist, das schnellste Auto im Feld hat zweifelsohne Ferrari. In neun Qualifyings holte sich Leclerc sechs Mal die Pole-Position. Ob auf engen Stadtkursen oder Strecken mit langen Geraden, der F175 performt überall. Dazu ist das Reifenmanagement top.
Das einzige Manko bei den Italienern ist die Zuverlässigkeit. Immer wieder gibt es Probleme mit dem Antrieb. Der Tiefpunkt war vor einer Woche der Doppelausfall in Baku – der im Kontrast zum Doppelsieg beim Saisonstart in Bahrain steht.
In Kanada bekamen beide Fahrer einen neuen Motor. Weil bei Leclerc das erlaubte Kontingent schon aufgebraucht war, büsste der Monegasse dafür mit der Rückversetzung in die letzte Startreihe. Bringt man in Maranello den Motor nicht bald einwandfrei zum Laufen, könnte das für Ferrari in der noch lange dauernden Saison zu einem echten Problem werden.
Während man bei Ferrari weiter vom ersten WM-Titel seit 2007 (Kimi Räikkönen) träumt, hat man bei Mercedes die aktuelle Saison bereits abgeschrieben. Die Silberpfeile sind zweifelsohne DIE grossen Verlierer der Regel-Revolution. Vorbei ist die Zeit der Dominanz, als man der Konkurrenz nur die Brosamen überliess. Im Team des 103-fachen GP-Siegers Lewis Hamilton werden derzeit wieder kleine Brötchen gebacken.
Am Sonntag freute sich der siebenmalige Champion, der bereits fast 100 Punkte hinter Verstappen zurück liegt, über seinen 3. Platz wie über einen Sieg. Kein Wunder bei den Problemen, mit denen er und sein neuer Teamkollege George Russell im neuen Auto zu kämpfen haben. Immerhin in puncto Zuverlässigkeit dürfen sich die beiden Engländer nicht beklagen. Mercedes ist weiterhin die einzige Equipe ohne Ausfall in diesem Jahr.
Siege liegen auch für das Team Alfa Romeo ausser Reichweite, aber zumindest von Podestplätzen darf man im Zürcher Oberland wieder träumen. Im fünften Jahr der Zusammenarbeit zwischen Sauber Motorsport und dem italienischen Automobil-Hersteller geht es endlich wieder aufwärts.
Nach neun Rennen stehen schon 51 Punkte auf dem Konto des Hinwiler Rennstalls und damit mehr als doppelt so viele wie in den Jahren 2020 und 2021 zusammen. Der Japaner Kamui Kobayashi war 2012 der letzte Fahrer, der es in einem Schweizer Auto aufs Treppchen geschafft hat. Valtteri Bottas war in dieser Saison als Fünfter in Imola schon einmal nahe dran. Der Finne erweist sich nach fünf Jahren bei Mercedes als die erhoffte Verstärkung. Aktuell ist Alfa Romeo hinter McLaren (65 Punkte) und Alpine (57) die sechststärkste Kraft im Feld.
Nach dem intensiven Doppel-Wochenende in Baku und Montreal mit zwei Rennen innerhalb von sieben Tagen verteilt auf zwei Kontinente werden die logistischen Herausforderungen wieder etwas weniger. Bis zum nächsten Grand Prix am 3. Juli in Silverstone verbleiben noch knapp zwei Wochen. Der Grosse Preis von Grossbritannien wird das erste von total sieben Europa-Rennen bis Mitte September sein. Vor der einmonatigen Sommerpause im August wird auch noch in Österreich (10. Juli), Frankreich (24. Juli) und Ungarn (31. Juli) um WM-Punkte gefahren. (ram/sda)