Meine Frau und meine Kinder haben mir gesagt: «Komm, Papa, hör auf, es reicht. Du bist jetzt alt, hör auf mit dem Unfug!»
Als er dies der französischen Zeitung «Le Progrès» in einem Boot anvertraut, das mitten in seinem Garten steht, und zwischen einer Zusatzheizung und einem Wasserkocher sitzt, wird schnell klar, dass Bernard Poiteau seinen Unfug fortgesetzt hat. Und vor allem, dass er nichts bereut.
Der 71-jährige Rentner nimmt seit dem 10. November an der Vendée Globe am Computer teil. Das Prinzip ist einfach: Die Teilnehmer des Spiels haben ihre Weltumsegelung zur gleichen Zeit wie die 40 Skipper des «echten» Rennens begonnen. Jeder hat sein eigenes Boot im Spiel und muss seinen Kurs unter den Wetterbedingungen des echten Rennens bestimmen. Das Ziel: die Weltumsegelung so schnell wie möglich zu beenden. Im Gegensatz zu den Seglern, die auf den Ozeanen unterwegs sind, sitzen die Spieler (es gibt mehr als 600'000) bequem in ihrem Wohnzimmer oder auf ihrem Bürostuhl. Das heisst, die meisten. Denn Bernard hat beschlossen, den Realismus des Spiels so weit zu treiben, dass er für die Dauer des Rennens, also mehr als zweieinhalb Monate, auf einem Boot lebt.
Das ist eine lange Zeit, aber der in Frankreich in Saint-Julien-Molin-Molette (einer Gemeinde 40 km südöstlich von Saint-Étienne) lebende Mann hat für seine virtuelle Reise Lesestoff, Schokolade, Suppen und genügend Vorräte eingeplant. «Ich bin völlig autark und unter realen Bedingungen 22 Stunden am Tag unterwegs. Mein Arzt hat von mir verlangt, dass ich eineinhalb Stunden spazieren gehe, in denen ich im Garten herumlaufe. Eine halbe Stunde ist für die Körperpflege vorgesehen, die ich nicht im Boot erledige.»
Den Rest der Zeit verbringt er auf dem Deck oder in der Kabine seines Bootes, das früher auf dem Genfersee fuhr. «Es stammt aus dem Jahr 1973», erklärt sein Besitzer. «Ich habe es für einen symbolischen Euro in Chamonix gekauft.» Auf dem blauen Rumpf des Segelboots ist noch deutlich die Aufschrift GE 4250 zu erkennen.
Für diese bewegungslose Weltreise hat Bernard ein Ritual: Er wacht dreimal in der Nacht auf, um sich ins Spiel einzuloggen und den Kurs seines Bootes anzupassen. Ausserdem stellt er sicher, dass er noch im Rennen ist. Denn «Virtual Regatta» duldet nicht die geringste Nachlässigkeit seitens der Teilnehmer: Neulich ist Bernard eingenickt und fast gegen die Küste gefahren.
Im Spiel heisst Bernards Segelboot «Anticyclone MolinMolette», benannt nach seinem Dorf und der Migranten-Hilfsorganisation, für die sich der 70-Jährige in das Abenteuer gestürzt hat.
Der Franzose hat keine Angst, bei diesem Hochseerennen auf festem Boden überholt zu werden, da er nicht auf den Sieg aus ist. Er hat auch keine Angst vor der Kälte, da er gut ausgerüstet ist. Seine einzige Sorge besteht darin, dass er Weihnachten ganz allein ohne seine Familie verbringen wird, da das Rennen laut den offiziellen Regeln ohne Zwischenstopps und vor allem ohne Hilfeleistung stattfindet.
Danach folgt Silvester und auch dann ist es noch nicht ganz vorbei: Der Rekord für die Vendée Globe liegt bei 74 Tagen, und man kann sich gut vorstellen, dass Bernard sein lustiges Abenteuer erst nach dem 23. Januar beenden wird.
Diese Aussicht entmutigt ihn jedoch nicht. In der Sendung «Stade 2» am vergangenen Sonntag versicherte er mit dem Schalk eines Seemanns, der immer wieder in den sicheren Hafen zurückkehrt:
Nicht unwahr.
Ich finde das gut! Der Mensch braucht Phantasie & Träume.
Mast- und Schotbruch-Ahoi! ⚓️⛵️🌳