Der Frauenfussball ist weltweit auf dem Vormarsch. Und dass nun auch immer mehr Grossklubs (der Männer) auch in Frauenteams investieren, scheint sich bemerkbar zu machen. «Das Niveau wird immer besser», stellt die Schweizer Nationalspielerin Noëlle Maritz fest. «Physisch und technisch hat der Frauenfussball einen grossen Schritt vorwärts gemacht.»
Auffallend ist beim Blick aufs Viertelfinal-Tableau, dass die USA als einzige der acht verbliebenen Nationen nicht aus Europa kommen. «Das zeigt einfach die Entwicklung, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat», analysiert die ehemalige Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die jetzt das gleiche Amt in Deutschland bekleidet. Europas Dominanz ist auch für die Olympischen Spiele 2020 von Bedeutung. Dort sind nur die besten drei aus Europa sicher mit dabei. Vielleicht reicht also nicht einmal ein WM-Halbfinal-Einzug für die Olympia-Qualifikation aus.
Donnerstag, 21 Uhr in Le Havre
4 Spiele, 4 Siege – England ist sehr überzeugend in die Viertelfinals vorgestossen. «Wir sind das am besten vorbereitete und belastbarste aller Teams», behauptet Karen Bardsley, die Torhüterin der «Löwinnen» bei der BBC. Trainer Phil Neville sagt, seine Spielerinnen seien furchtlos und würden auch mit Druck umgehen können. «Sie sind jetzt genau da, wo sie immer sein wollten, und sie werden kein bisschen zurückziehen. Ihr werdet es auf dem Feld sehen», kündigt der 59-fache Nationalspieler an. In der Offensive soll es Ellen White richten. Die bislang vierfache WM-Torschützin beschreibt Neville als «ein Raubtier wie früher ein Ruud van Nistelrooy.»
Die Norwegerinnen verloren in der Vorrunde das Duell um den Gruppensieg knapp gegen Gastgeber Frankreich. Und im Achtelfinal setzten sie sich gegen Australien erst im Penaltyschiessen durch. Die Weltmeisterinnen von 1995 sind zwar in der Aussenseiterrolle, «aber England macht uns keine Angst», betont Coach Martin Sjögren. Der Schwede sagt, man respektiere den Gegner, habe selber aber ebenfalls ein starkes Team. Noch besser wäre Norwegen bestimmt mit Ada Hegerberg. Doch die Weltfussballerin des Jahres fehlt, weil sie sich mit dem Verband zerstritten und deshalb auf eine WM-Teilnahme verzichtet hat.
Freitag, 21 Uhr in Paris
Der Viertelfinal im Parc des Princes gilt als vorweggenommener Final. «Das ist die Partie, von der jeder geträumt hat», weiss US-Star Megan Rapinoe. Mit ihren zwei Penaltytreffern gegen Spanien sorgte sie beim 2:1-Sieg im Achtelfinal dafür, dass es dazu kommt. «Ich hoffe, es wird wild und verrückt, einfach ein grosses Spektakel», sagte Rapinoe. Die USA sind Titelverteidiger und die Nummer 1 der Welt. In den vergangenen zwei Jahren haben die Amerikanerinnen nur ein Spiel verloren – im Januar mit 1:3 gegen Frankreich.
Aus diesem Resultat schöpfen die WM-Gastgeberinnen natürlich viel Hoffnung. Olympique Lyon ist im Klubfussball schon längst die erste Adresse weltweit, nun träumt Frankreich auch vom ersten Titelgewinn der «Bleues». Die Chancen auf einen Sieg gegen die USA sind mehr als intakt, denn die Amerikanerinnen wussten noch nicht restlos zu überzeugen. Besonders die Defensive wirkt anfällig und vorne droht wegen Knieproblemen der Ausfall von Goalgetterin Alex Morgan.
Die Französinnen müssten selbstbewusst auftreten und mit einer aggressiven Verteidigung dem US-Sturm den Schneid abkaufen, fordert Nathan Gourdol, der die WM für «L'Equipe» verfolgt. Wichtig sei es auch, Torhüterin Alyssa Naeher unter Druck zu setzen, die in den vergangenen Spielen ein Nervenbündel gewesen sei. Und als Schlüsselspielerin macht er Kadidiatou Diani aus, die Stürmerin, die mit Tempo, Kraft und vielen Richtungswechseln die Abwehr schwindlig laufen soll.
Samstag, 15 Uhr in Valenciennes
Die Italienerinnen haben erstmals an einer WM ein Knockout-Spiel gewonnen. Beim 2:0 gegen China im Achtelfinal zeigten die «Azzurre» die Qualitäten, die seit je ihren Landsmännern zugeschrieben werden: Sie siegten, obwohl sie weniger Torschüsse, Pässe, Ballbesitz (nur 37 %) und Corner (0:9) hatten, dank einer gnadenlosen Effizienz und einem sicheren Verwalten des Vorsprungs. «Wir waren eben abgebrüht und haben das wichtige Ergebnis nach Hause gebracht», hielt Trainerin Milena Bertolini fest.
Die 53-Jährige weiss, dass gegen die Niederlande eine Steigerung her muss. Schliesslich ist der Gegner amtierender Europameister. Die EM 2017 im eigenen Land verlieh «Oranje» den Schwung, den man sich durch die Ausrichterrolle erhofft hatte. Die Niederländerinnen wollen nachdoppeln und auch den WM-Pokal in die Höhe stemmen. «Wir haben schon Geschichte geschrieben und das wollen wir jetzt wiederholen», kündigt Mittelfeldspielerin Jackie Groenen an.
Trainerin Sarina Wiegman lässt ein klassisch-holländisches 4-3-3-System spielen und auch die vielen Fans, die das Team begleiten, erinnern an die Nationalmannschaft der Männer. Da der Spielort Valenciennes nur zweieinhalb Stunden von der holländischen Grenze entfernt liegt, ist mit einem erneuten Volksfest zu rechnen.
Samstag, 18.30 Uhr in Rennes
«Fussballerisch haben mich die Deutschen bisher nicht restlos überzeugt. Sie haben sich im Lauf des Turniers aber schon gesteigert», findet die Schweizerin Noëlle Maritz, die beim VfL Wolfsburg in der Bundesliga spielt. Deutschland, eine Turniermannschaft? Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor … Auch in Schweden sah man die deutschen Leistungen bislang nicht als furchterregend an: «Das Beste, was die deutsche Mannschaft bislang gezeigt hat, war ihr viel zitierter Werbefilm», stichelte die Zeitung «Aftonbladet».
«Ich fand den auch gut. Solche Sachen blenden wir aber eigentlich komplett aus», zeigt sich Stürmerin Giulia Gwinn gelassen. «Wir fokussieren uns auf uns und möchten Kritiker vom Gegenteil überzeugen.»
«Schweden muss man in jedem Turnier auf der Rechnung haben», warnt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Für sie wird die Partie auch «eine Willensfrage» sein, angesichts der erwarteten hohen Temperaturen. «Die Bedingungen werden für alle gleich sein», sagt sie. Viel wird von Dzsenifer Marozsan erwartet, die nach einer Blessur wohl wieder mitwirken kann. «Mit ihr kehrt das Überraschungsmoment zurück, das ich bisher von der deutschen Mannschaft vermisst habe», ist Frauenfussball-Ikone Steffi Jones in ihrer «Kicker»-Kolumne überzeugt: «Marozsan wird die zentrale Rolle einnehmen, die uns weiterhelfen wird.»
Und natürlich hat es auch mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft zu zun, das dürfte jedem klar sein. Deshalb passt das schon in's Bild.