Platz sieben nach 29 Runden und nur einen Punkt Rückstand auf einen europäischen Platz und vier Zähler hinter der Königsklasse. Gladbach träumt mal wieder vom internationalen Geschäft. Waren die Fohlen vor wenigen Jahren noch regelmässiger Gast im Europacup, erlebte der Verein vom Niederrhein zuletzt schwierige Zeiten und in der letzten Saison drohte sogar der Abstieg in die Zweitklassigkeit.
Trotz der miserablen ersten Spielzeit als Trainer der Gladbacher und grosser Kritik durfte Gerardo Seoane sein Amt weiterführen. Auch als die Fans nach einem schlechten Saisonstart (nur sechs Punkte aus sechs Spielen) seine Entlassung forderten, gaben sie dem Schweizer angeblich eine fünf Spiele lange Gnadenfrist und fragten bei Urs Fischer an. Ab dann ging es aber bergauf. Das Festhalten an Seoane scheint sich nun für alle beteiligten Seiten mehr als nur gelohnt zu haben. Dafür gibt es viele Gründe.
In der Defensive hat sich Gladbach deutlich stabilisiert und lässt viel weniger Gegentore zu. Kassierte die Elf vom Niederrhein in der letzten Saison im Schnitt fast zwei Tore pro Spiel, sind es in dieser Spielzeit weniger als 1,5 Gegentore in neunzig Minuten.
Das hat auch mit dem passenden System zu tun, auf welches Seoane konsequent setzt. «Wir haben eine Struktur gefunden mit dem 4-2-3-1. Zwei Sechser vor der Kette haben uns defensive Stabilität gegeben», sagt der 46-Jährige selbst zu seiner Taktik.
Auch scheut sich Seoane nicht, mutige Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise als der Schweizer Torhüter und Captain Jonas Omlin schwache Leistungen zeigte und sich Seoane dafür entschied, den Ersatztorhüter Moritz Nicolas zwischen die Pfosten zu stellen. Momentan fehlen allerdings beide Schlussmänner verletzt.
Dafür erscheint ein neues Torwarttalent am Horizont. Tiago Pereira Cardoso ist erst 19 Jahre alt und brillierte von Anfang an bei Gladbach zwischen den Pfosten. In seinen ersten drei Einsätzen liess der Luxemburger kein Gegentor zu. Auch der Trainer schwärmt von seinem jungen Goalie: «Das Wichtigste für ihn sind ja eigentlich seine Abi-Prüfungen. Aber er hat sehr gute Leistung geboten.»
Über zweieinhalb Jahre konnten die Gladbacher nicht zwei Spiele in Serie gewinnen – eine absolute Horrorbilanz, welche die Fohlen von März 2022 bis Ende 2024 vorwiesen. Erst mit dem 2:1-Sieg gegen die TSG Hoffenheim am letzten Spieltag vor der Winterpause gelang der Borussia dies wieder einmal.
Nach dem Wiederbeginn gab es allerdings direkt drei Pleiten in Serie, bei welcher besonders das 1:5 in Wolfburg ein herber Schlag war. Doch daraufhin konnte sich das Team von Seoane steigern und ging in den nächsten zehn Spielen nur noch dreimal als Verlierer vom Platz.
Zwar steckt die Borussia aktuell in einem Übergangsjahr, aber da die Bundesliga besonders im vorderen Mittelfeld wieder einmal sehr ausgeglichen ist (nur sechs Punkte liegen zwischen Platz vier und zehn), kann Gladbach plötzlich wieder von der Teilnahme an einem internationalen Turnier träumen. Obwohl die letzten beiden Spiele nicht gewonnen wurden, liegen die begehrten Plätze weiterhin in Reichweite.
Wegweisend wird das Borussen-Duell am Sonntagabend gegen den BVB. Dortmund ist aktuell nur zwei Punkte hinter Gladbach klassiert und hofft trotz einer aus ihrer Sicht schwachen Saison ebenfalls auf das europäische Geschäft.
In Dortmund kommt es nun zum Duell zwischen den beiden Spitzenstürmern Tim Kleindienst und Serhou Guirassy. Beide konnten in dieser Bundesligasaison bereits 15-mal über einen Torerfolg jubeln, nur Harry Kane und Patrik Schick waren in dieser Spielzeit noch erfolgreicher.
Kleindienst wechselte erst auf diese Saison hin vom Ligakonkurrenten Heidenheim nach Gladbach und entwickelte sich direkt zu einer wichtigen Säule. In der letzten Saison sammelte der 29-Jährige bereits 17 Skorerpunkte beim FCH. Auch der deutsche Nationaltrainer Julian Nagelsmann wurde auf «Smallservice» aufmerksam, ermöglichte dem Stürmer im letzten Oktober sein Nationalmannschaftsdebüt und erzielte in sechs Einsätzen bereits vier Tore.
Dass ihm sein Durchbruch erst so spät gelang, stört Kleindienst überhaupt nicht, wie er in einem Interview mit der «Bild» selbst sagt: «Nein, das ärgert mich überhaupt nicht, es ist halt ein Teil meiner Karriere. Noch vor ein, zwei Jahren hätte ich mit dieser Entwicklung nicht gerechnet. Jetzt bin ich an dem Punkt, wo ich sage: ‹Hey, was geht hier gerade ab.›»
Sollte Gladbach wirklich noch der Sprung in die ersten sechs gelingen, würde das erste europäische Abenteuer seit der Saison 2020/21 für die Niederrheiner bevorstehen. Vor vier Jahren nahm die Borussia an der Champions League teil und qualifizierte sich für das Achtelfinal. Vielleicht hat für Gladbach das Warten bald ein Ende.
Aus Schweizer Sicht halt extrem schad, dass Omlin da auf Grund von Verletzungen aussen vor bleibt. Aber so brutal kann die Fussballwelt für einen Torwart sein.