Für den neutralen Zuschauer könnte die Barrage, welche heute Abend startet, nicht besser sein. Der stolze Rekordmeister GC, welcher seit Jahren in der Krise steckt und dem kein Befreiungsschlag gelingen möchte, trifft auf den FC Aarau. Die Aargauer galten viele Jahre als unabsteigbar (von 1981 bis 2010 ununterbrochen in der Super League), doch mittlerweile ist der FCA eher unaufsteigbar und steckt seit 2015 in der Challenge League fest.
Schon zweimal war Aarau mit mindestens eineinhalb Beinen zurück in der Super League. Doch 2019 verspielte es in der Barrage einen 4:0-Vorsprung aus dem Hinspiel und scheiterte daraufhin im Penaltyschiessen. Vor drei Jahren waren die Aargauer vor dem letzten Spieltag Leader der Challenge League und rutschten nach einer Niederlage gegen Vaduz auf den dritten Platz ab. Bittere Tränen statt Aufstiegs-Champagner füllten daraufhin den Rasen des Brügglifelds. Nun soll es dieses Jahr ausgerechnet gegen den Rekordmeister so weit sein.
Dass die diesjährige Barrage wieder einmal ganz speziell wird, ist schon vor dem Anstoss im Hinspiel sicher. Denn das heutige Heimspiel der Grasshoppers findet in Lugano statt. Über 200 Kilometer entfernt vom Stadion Letzigrund, dem eigentlichen Heimstadion von GC. Doch aufgrund eines Konzerts der Imagine Dragons muss der Rekordmeister nach Lugano ausweichen.
Dass erst am Freitagmorgen bekannt gegeben wurde, wo GC das Heimspiel austragen wird, sorgte im Lager des Challenge-League-Klubs für reichlich Unmut. «Das ist auch für uns eine Katastrophe, weil wir so lange nicht wussten, auf welches Stadion und auf welchen Rasen wir uns vorbereiten müssen. Dass man es in der Schweiz nicht hinkriegt, dass man wenige Tage vor dem Spiel weiss, wo dieses stattfindet, ist unverständlich», sagte Aarau-CEO Sandro Burki gegenüber CH Media.
Zwar war erst am Donnerstagabend klar, gegen wen Aarau in der Barrage antritt, doch wäre der FCA über eine frühere Kommunikation der Hoppers dennoch froh gewesen. Gemäss Recherchen von CH Media informierte GC bereits am Donnerstagnachmittag die Swiss Football League über den Ausweichort. Auch dafür zeigt Burki wenig Verständnis: «Wenn das wirklich so ist, fände ich das speziell. In diesem Falle hätten wir einen halben Tag Vorbereitung verloren.»
Auch für die Fans ist das Auswärtsspiel unter der Woche im Tessin alles andere als optimal. Zusätzlich kommt noch dazu, dass die Anhänger des FCA aus Sicherheitsgründen keinen Extrazug für das Hinspiel erhalten werden und mit verschiedenen Reisecars anreisen müssen. Trotz der vielen Umstände werden 30 Busse und rund 1200 Aarauer die Reise in den Süden der Schweiz antreten.
Allerdings wird der Gotthard-Strassentunnel heute Nacht von 23 bis 1 Uhr gesperrt, das bedeutet, dass den Aargauern auf dem Heimweg ein Umweg via San Bernardino droht. Gemütlicher haben es die Fans von GC: Dem Rekordmeister wird für die heutige Reise ein Extrazug zur Verfügung gestellt.
Die Spieler des FCA werden nach dem Hinspiel nicht zurück nach Aarau reisen, sondern beim Hallwilersee übernachten und bis am Donnerstag dort bleiben. Damit möchte sich der Verein vor dem entscheidenden Rückspiel ein wenig vom ganzen Rummel abschotten.
Kurios wird es dann am Freitag. Das «Hotel Aarau West» ist das Stammhotel des FCA vor den Heimspielen und wird jeweils als Tageshotel verwendet. Doch nicht am Freitag, denn GC hat bereits vor mehreren Wochen das Hotel für den Tag reserviert. Im Aargau wird bereits vom «Hotelklau» gesprochen. Noch spezieller ist die ganze Situation, da die ausländischen Spieler von Aarau im besagten Hotel in einem Appartement leben.
Nun wird das Team von Trainer Brunello Iacopetta in Kölliken im «Bären» die letzten Stunden vor der grossen Entscheidung verbringen. Wie aber Hoteldirektor Fabian Muntwyler gegenüber Tele M1 sagt, waren die Aarauer für die Spielvorbereitung in dieser Saison noch nie in seinem Hotel. «Die ersten, die anfragen, haben auch Vorrang. Wir möchten auch fair sein gegenüber unseren Kunden und Partnern», sagt Muntwyler im Interview.
Ob es sich dabei um ein Psychospiel der Grasshoppers oder einfach um einen Zufall handelt, ist unklar. Die ersten Antworten auf dem Platz gibt es ab heute Abend um 20.30 Uhr, dann wird das Hinspiel im Stadion Cornaredo angepfiffen. Das Rückspiel am Freitag findet um dieselbe Zeit statt. Sollte dem FCA trotz der vielen Umstände der Aufstieg gelingen, hat die Stadt Aarau eine Freinacht bewilligt.
Während Aarau nach zehn Jahren endlich in die Super League zurückkehren will, ist das Zittern bei GC vor dem erneuten Gang in die zweithöchste Liga gross. Bisher konnte der Abstieg seit der Super-League-Rückkehr vor vier Jahren jeweils verhindert werden – teilweise auch nur knapp. In den letzten Jahren beendete der einst so stolze Rekordmeister die Saison als Achter, Siebter und zuletzt zweimal als Elfter. Bereits in der letzten Saison musste GC in die Barrage und schaffte gegen Thun dank eines späten Treffers im Rückspiel den Klassenerhalt. Nachdem der direkte Abstieg in dieser Saison nur dank des besseren Torverhältnisses verhindert werden konnte, gilt es erneut in der Barrage ernst. Das heutige Hinspiel kann bei watson live im Ticker mitverfolgt werden.
Der Betreiber hat heute mitgeteilt, dass der FC Aarau in dieser Saison nicht ein einziges Mal zum Essen dort war...
Hopp Aarau, oder neutral formuliert: möge der Bessere gewinnen.