Die Geschichte von Dele Alli ist selbst in der verrückten, schnelllebigen Welt des Profifussballs einzigartig. Noch vor fünf Jahren war der Brite laut Transfermarkt 100 Millionen Euro wert und wurde mit einem Wechsel zu Real Madrid in Verbindung gebracht.
Inzwischen ist er weitgehend vom Radar vieler Fans verschwunden: In der vergangenen Saison spielte der 27-Jährige in der türkischen Liga bei Besiktas Istanbul. Sein Marktwert ist auf acht Millionen Euro geschrumpft, zur englischen Nationalmannschaft wird er seit Jahren nicht mehr eingeladen.
Viele Fans wundern sich, was aus dem einstigen Überflieger geworden ist. Stand jetzt wird Alli in der kommenden Saison wieder für seinen Stammklub Everton in der Premier League auflaufen. Zum Start der Vorbereitung hat er nun ein hochemotionales Interview gegeben und dabei Einblicke in sein Seelenleben gewährt.
Im Gespräch mit TV-Experte Gary Neville enthüllt Dele Alli, dass er in den vergangenen Jahren unter einem psychischen Trauma gelitten habe. «Es war immer ich gegen mich selbst, in allem. Ich habe den Kampf gewonnen, habe gelächelt und gezeigt, dass ich glücklich bin, aber innerlich habe ich den Kampf definitiv verloren», offenbart der 37-malige englische Nationalspieler.
Besonders schlimm ging es ihm dabei unter Ex-Trainer José Mourinho, erklärt er. Als dieser ihm eines Tages erklärte, dass er nicht mehr mit ihm plane, habe das etwas in ihm ausgelöst, sagt Dele Alli. «Ich erinnere mich, wie ich in den Spiegel schaute. Ich meine, es klingt dramatisch, aber ich habe buchstäblich in den Spiegel gestarrt und mich gefragt, ob ich mich jetzt mit 24 Jahren zur Ruhe setzen kann?»
Sowohl für ihn als auch für seinen Gesprächspartner Gary Neville sind diese Einblicke hochemotional. Sie kämpfen in dem Interview mehrfach mit den Tränen und lassen ihnen schliesslich auch freien Lauf.
Zudem berichtet Alli davon, mit sechs Jahren von einer Kollegin seiner alkoholabhängigen Mutter sexuell belästigt worden zu sein. «Mit sieben fing ich an zu rauchen. Mit acht fing ich an, mit Drogen zu handeln, Drogen zu verkaufen. Ein älterer Mensch sagte mir, dass die Polizei ein Kind mit Fussball und Sportkleidern nicht aufhalten würden. Und darunter habe ich dann die Drogen versteckt.»
Es habe eine Situation gegeben, als er elf Jahre alt war, in der ein Mann aus der Nachbarschaft ihn von einer Brücke baumeln liess. Seine Rettung sei seine Adoption im Alter von zwölf Jahren gewesen: «Ich kam in eine unglaublich tolle Familie. Ich hätte mir nichts besseres wünschen können.» Aber selbst da konnte sich der Fussballer seiner Vergangenheit nicht öffnen – aus Angst, von seiner neuen Familie wieder abgeschoben zu werden, wie er erklärt.
Zudem verriet er, dass er süchtig nach Schlaftabletten war und sich im Sommer sechs Wochen in den USA in der Reha befand. Der Engländer warnt: «Vermutlich bin ich nicht der einzige Fussballer, der diese Probleme hat.» Er habe die Tabletten nicht nur zum Schlafen in der Nacht, sondern auch während des Tages genommen, um «der Realität zu entfliehen».
Dass Alli sich in dem Interview so öffnet und seine mentalen Probleme enthüllt, hat einen Grund. «Ich möchte anderen Menschen helfen, damit sie wissen, dass sie mit ihren Gefühlen nicht allein sind und dass es sie nicht schwach macht, sich Hilfe zu holen», sagt er. Der 27-Jährige liebe den Fussball immer noch: «Er hat mein Leben gerettet. Aber die Leute unterschätzen, was er mental mit einem anstellen kann. Das realisierst du erst, wenn du in diesem Business drin bist.»
I’m struggling to find the words to put with this post but please watch my most recent interview with Dele. It’s the most emotional, difficult yet inspirational conversation I’ve ever had in my life. Watch the interview on @wearetheoverlap here https://t.co/60d4IZwQmR pic.twitter.com/0cZowJGW77
— Gary Neville (@GNev2) July 13, 2023
Der sportliche Abstieg von Dele Alli ist vor allem in Grossbritannien immer wieder Thema bei den Fans und in den Medien. So kündigte der neue Chelsea-Trainer Mauricio Pochettino, der Alli bei Tottenham trainiert hat, bereits an, das Gespräch mit seinem Ex-Spieler suchen zu wollen, um ihm zurück in die Spur zu helfen.