Mit ausgebreiteten Armen stand Mats Hummels da und verstand die Welt nicht mehr. Der Innenverteidiger von Borussia Dortmund sah im Champions-League-Gruppenspiel gegen Ajax Amsterdam in der 29. Minute für ein Foul an Antony die direkte Rote Karte und wurde von Schiedsrichter Michael Oliver vorzeitig unter die Dusche geschickt.
Wobei Hummels zunächst noch auf den VAR hoffte. Denn der 32-jährige Routinier traf seinen Gegenspieler bei seinem Tackling mit gestrecktem Bein und hohen Tempo gar nicht. Der Brasilianer stand dem BVB-Abwehrchef sogar noch auf den Fuss. Der VAR überprüfte die Szene in der Folge, hielt aber an der Roten Karte fest.
Dortmund ging kurz nach Hummels' Platzverweis nach einem schmeichelhaft gepfiffenen Penalty durch Marco Reus zwar mit 1:0 in Führung, doch die Hypothek des frühen Platzverweises erwies sich in der Folge als zu gross. Ajax machte in der zweiten Halbzeit aus dem 0:1 noch einen 3:1-Sieg und fügte dem BVB damit auch im zweiten Duell eine empfindliche Niederlage zu.
Die streng gepfiffene Rote Karte von Schiedsrichter Oliver, der im EM-Viertelfinal gegen Spanien schon Remo Freuler für ein ähnliches Vergehen vom Platz gestellt hatte, sorgte sofort für hitzige Diskussionen. «Für mich ist das niemals eine Rote Karte», sagte Experte Mladen Petric in «Blue»-Studio und erhielt auch die Zustimmung seiner Kollegen Rolf Fringer und Marcel Reif.
«Ich glaube, dass er da in der Premier League nicht einmal Gelb geben würde. Und dann gibt er in einem anderen Wettbewerb die Rote Karte. Da fehlt mir jegliches Verständnis», wurde DAZN-Experte Sandro Wagner deutlich und Bastian Schweinsteiger twitterte «#NeverARedCardForHummels».
— Bastian Schweinsteiger (@BSchweinsteiger) November 3, 2021
Auch die Regel-Experten vom Schiedsrichter-Blog «Collinas Erben» hielten den Platzverweis für den falschen Entscheid. «Rot ist aus meiner Sicht viel zu hart. Hummels kommt zwar mit hohem Tempo und Risiko angerauscht, das rechte Bein ist in der Luft, der Ball wird nicht gespielt. Aber das Trefferbild und die Intensität sind nicht so hoch, dass sie einen Feldverweis rechtfertigen», schrieben sie auf Twitter.
Zu #BVBAJA: Rot ist aus meiner Sicht viel zu hart. Hummels kommt zwar mit hohem Tempo und Risiko angerauscht, das rechte Bein ist in der Luft, der Ball wird nicht gespielt. Aber das Trefferbild und die Intensität sind nicht so hoch, dass sie einen Feldverweis rechtfertigen. (1/2) pic.twitter.com/3VYBgfk5GT
— Collinas Erben (@CollinasErben) November 3, 2021
Die Eingriffsschwelle für den VAR ist bei der UEFA aber sehr hoch, gerade bei bewerteten Szenen. Das hohe Tempo und das Bein über dem Boden könnten hier wegen der damit verbundenen Gefahr ausschlaggebend für den Nicht-Eingriff gewesen sein, trotz des Trefferbildes. (2/2)
— Collinas Erben (@CollinasErben) November 3, 2021
Hummels selbst war nach dem Schlusspfiff noch immer total frustriert und liess bei DAZN ordentlich Dampf ab: «Ich hab keine Ahnung, wie man Rot geben kann, muss ich ehrlich sagen», sagte er und schüttelte den Kopf. «Ich hab keine Ahnung, wie man als Schiedsrichter auf angeblichem Champions-League-Niveau auf die Idee kommen kann, da Rot zu geben.»
Er habe noch gehofft, durch VAR-Überprüfung doch noch im Spiel bleiben zu können – Antony habe schliesslich ihn berührt, nicht umgekehrt: «Ich bin auch direkt drauf geblieben, weil ich gemerkt hatte, dass er mir auf die Wade steigt. Ich hab gesagt: Die sollen sich das jetzt anschauen, dann muss er mir Gelb geben, damit er nicht ganz doof dasteht mit seiner Entscheidung. Als er bei Rot geblieben ist, war ich völlig ungläubig.»
Hummels sprach weiter Klartext: «Für mich eine absurde Fehlentscheidung. Der Schiedsrichter hat das Spiel heute entschieden, und ich glaube, er weiss es.» Dann atmete er kurz durch – und nahm sich Amsterdams Antony vor: «Ein Punkt, den ich noch hinzufügen möchte: Die Schauspielerei meines Gegenspielers sollte man nicht ausser Acht lassen, das war grob unsportlich.» Beim Blick auf die Wiederholung der Szene erklärte Hummels weiter: «Man sieht ja: Er fällt, dann guckt er hoch und nimmt dann noch mal Tempo auf und dreht sich noch dreimal.»
Und Hummels weiter: «Antony kommt witzigerweise noch selbst zu mir und sagt, dass es keine Rote Karte war.» Dass der Brasilianer dann nicht zum Unparteiischen ging, um die Situation zu klären, mache er ihm nicht zum Vorwurf. Der Grund: «Sorry, das muss der Video-Schiedsrichter, falls er das beruflich macht, selber sehen. Ich gehe davon aus, dass das ein hauptberuflicher Schiedsrichter war.» Für Antony hatte Hummels dann noch ein paar nette Worte: «Er ist ein super Fussballer. Jetzt muss er nur noch lernen, Sportler zu werden, dann wird er vielleicht noch besser.»