12,5 Millionen Umsatz, 14 Millionen Verlust und ein Mann vom «Blick»
Martin Blasers Mission als neuer Macher beim FC Lugano wird eine offizielle, allseits abgesegnete, transparente und gefreute Sache. Amerikanisches Geld, emmentalische Integrität und lateinisches Temperament werden unseren Klubfussball aufmischen.
Der Marketing-Spezialist Martin Blaser ist jedoch nicht der erste Mann aus dem grössten Schweizer Medienkonzern, der eine aktive Rolle im helvetischen Klubfussball übernimmt.
Aber wir wissen nicht, wer der erste war. Warum nicht? Weil nur der Klub – GC – und das exorbitante Gehalt des Mannes, nicht aber sein Name offiziell bekannt sind. Es handelt sich um eine höchst interessante und amüsante Geschichte aus der «Halbwelt» unseres Klubfussballs.
In der kurzweiligen Autobiographie des 2004 im Alter von 79 Jahren verstorbenen GC-Mäzen Werner H. Spross («Mein Weg nach ganz oben») – sehr lesenswert und über weite Strecken fast ein Pamphlet und mit einem geschwärzten Abschnitt (!) – lesen wir im 10. Kapitel («Das Ende des GC-Trauerspiels») ab Seite 110:
Zum ersten Mal überhaupt begann ich mich einzumischen und darum zu kümmern, wie der Verein eigentlich finanziell im Detail geführt wurde. Schliesslich hing ich mittlerweile mit Rechten an Spielern sowie in Form von zinslosen Darlehen und Salärvorschüssen mit gut zehn Millionen Franken drin.
Ich verlangte Einsicht in die Bücher und schickte auf eigene Kosten einen Buchprüfer vorbei, einen hoch qualifizierten Mann, der seit 25 Jahren bei einer der weltgrössten Revisionsgesellschaften arbeitet.
Der Controller ist dann schier aus den Schuhen gefallen: Was er vorfand, war die absolute Katastrophe. Der Grasshopper Club wurde auf jede mögliche Weise geführt, bestenfalls wie ein schlecht geleiteter Drittligaclub, nur nie wie eine Aktiengesellschaft.
Die Verantwortlichen waren doch tatsächlich imstande, in einem Jahr 14 Millionen Franken rückwärts zu machen. Und das bei einem Umsatz von zwölfeinhalb Millionen Franken!
Und dann die Löhne! Obwohl in dem kleinen Unternehmen kein Geld vorhanden war und jährliche Verluste in zweistelliger Millionenhöhe eingefahren wurden, bezogen ausnahmslos alle fürstliche Gehälter.
Ein Direktörchen holte mehr als 300'000 Franken im Jahr ab. Ebenso ein früherer Redaktor des ‹Blick›, von dem niemand genau wusste, was er eigentlich tat.»
Von wegen «das Ende des Trauerspiels:» Die unendliche GC-Saga
Und weil es so amüsant ist, noch ein paar Zeilen mehr:
Dann folgt ein eingeschwärzter längerer Abschnitt und weiter geht’s im Text:
Wer war der ehemalige «Blick-Redaktor», der bei GC Ende der 1990er Jahre ein Bundesratsgehalt von 300'000 Franken im Jahr kassierte und von dem niemand wusste, was er eigentlich tat? Wir wissen es leider nicht und auch wenn inzwischen über 20 Jahre vergangen sind und Gras über die Sache gewachsen ist, so wollen wir weder grübeln noch spekulieren.
Was wir daraus lernen: Was auch immer Martin Blaser als hochrangiger Ringier-Mann in Lugano vorfinden wird – so schlimm wie damals Ende des letzten Jahrhunderts bei GC wird es sicher nicht sein.
Und es ist wahrlich eine Ironie der Fussballgeschichte, dass damals der wohl berühmteste Fussballklub der Deutschschweiz in der finanziellen Not einen italienischen Zahlenakrobaten holte. Und nun der wohl berühmteste Fussballclub des Tessins in der Not sein Schicksal einem durch und durch integren Emmentaler aus dem Hause Ringier anvertraut. Wobei: Martin Blaser wird wahrscheinlich in Lugano weniger verdienen als damals der «Blick»-Redaktor bei GC.
Ach, mögen die grossen Zeiten des FC Lugano wieder aufleben und der erste Titel seit 1949 Wirklichkeit werden. Unvergessen bleibt das Frühjahr 1968, als GC, der FCZ und Lugano nach Abschluss der Meisterschaft punktgleich an der Spitze lagen (26 Spiele/38 Punkte). Es musste eine Meisterrunde veranstaltet werden (jeder gegen jeden), die der FCZ vor GC und Lugano gewann.
Damals musste weder bei GC die Welt durch einen italienischen Zahlenkünstler noch jene von Lugano durch einen Emmentaler in Ordnung gehalten werden.
P.S. Ich sollte bei Gelegenheit Ex-Präsident Stephan Anliker mal fragen, ob es eigentlich bei GC immer noch so zu und hergeht wie während der «Ära Spross».
