Auch wenn Cristiano Ronaldo mit 37 Jahren noch topfit aussieht, neigt sich die Karriere des Portugiesen dem Ende zu. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, um noch viele Titel zu sammeln. Das hat er offenbar auch realisiert. Die Jagd auf einen Pokal will er aber nicht aufgeben: Ronaldo will seinen sechsten Champions-League-Triumph.
Der Mittelstürmer hat den «Henkelpott» fest im Visier – und will daher Manchester United verlassen. Denn die «Red Devils» spielen in der kommenden Saison nur in der Europa League. Doch ein Wechsel gestaltet sich problematischer, als es der Europameister von 2016 erwartet hatte. Er steckt in der Sackgasse.
«Es ist ein Traum, der wahr wird, nach all den Jahren, in denen ich wiederkam, um gegen United zu spielen. Und selbst als Gegner habe ich so viel Liebe und Respekt von den Fans gefühlt. Das ist zu 100 Prozent der Stoff, aus dem Träume gemacht werden.» Mit diesen Worten meldete sich Cristiano Ronaldo am 31. August 2021 zu Wort. Kurz vor dem Ende der Transferperiode war er von Juventus Turin nach Manchester gewechselt. Zurück zu dem Klub, der ihn zum Superstar machte. Mit dem er seine erste Champions-League-Trophäe gewann. Wo er zum ersten Mal den Ballon d'Or als bester Fussballer der Welt erhielt. Die Fans hofften auf Titel und Tore am Fliessband.
Doch ein Jahr später hat Manchester United weder neue Pokale in den Vitrinen stehen noch hat Cristiano Ronaldo die Konkurrenz in der Premier League in Schockstarre versetzt. Statt der Meisterschaft mit ihrem heimgekehrten Helden als Torschützenkönig bekamen die Fans der «Red Devils» einen sechsten Platz mit 18 Ronaldo-Toren zu sehen. Zufrieden war damit niemand. Besonders Ronaldo nicht.
Im Sommer machte er über seinen Berater Jorge Mendes klar: Er will weg aus Manchester. Der erfolgshungrige Mittelstürmer hat keine Lust auf die Europa League und will keine weitere Saison ohne Titel. Und die soll er laut Medienberichten befürchten. Demnach hält er den Kader Uniteds für zu schwach.
Das Problem: Er hat noch Vertrag bis 2023. Manchester hat die Zügel in der Hand und Erik ten Hag, der neue Trainer des Teams, will ihn in seinem Kader haben. Vor zwei Wochen sagte der Niederländer: «Wir planen mit Cristiano Ronaldo für diese Saison und das war's. Ich freue mich darauf, mit ihm zu arbeiten.»
Wenige Tage später wiederholte er die gleiche Aussage in anderen Worten. «Ich habe meine Forderungen gestellt. Cristiano Ronaldo ist unverkäuflich. Ich habe mit ihm geplant und freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm», zitiert ihn die «Daily Mail.»
Ten Hag hat sich das Ziel gesetzt, Ronaldo umzustimmen. Doch lange war unklar, ob er überhaupt die Chance dazu bekommt. Denn bei der Werbetour Manchester Uniteds durch Thailand und Australien fehlte er aus privaten Gründen. Schnell verbreitete sich das Gerücht, diese seien nur erfunden und in Absprache mit dem Klub kommuniziert worden, um einen Wechsel schneller über die Bühne zu bringen.
Zu diesem Gerücht bezog Landsmann und Teamkollege Bruno Fernandes im «Daily Mirror» Stellung: «Ich weiss nicht, was in seinem Kopf vorgeht. Ich habe ihn nicht gefragt, ob er gehen will. Das einzige, was ich Cristiano gefragt habe, als er nicht erschienen ist, ist, ob mit seiner Familie alles okay ist. Er hat mir erzählt, was passiert ist und das war's.»
Während Ronaldo sich um seine privaten Probleme kümmerte, war Berater Jorge Mendes auf dem Transfermarkt aktiv. Der 56-Jährige bot Ronaldo bei vielen Topklubs an. Laut «Le Parisien» ging eine Anfrage bei Paris Saint-Germain ein. Auch der FC Chelsea galt laut «The Athletic» als Kandidat. Selbst der FC Bayern wurde genannt. Doch Vorstandschef Oliver Kahn sagte ab. «So sehr ich Cristiano Ronaldo als einen der Grössten schätze: Ein Transfer würde nicht in unsere Philosophie passen», zitierte ihn der «Kicker». Mit keinem der Klubs kam es zur Einigung.
Die Gründe für die Absagen sind sowohl finanzieller als auch sportlicher Natur. In Manchester soll Ronaldo umgerechnet knapp 30 Millionen Euro brutto pro Jahr verdienen. Ein Gehalt, das sich nur wenige Spitzenklubs leisten können. Zum Vergleich: Bayerns Topverdiener wie Manuel Neuer streichen rund 20 Millionen Euro jährlich ein.
Es ist das Preis-Leistungs-Verhältnis, das einfach nicht mehr passt. Denn auch wenn «CR7» einer der besten Spieler der Fussballgeschichte ist, ist ihm das Alter anzumerken. In der Saison 2017/18 schoss Juventus Turin 86 Tore in der Serie A. Dann verpflichteten sie Ronaldo. In den drei Jahren mit ihm waren es 70, 76 und 77 Tore. 2020/21 erzielte Manchester United 73 Tore in der Premier League. Im vergangenen Jahr mit Ronaldo waren es 57.
Das Spiel auf den Portugiesen auszurichten, war einst das Erfolgsrezept von Real Madrid. Inzwischen führt diese Taktik nicht mehr zu Titeln. Das haben auch die anderen Topklubs bemerkt. Auch läuferisch kann der 37-Jährige einfach nicht mehr auf höchstem Niveau mithalten. Der Datenanbieter «StatsBomb» verglich Ronaldos Werte in der abgelaufenen Saison mit allen anderen Feldspielern – ausgenommen Innenverteidigern – der fünf Top-Ligen Europas. Das Ergebnis: Kein Spieler presste den Gegner pro 90 Minuten so selten wie der Superstar der «Red Devils».
Cristiano Ronaldo made the fewest Pressures per 90 minutes in the Big 5 leagues this season (6.2)(minimum 1200 minutes, excluding goalkeepers and centre backs) pic.twitter.com/fxDI5DPPA3— StatsBomb (@StatsBomb) June 7, 2022
Im heutigen Fussball, der bei fast allen Spitzenteams auf ein intensives Pressing und Gegenpressing in allen Bereichen des Spielfelds setzt, sind Ronaldos Werte kontraproduktiv.
Erik ten Hag fordert von seinen Spielern ebenfalls ein permanentes Anlaufen. Wenn es nach ihm geht, macht das Team «den ganzen Tag Druck, und wenn wir können, machen wir das weit vorne auf dem Spielfeld.» Weit vorne, dort, wo Ronaldo spielen soll. Nur: Wird er dort spielen? Die Frage kann wohl weder ten Hag noch Ronaldo selbst beantworten.
Mehr Gewissheit gibt es hingegen, was Ronaldos Aufenthaltsort angeht. Denn seit Montagabend ist «CR7» wieder in Manchester. Das berichten «The Athletic» und der italienische Journalist Fabrizio Romano übereinstimmend. Seine Rückkehr wird bei United demnach als «positives Zeichen» wahrgenommen. Die Hoffnung auf eine Kehrtwende wächst. Denn ohne das Interesse anderer Klubs kommt Ronaldo nicht aus der Sackgasse.
Die Frage ist nur, wann es zu solch einer Kehrtwende kommen könnte. Denn das Transferfenster ist noch bis zum 1. September geöffnet und der wechselwillige Torjäger könnte mithilfe seines Beraters weiter einen Wechsel forcieren. Bekanntlich passiert gerade in den letzten Tagen und Wochen noch immer viel. Die Frage ist nur, ob Ronaldo damit nicht die Geduld seines Trainers aufs Spiel setzen würde. Und dann könnte es im Falle eines Verbleibs eine ungemütliche Saison für den fünfmaligen Weltfussballer werden.