Während dem EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien sorgte gestern eine Drohne mit albanischer Flagge für den Spielabbruch.
Nach dem Vorfall sollen Spieler wie auch Zuschauer handgreiflich geworden sein.
Amir Abrashi beschreibt der Sportinformation SI am Tag danach, wie er den Vorfall erlebt hat: «Ich glaubte zuerst einmal, über uns schwebe ein Werbebanner. Erst als ich den Aufdruck der Fahne erkannte und die heftige Reaktion der Fans hörte, begriff ich, um was es ging.»
Der GC-Spieler weiter: «Von allen Seiten stürmten Leute heran. Die Situation war äusserst gefährlich. So etwas habe ich nie zuvor erlebt. Wir wurden mit faustgrossen Steinen beworfen. Unser einziges Ziel war eigentlich nur noch, irgendwie heil die Kabine zu erreichen. Es hätte noch viel mehr passieren können. Zum Glück blieb es bei einigen Schrammen.»
Der schweizerisch-albanische Doppelbürger fordert nun Konsequenzen: «Es kann nicht sein, dass wir in einem Spiel der EM-Qualifikation um unsere Sicherheit bangen müssen. Das muss Konsequenzen haben!» Es sei höchst bedauerlich, nach einem fast perfekten Start zur Kampagne so gestoppt zu werden. «Wir spielten bis zum Abbruch erneut sehr gut.»
Taulant Xhaka, der in der Schweiz beim FC Basel spielt, äusserte sich am Morgen via Facebook: «Uns Spielern geht es allen gut, es ist so schön, Albaner zu sein!»
Taulant Xhaka, injured his nose and right eye. Attacked by Serbian players and fans. #SerbiavsAlbania pic.twitter.com/ER6V6EHMLi
— Petrit (@PetritMusliu) 15. Oktober 2014
Bruder Granit, mit dem watson nach dem San-Marino-Sieg am Flughafen kurz sprechen konnte, schockierten die Ereignisse: «Das ist Wahnsinn und hat mit Fussball nichts mehr zu tun. Als ich nach unserem Spiel in die Kabine gekommen bin, war mein Handy voll mit Nachrichten. Es war vieles zu erwarten, aber nicht, dass es so über die Grenze geht.» Granit habe kurz mit seinem Bruder telefoniert: «Er war geschockt. Er hat keine ernsthaften Verletzungen. Und das, obwohl sie mit Steinen und Stühlen beworfen worden sind.» Xherdan Shaqiri wollte sich zu den Vorfällen nicht äussern.
Ermir Lenjani vom FC St.Gallen schreibt nach dem Spiel einige Zeilen mehr, es handelt sich hierbei aber wohl um ein zitiertes Gedicht, welches ungefähr soviel bedeutet:
«Angriff und Feuer von allen Seiten. Serbien wurde vom Löwen erschüttert, der Adler über der Schlange hat alle verrückt gemacht. Ihr konntet uns im Spiel nicht besiegen, also habt ihr euch den Krieg zur Hilfe genommen. Unsere Flagge auf dem Boden hat in euren Händen nichts verloren. Es war Nacht, die Sonne ist aufgegangen, denn Adler kommen von oben.»
Auch der albanische Captain, Lorik Cana, beteuert, dass offenbar alle Spieler ohne Verletzungen davon gekommen sind: «Uns geht es gut, es ist so schön, Albaner zu sein. Den Albanern wird nie etwas passieren. Wir erwarten, dass wir das Spiel – falls es wiederholt wird – in Ruhe bestreiten können. Fussball wurde erfunden, um zu spielen und zuzuschauen und nicht für solche Szenen», vermeldet der Lazio-Legionär über Facebook.
Die Albaner seien nachts um 3 Uhr in der Heimat gelandet und wurden dort von tausenden Fans empfangen.
Die Vorfälle in Serbien beschäftigen natürlich auch die albanischen Medien:
Aus serbischer Sicht sieht das Ganze natürlich anders aus. Der Kurir jubelt Stefan Mitrovic hoch: «Das ist ein serbischer Held: Stefan Mitrovic holt die albanische Flagge auf den Boden.»
Serbiens Kapitän Branislav Ivanovic wird in der Bild so zititiert: «Wir wollten weiterspielen, aber die albanischen Spieler sahen sich körperlich und psychisch nicht in der Lage dazu. Es ist bedauernswert, dass der Fussball heute nicht im Vordergrund stand.»
Der serbische Blic hat nicht nur die Ausschreitungen beobachtet, sondern auch, wie die Kicker seiner Nation die Albaner «trotz Provokation gar beschützt haben» und spricht von einer «Lektion der Ehre». Die Spieler hätten mit Stolz gehandelt. Aleksander Kolarov, Danko Lazovic oder Lazar Markovic sind auf Bildern zu sehen, wie sie Fans davon abhalten auf albanische Spieler loszustürmen.
Football should never be used for political messages. I strongly condemn what happened in Belgrade last night
— Joseph S Blatter (@SeppBlatter) 15. Oktober 2014
Das Sportski zurnal fragt sich derweil, wie es weitergeht. Die UEFA muss entscheiden, wie das Spiel gewertet wird. Serbien hatte erst gerade 2011 nach Ausschreitungen in Genua gegen Italien eine zweijährige Bewährungsprobe erhalten. Diese ist allerdings abgelaufen. Ein 3:0-Forfaitsieg für Albanien sei trotzdem unwahrscheinlich, obwohl Serbien als Gastgeber verantwortlich für die Sicherheit ist. Da die ursprüngliche Provokation aber von den Albanern ausging, ist auch möglich, dass sie bestraft und eine Forfaitniederlage aufgebrummt bekommen.
Ebenfalls möglich: Die Partie wird mit «0:0 ohne Punkte» gewertet. Wahrscheinlichere Möglichkeiten sind eine Neuansetzung auf neutralem Boden oder gar erneut in Belgrad. Dann aber wohl sicher vor leeren Rängen. Mit Bussen dürften beiden Verbände rechnen müssen.
Der UEFA-Delegierte Harry Been wollte sich nicht zur Schuldfrage äussern. Man wolle die Berichte der Beteiligten erst abwarten. Er hielt aber fest: «Das ist eine bedauerliche Situation. Die Umstände liessen eine Fortsetzung des Spiels nicht zu.»
Auch ein Seitenhieb Richtung UEFA kann sich das Blatt nicht verkneifen. Der Europäische Fussballverband hätte das Aufeinandertreffen der beiden Länder verhindern können. Wegen politischen Bedenken hatte die UEFA bei der Auslosung Spiele zwischen Spanien und Gibraltar sowie Armenien und Aserbaidschan ausgeschlossen. Granit Xhaka sieht dies ähnlich: «Bei allem Respekt, die UEFA muss sich überlegen so eine Begegnung in Zukunft zu verhindern.»