Gestern war der Tag nach der 0:1-Niederlage gegen Brasilien. Für die meisten Schweizer Nationalspieler stand Erholung auf dem Programm. Das Ziel: Möglichst wieder fit werden für das Endspiel am Freitag gegen Serbien. Es ist die Partie, die darüber richtet, wie diese WM aus Schweizer Sicht in Erinnerung bleibt.
Normalerweise gehört auch Xherdan Shaqiri zu jenen Akteuren, die im Anschluss an ein Spiel etwas relaxen dürfen. Klar, schliesslich ist ein Schweizer WM-, oder EM-Spiel ohne Shaqiri seit einer gefühlten Ewigkeit undenkbar. Seitdem er an der WM 2010 gegen Honduras auf der grossen Bühne debütierte, hat Shaqiri kein einziges Endrunden-Spiel mehr verpasst - bis eben am letzten Montag gegen Brasilien.
Darum sind die Augen nun auf ihn gerichtet. Kehrt er gegen Serbien zurück? Die Frage geht an Pierluigi Tami, Sportdirektor des Schweizer Nationalteams. Die Zuversicht ist gross. «Es sieht gut aus», sagt er, «aber Gewissheit werden wir erst später haben.» Vielleicht schon heute Mittwoch nach einem weiteren Training, an dem Shaqiri wieder voll teilnehmen will. Gestern absolvierte er zusammen mit Noah Okafor noch ein Spezialprogramm.
Die Frage nach Shaqiri ist für Tami so etwas wie eine willkommene Ablenkung zwischendurch. Denn das grosse Thema ist ein anderes. Wird das Spiel Schweiz gegen Serbien erneut überschattet von Nebenschauplätzen? So, wie das an der WM 2018 der Fall war? Die Erinnerung an die serbischen Provokationen, die helvetischen Doppeladler-Jubel und die Unruhe im Anschluss sind nicht vergessen.
Tami ist sich dessen bewusst. Natürlich, schliesslich, es ist in der Zwischenzeit fast ein wenig vergessen gegangen, gibt es seinen Job des Sportdirektors nur wegen dieses Spiels Schweiz-Serbien an der WM 2018. Der Schweizerische Fussballverband beauftragte die Firma der ehemaligen FCB-Führung um Präsident Bernhard Heusler und Sportchef Georg Heitz mit der Durchleuchtung dieser WM-Kampagne. Eine Erkenntnis: Hätte es einen Sportdirektor gegeben, so hätte dieser korrigierend eingreifen können.
Da steht er nun also, der Sportdirektor Tami, blaues Shirt, schwarze Hose, es ist die Schweizer Trainingskluft, die Sonnenbrille in die Turnier-Akkreditierung eingehängt. Immer wieder fährt er sich mit der Hand über die Stirn, um die Schweisstropfen wegzuwischen. Man könnte meinen, er wird durch das Fragen-Bombardement immer weiter in die Enge getrieben, bis der Körper Alarmsignale aussendet.
Aber so ist das nicht. Allein die Hitze in einem für einmal nicht vollklimatisierten Raum macht Tami zu schaffen. Er selbst hat eine klare Message mitgebracht, die er während seines 17-minütigen Auftritts ständig wiederholt. «Wir haben einen einzigen Job: An dieser WM erfolgreichen Fussball zu spielen. Damit wollen wir Schweizer Fussballgeschichte schreiben. Alles andere interessiert uns nicht.»
Tami gelingt es tatsächlich, in seinen Antworten sämtliche Reizworte zu vermeiden. Als wäre er ein kleines Kind, das am Esstisch um jeden Preis Fluchwörter vermeidet, weil es sonst zur Strafe die Küche aufräumen muss.
Bisweilen hört sich das Frage-Antwort-Spiel dann so an: Wird sich die Geschichte von 2018 wiederholen? «Wir wollen unsere eigene Geschichte schreiben.» Warum wird es diesmal keine Nebengeräusche geben? «Weil wir uns auf den Fussball konzentrieren.» Sind Sie überzeugt, dass dies allen Spielern gelingt? «Es ist so. Für uns gibt es heute nur das Training von heute. Und morgen nur das Training von morgen.» In der serbischen Garderobe hing eine Flagge mit Besitzanspruch des Kosovo, glauben Sie, es wird weitere Provokationen geben? «Uns interessiert nicht, was die anderen machen.» Sind Sie zu 100 Prozent sicher, dass keiner der Schweizer den Doppeladler zeigt? «Ich denke nicht daran, was passieren könnte. Ich schaue auf die Gegenwart. Und das heisst: Wir bereiten einen kapitalen Match vor, in dem wir uns für den WM-Achtelfinal qualifizieren können.»
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Tami wiederholt, was er CH Media schon im September sagte. Im Mai dieses Jahres gab es ein Treffen des Schweizerischen Fussballverbands (Präsident Blanc und Generalsekretär Breiter) mit den Kollegen aus Serbien. «Dabei haben beide Verbände betont, dass es an der WM um Fussball gehen wird.»
Daneben hat er zusammen mit Kommunikationsdirektor Adrian Arnold und Nationaltrainer Murat Yakin die Spieler sehr wohl darauf hingewiesen, welches Verhalten sie während der WM von ihnen erwarten. Dass politische Gesten nicht auf den Platz gehören, zum Beispiel. Also auch kein Doppeladler.
2019 hat Pierluigi Tami seinen Job angetreten. Er hat schon einige Herausforderungen gemeistert. Sei es in der Zusammenarbeit mit Vladimir Petkovic. Oder bei der Suche nach einem Nachfolger für den abgewanderten Erfolgstrainer der Nati. Doch dieses Spiel am Freitag jetzt, es ist für ihn die grösste Herausforderung. (aargauerzeitung.ch)
Unnötig, wie ich finde.
Spannend finde ich einzig, dass auch diese beiden (Schweiz-)"Kosovaren" eine albanische Geste machen, wo man sich doch stehts als eigenständige Nation inszenieren will.