2010 war es Thomas Müller, 2014 James Rodriguez und 2018 Kylian Mbappé. Immer wieder drücken junge Spieler Weltmeisterschaften ihren Stempel auf und katapultieren sich ganz oben auf die Wunschzettel der europäischen Topklubs – wenn sie nicht bereits bei einem solchen unter Vertrag stehen. An der WM in Katar ist dieser Spieler der Niederländer Cody Gakpo. Im dritten Gruppenspiel gegen Katar erzielte der 23-jährige Flügelspieler seinen dritten Treffer.
Damit ist er der erste niederländische Fussballer, der in jeder seiner ersten drei WM-Partien ein Tor erzielte. Und plötzlich steigt das ohnehin grosse Interesse am Star von PSV Eindhoven ins Unermessliche. Mehrere Premier-League-Klubs, darunter Manchester United und Liverpool, wollen den variabel einsetzbaren Offensivspieler bereits im Winter verpflichten. Gakpo fühlt sich von den Gerüchten geschmeichelt – zeigt sich aber gleichzeitig unbeeindruckt.
Am Montag sagte er: «Es ist immer schön, von diesem Interesse zu hören.» Doch aktuell liege sein Fokus auf der WM. Und am Dienstag bewies er, dass dies mehr waren als nur leere Worte. Mit seinem Tor zog er mit Kylian Mbappé und Ecuadors Enner Valencia an der Spitze der Torschützenliste gleich.
Gakpos Durchbruch auf höchstem Level kommt nicht von ungefähr. In 14 Ligaspielen in dieser Saison erzielte der PSV-Profi neun Tore und bereitete zwölf weitere vor, in der Europa League lehrte er mit drei Skorerpunkten beim 5:1-Erfolg im Letzigrund nicht nur den FCZ das Fürchten. Auch beim 2:0-Heimsieg gegen Arsenal liess er sich einen Assist gutschreiben.
Der Sohn einer Niederländerin und eines Togolesen wurde am 7. Mai 1999 in Eindhoven geboren und wechselte im Alter von acht Jahren in die Jugend von PSV. Elf Jahre später kam er zu einem ersten Kurzeinsatz bei den Profis, doch erst im Alter von 20 Jahren konnte er sich in der Startaufstellung etablieren. Von da an konnte ihn kaum noch etwas stoppen – auch nicht wiederkehrende Verletzungen in seiner Jugend.
Im Gespräch mit The Athletic sagt sein früherer Junioren-Trainer Twan Scheepers: «Er war von Anfang an brillant. Und er wollte immer mehr.» Gakpo habe häufig getroffen – auch mal zweistellig –, doch er dachte immer darüber nach: «Wie kann ich noch mehr Tore schiessen? Wie kann ich mich technisch oder läuferisch verbessern?» Irgendetwas habe Gakpo immer gefunden, das er besser machen wollte. Es ist diese Einstellung, die den ein Jahr jüngeren Erling Haaland so erfolgreich macht. Mit 30 Torbeteiligungen für seinen Klub überflügelt Gakpo die 26 Skorerpunkte des norwegischen Stürmers von Manchester City gar noch.
Die Einstellung habe Gakpo von seinen Eltern. Der Vater spielte selbst einmal Fussball, die Mutter war niederländische Nationalspielerin im Rugby. Scheepers sagt: «Seine Eltern wussten, wie ein Profi zu leben hat, aber auf eine gemässigte Art.» Sie hätten ihn ausgezeichnet gecoacht, aber ihm nie zu viel Druck gemacht. «Sie wollten, dass er Spass hat und das Spiel geniesst.» Dies begleite Gakpo bis heute.
Mit seiner Körpergrösse von 1,89 Metern ist Gakpo ungewöhnlich gross für seine Position – und trotzdem steht er anderen in technischer und spielerischer Hinsicht in nichts nach. Die Grösse nutzt er eher zu seinem Vorteil, wie der Kopfballtreffer gegen Senegal gezeigt hat. Doch zwischenzeitlich habe ihn diese gestört. «Er war wütend, weil er nicht mehr tun konnte, was er vor dem Wachstumsschub konnte.» Er musste einige Dinge erst wieder lernen. Seine Entschlossenheit und sein Durchhaltevermögen haben ihm in dieser Phase geholfen.
Vieles hat er sich dabei auch von Frankreich-Legende Thierry Henry abgeschaut, wie Gakpo in einem Interview mit The Times sagt: «Er war eher ein Stürmer, aber er war auch gross und spielte gerne über die Flügel.» Besonders eine Aktion habe er sich bei Henry abgeschaut: «Wie er von links reinzieht und dann mit rechts schiesst. Ich weiss nicht, ob es funktioniert, aber ich habe versucht, ihn ein wenig zu kopieren.» Dass es funktioniert, musste Katar beim Führungstreffer der Niederländer schmerzhaft feststellen.
Mit diesem Erfolgsrezept will Gakpo die Niederlande aber weiterbringen als nur in den Achtelfinal, wo die «Oranje» am Sonntag auf die USA trifft. Doch er ist auch mit dem linken Fuss und dem Kopf gefährlich, wie er bei seinen anderen beiden Toren an der WM gezeigt hat. Wenn Gakpo weiter so erfolgreich auftritt, darf die Niederlande sogar vom ganz grossen Wurf träumen. Und dann erst kümmert sich das Objekt der Begierde um die Verhandlungen mit den Interessenten aus der Premier League.