Schweden. Warum schon wieder Schweden? Die Skandinavier haben der Schweiz im Sport schon manche empfindliche Niederlage zugefügt. Da war die Niederlage im Final der Eishockey-WM 2013. Die Niederlage im Final der Eishockey-WM 2018. Die Niederlage im Achtelfinal der Fussball-WM 2018. Oder der Olympia-Slalom der Frauen bei den Winterspielen – natürlich im Jahr 2018 –, wo Frida Hansdotter Wendy Holdener die Goldmedaille hauchdünn wegschnappte. Der Schweden-Fluch war in aller Munde.
Und nun wollen diese verflixten Schweden der Schweiz also auch in der Qualifikation für die WM 2026 in Nordamerika ein Bein stellen. Die Tre Kronor wurde als gefährlichster Gegner der Nati auserkoren. Kein Wunder, gerade der Sturm der Schweden ist beeindruckend. Da bündeln sie die Kräfte von Liverpool-Knipser Aleksander Isak, Arsenal-Star Viktor Gyökeres und Newcastle-Flügelflitzer Anthony Elanga.
Und dann das: Während die Schweizer zum Start der WM-Quali brillieren, stottert der schwedische Motor. Ein 2:2-Unentschieden gegen Slowenien und gestern eine überraschende 0:2-Pleite auswärts im Kosovo. Nur ein Punkt und damit schon fünf Zähler Rückstand auf die Nati.
Der Schuldige bei den schwedischen Fans ist schnell gefunden: Trainer Jon Dahl Tomasson. Ausgerechnet ein Däne steht bei der Tre Kronor an der Seitenlinie, einer vom grossen Erzrivalen. Der 49-Jährige übernahm Schweden im März 2024 und sollte das Land nach dem Verpassen der WM in Katar und der EM in Deutschland zurück an die grossen Turniere führen. In der Nations League schaffte er den Aufstieg in die Liga A (in einer zugegebenermassen schwachen Gruppe mit der Slowakei, Estland und Aserbaidschan).
Tomasson – oder JDT, wie sie ihn in Schweden nennen – will attraktiven, offensiven Fussball spielen lassen. Er stellte das System um auf eine Dreierkette in der Verteidigung, um das Spiel nach vorne mit einem breiten Mittelfeld und Doppelsturm anzukurbeln.
Seit dem Nations-League-Aufstieg läuft aber längst nicht mehr alles rund. Eine Niederlage in einem Testspiel gegen Luxemburg, ein knapper 4:3-Sieg gegen Algerien und nun der missglückte Auftakt in die WM-Qualifikation haben gezeigt: Schweden ist verwundbar. Die Dreierkette mit Isak Hien, Hjalmar Ekdal und Gabriel Gudmundsson ist extrem anfällig auf schnelle Gegenangriffe. So kassierte Tomassons Team die Tore gegen Slowenien und insbesondere gestern gegen den Kosovo. Immer und immer wieder wurde die Verteidigung vom hohen Tempo der Kosovaren entblösst und dafür auch bestraft. Tomasson wurde von Kosovo-Trainer Franco Foda ausgecoacht.
Und die offensive Dynamik, die Tomasson angepriesen hatte, die wurde wohl am Flughafen in Stockholm vergessen. Die Schweden präsentierten sich ideen- und zahnlos. Kritisiert wird der Trainer auch für seine Goalie-Wahl. Der 35-jährige Robin Olsen hat mit einem Riesenflop das Unentschieden gegen Slowenien eingeleitet. Viele Fans und Experten verstehen nicht, warum er immer den Vorzug gegenüber Viktor Johansson erhält.
Die schwedischen Fans machen nun ihrem Unmut in den sozialen Medien Luft. «Ich will JDT nie mehr auf dem Feld sehen», wird da geschrieben, oder: «Jetzt raus mit dem Dänen.» Ein anderer vermutet gar eine dänische Intrige: «Ich beginne zu glauben, dass dieser dänische Eindringling versucht, unsere Nationalmannschaft zu zerstören.»
Kritik hagelt es aber auch von seriöseren Stellen. Simon Bank, Fussballkolumnist bei der schwedischen Boulevardzeitung Aftonbladet, schiesst scharf gegen den Trainer: «Wir haben einen Idealisten als Nationaltrainer. Es gäbe auch andere Worte dafür.» Jeder wisse von den defensiven Schwächen Schwedens, deshalb habe er kein Verständnis dafür, warum Tomasson auf ein derart unausgeglichenes System setze. «Der Kosovo musste nur zwei Pässe spielen, um zu einer Chance zu kommen. Das war die peinlichste Halbzeit im modernen schwedischen Fussball», kritisiert Bank.
Es gehe um einen Systemfehler, der so gravierend sei, dass es an der Zeit sei, die Konferenzräume im Hauptsitz des schwedischen Fussballverbands zu buchen, schreibt der Experte und deutet damit auf einen möglichen Trainerwechsel hin. Ähnlich – wenn auch etwas zurückhaltender – formuliert Fussball-Expertin Therese Strömberg die Kritik in der Zeitung Expressen: «Es ist nicht unvernünftig, sich zu fragen, ob man nach einer solchen Leistung weitermachen kann.»
Kim Källström, der zwischen 2015 und 2017 bei GC spielte und mittlerweile Nationalmannschaftsdirektor beim schwedischen Verband ist, will davon aber nichts wissen. «Wir glauben an Jon als Nationaltrainer und wir glauben an diese Spieler», sagt der 43-Jährige. Natürlich überlege man ständig, wie man weiter vorgehen soll. Aber: «Meine Aufgabe ist es auch, ruhig zu bleiben, wenn das Boot ein wenig schwankt.»
Auch die Spieler stärken ihrem Trainer den Rücken. Sie hätten Vertrauen in den Trainer, betont Viktor Gyökeres. «Die Niederlage im Kosovo geht nicht auf sein Konto. Wir sind es, die auf dem Platz stehen und spielen», argumentiert Mittelfeldspieler Hugo Larsson.
Und Tomasson selbst? Der versucht auch, Ruhe und Zuversicht zu versprühen: «Es ist ein Rückschlag. Aber wir werden einen Weg zur WM finden.» Der Modus spielt den Schweden in die Karten. Da sie vergangene Saison ihre Nations-League-Gruppe gewonnen haben, spricht viel dafür, dass sie so oder so eine zweite Chance in den WM-Playoffs erhalten werden.
Doch wenn im Oktober auch die Heimspiele gegen die Schweiz und den Kosovo nicht nach Wunsch laufen, dürfte es doch noch ungemütlicher werden für den «dänischen Eindringling» an Schwedens Seitenlinie.