Heidenheims Norman Theuerkauf, gelernter Aussenverteidiger, ist nicht gerade als Torjäger bekannt. Umso beeindruckender war sein frühes 1:0 in der 3. Minute: Der Routinier kam im Strafraum etwa 12 Meter vor dem Tor an den Ball und versenkte diesen herrlich mit dem Aussenrist im Netz. Das Problem dabei: Theuerkauf traf ins eigene Tor. Damit erzielte der Verteidiger einen äusserst wichtigen Treffer für Werder Bremen – für den Verein, bei dem er einst fünf Jahre lang im Nachwuchs gespielt, aber den Sprung in die erste Mannschaft nie geschafft hatte.
Die Relegation ist traditionell ein Zuschauermagnet – damit hätte der noch junge Streamingdienst DAZN, der sich die Rechte an den beiden Spielen erstmals gesichert hatte, weiter Werbung in eigener Sache betreiben können. Dies missglückte über weite Strecken allerdings gründlich. Anstatt der Live-Übertragung war für einige Zuschauer während langer Zeit nur ein rotierender Würfel mit der Aufschrift DAZN zu sehen, andere bekamen eine Fehlermeldung. Dafür hagelte es in den sozialen Medien Kritik am Streamingdienst.
das ist heute ein schwarzer Tag für DAZN, wollt ihr uns eigentlich verarschen ? @DAZN_DE #FCHSVW #DAZN
— Florianus Maximus (@fl_maximus) July 6, 2020
Hm… #DAZN scheint nicht so richtig zu wollen. Statt Anpfiff gibt´s den durchweg rotierenden Würfel. #Relegation
— Daniel Schöberl (@danielschoeberl) July 6, 2020
Aufgrund der Sicherheitsmassnahmen waren in Heidenheim nur wenige Leute im Stadion – umso mehr fielen diejenigen auf, die sich tatsächlich einen Platz ergattert hatten. Besonders auffällig war ein Heidenheim-Fan. Dieser wollte für Stimmung sorgen, indem er ständig mit einer Suppenkelle auf eine Bratpfanne schlug, die er ins Stadion mitgebracht hatte.
Doch die andauernden Schläge gingen vielen TV-Zuschauern schnell auf die Nerven. Auch DAZN-Kommentator Ralph Gunesch konnte seine Irritation nicht verbergen: «In der Bundesliga ist ja alles geregelt. Wie gross die Banner für die Auswärtsblöcke sein müssen und vieles mehr. Ich bin mir sicher, dass es in der kommenden Saison einen Passus gibt, der Küchengeräte im Stadion verbietet.»
Deutsche Vuvuzela. #FCHSVW pic.twitter.com/NRpJH010P4
— Max Philipp Kegler (@maxkegler) July 6, 2020
In der 2. Halbzeit kam es zu einer kuriosen Szene: Plötzlich tauchten 50 Personen auf der Haupttribüne auf und nahmen mit Sicherheitsabstand zueinander Platz. Wer die Leute waren und wie sie einen Weg auf die Tribüne gefunden hatten, war lange unklar – die «Bild» berichtet nun, es habe sich unter anderem um die Frauen und Kinder der Heidenheim-Spieler gehandelt.
Deren Aufenthalt im Stadion war allerdings nur von kurzer Dauer. «Die müssen hier raus!», nervte sich Bremen-Boss Klaus Filbry. Und kurz darauf wurden sie von der Security wieder aus dem Stadion geschickt. Warum die Personen auf die Tribüne gelassen wurden und weshalb sie nur kurze Zeit später direkt wieder weggeschickt wurden, ist aktuell noch unklar.
Mit dem 2:2 von Heidenheim geht in der Relegation eine erstaunliche Serie weiter: Seit mittlerweile elf Austragungen gab es für den Vertreter der 2. Bundesliga keinen Sieg mehr in einem Rückspiel, obwohl er dann jeweils zuhause antreten darf. Letztmals gelang es dem 1. FC Nürnberg im Jahr 2009, als Team aus der zweithöchsten Spielklasse ein Heimspiel zu gewinnen, damals mit einem 2:0 gegen Cottbus. Die zwei einzigen Unterklassigen, die sich seither in der Relegation durchsetzten, schafften dies entweder dank einem Auswärtssieg (Düsseldorf im Jahr 2012) oder dank der Auswärtstor-Regel (Union Berlin im Jahr 2019).
Am Ende fehlte Heidenheim nur ein einziger Treffer zum Aufstieg – dementsprechend gereizt war Trainer Frank Schmidt nach dem Spiel. Auf die Frage von DAZN, wie gross die Enttäuschung sei, nervte sich Schmidt: «Was für ‘ne bescheuerte Frage – Entschuldigung. Wie gross soll die Enttäuschung sein? Wir haben eine grosse Chance gehabt, haben von einer Lebens-Chance gesprochen. Wir sind mega enttäuscht heute. Vor allem, wie es zustande gekommen ist, war extrem schwer für uns. Das ist bitter.»
Es sei eine sehr schwierige Situation, erklärte Schmidt im Anschluss. «Jeder von uns ist enttäuscht, die Spieler am meisten. Wir haben uns in diese Relegation gearbeitet, gekämpft. Wir haben es uns verdient, haben es am Ende nicht geschafft. Dass dann natürlich eine gewisse Leere da ist, ist klar», so der Heidenheim-Trainer.
Ganz anders war die Gefühlslage nach dem Spiel bei Werder Bremen. Nach dem Kantersieg gegen Köln am letzten Spieltag hatten die Bremer ein zweites Mal den Kopf aus der Schlinge gezogen und den Abstieg erneut knapp verhindert. Eine grosse Genugtuung für Trainer Florian Kohfeldt, dessen Mannschaft von einigen schon abgeschrieben worden war. «Wir waren so oft schon tot und nach dem Hinspiel auch nochmal tot. Wir wurden oft totgesagt, unser Charakter wurde in Frage gestellt. Das können wir alles ad acta legen», zeigte sich Kohfeldt nach dem Spiel erleichtert.
Zwar sei die Leistung auch im letzten Spiel nicht besonders gut gewesen, da man die Partie früher hätte entscheiden müssen. Aber: «Weisst du was? Scheiss egal! Wir sind in der Liga. Scheiss Saison, gutes Ende und alles andere besprechen wir jetzt.»