VfL Wolfsburg, Arminia Bielefeld, FC Luzern, FC Zürich, FC Schaffhausen, FC Winterthur – und nun der FC Baden: Warum spielt Francisco Rodriguez, der bereits bei vielen grossen Vereinen war und erst 29 Jahre alt ist, jetzt in der Promotion League – und stellt sich dabei auch noch dem Abstiegskampf?
Wir spulen zurück: Sommer 2024. Nach einer frustrierenden Zeit beim FC Winterthur sondiert Rodriguez den Markt. Dann besucht er in den Ferien auf Mallorca Uli Forte, der dort ein Haus besitzt. Ein kurzer Austausch reicht, und schon steht fest: Der damalige Xamax-Trainer will den Mittelfeldspieler in seiner Mannschaft. Kurz darauf beginnt Rodriguez in Neuenburg die Saisonvorbereitung. Doch nach wenigen Tagen bricht er ab – und verzichtet auf einen neuen Vertrag.
Und das, obwohl er bei Xamax wohl noch ein hohes vierstelliges Gehalt verdienen würde. Das Angebot ist lukrativ, doch für Rodriguez ist das kein Argument mehr. Am 1. Januar 2025 folgt via Social Media ein Post zu seinem Karriereende mit den Worten: «En Bueb usem Auzelg, wo sin Traum het chönne uslebe.»
Ein paar Monate später sitzt er im Stadion Esp und blickt auf den vergangenen Sommer zurück: «Ich hatte schlaflose Nächte. Ich hinterfragte den Aufwand, ein Leben zwischen Zürich und Neuenburg zu führen und damit zur Hälfte von meinem Umfeld getrennt zu sein, nur um vielleicht noch einmal in die Super League zurückzukehren. Das war es mir nicht mehr wert.»
Nun hat der jüngere Bruder von Nati-Verteidiger Ricardo (Betis Sevilla) und Roberto Rodriguez (Ex-Profi) doch wieder einen Vertrag unterschrieben. Nämlich in der Promotion League beim FC Baden, einem Verein, der sich die Rückkehr in die Challenge League zum langfristigen Ziel gesetzt hat. Will es Rodriguez (Spitzname: Cico) nun doch noch einmal wissen?
Er schmunzelt: «Für mich ist das kein richtiges Comeback. Comeback wäre, wenn ich in der Challenge League spielen würde. Aber das ist nicht mehr mein Antrieb. Mit dem Profifussball habe ich abgeschlossen. Ich bin glücklich damit, dass ich es geschafft habe, zehn Jahre in diesem Geschäft zu bestehen.» Aber was treibt ihn dann beim FC Baden an? «Der FC Baden ist ein familiärer Verein, genau das habe ich gesucht. Ich habe nach einer kleinen Pause wieder Lust auf Fussball und auf das Mannschaftsleben.»
Ein Engagement in Baden passt für Rodriguez auch, weil er nebenbei genügend Zeit hat, um seine privaten Projekte voranzutreiben. Da wäre einerseits die Fussball-Academy, die er mit seinen Brüdern in der Region Wallisellen betreibt, um Kindern, die aus überschaubaren Verhältnissen stammen, eine kostengünstige Förderung zu bieten. Und dann hat «Cico» auch noch einen Podcast (Cic-Off) und ein Label mit Partnern gegründet – zentrales Thema bei diesem Label («99 Prozent»): mentale Gesundheit.
Warum ihm das Thema besonders am Herzen liegt, hat mit seiner Leidensgeschichte zu tun. 2019 erkrankte er in einer schwierigen Karrierephase an einer Depression und machte diese öffentlich, um zu sensibilisieren und zu enttabuisieren. Bis heute versucht Rodriguez mit verschiedenen Projekten, dies voranzutreiben. «Ich wartete viel zu lange, ehe ich mir Hilfe geholt habe, weil ich keine Schwäche zeigen wollte. Im Fussballgeschäft ist dieses Problem ausgeprägt, viele Spieler haben Angst davor, dass sie sich die Karriere verbauen, wenn sie sich öffnen.»
Rodriguez führt aus: «Dabei ist das ein falscher Gedanke. Über mentale Schwierigkeiten zu sprechen, kann den Spielern helfen, besser mit ihren Problemen und dem Druck umzugehen. Das war auch bei mir so, ich habe mich nach der Behandlung und dem Gang an die Öffentlichkeit viel befreiter gefühlt. Beim FC Schaffhausen habe ich anschliessend zu alter Stärke zurückgefunden.»
Geht es nach Rodriguez, muss sich im Profigeschäft allerdings noch einiges in dieser Hinsicht tun: «Wenn man bedenkt, dass praktisch jeder Mensch mal eine schwierige Phase in seinem Leben hat, dann darf es keinen Unterschied machen, ob man als Spieler nun einen Muskelfaserriss oder ein Problem mit der mentalen Gesundheit hat. Beides sind Verletzungen. Die Wahrheit ist jedoch, dass der Fussball von dieser Sichtweise noch weit entfernt ist.»
Rodriguez geht davon aus, dass er sich selbst auch ein paar Optionen verbaut hat, weil er seine mentalen Probleme öffentlich machte. «In der letzten Saison beim FC Winterthur bekam ich keine Chance mehr, und es gab auch sonst kaum noch Angebote von anderen Vereinen, obwohl ich im Training gute Leistungen gezeigt habe. Ich weiss, dass es kritische Stimmen gegeben hat. Meine Belastbarkeit wurde angezweifelt.»
Und dennoch ist «Cico» stolz darauf, dass er den Gang an die Öffentlichkeit mit dieser Thematik gesucht hat. Er würde dies auch jederzeit wieder tun: «Für mich war von Anfang an klar: Wenn ich nur schon einer weiteren Person damit helfen kann, dann hat es sich gelohnt. Inzwischen habe ich so viele Feedbacks erhalten. Von Fussballern und Nicht-Fussballern, die mir gedankt haben, weil sie sich in einer ähnlichen Situation befinden. Das zeigt mir, dass ich richtig gehandelt habe.»
Zurück zum FC Baden. Hier steckt Rodriguez im Abstiegskampf. «Ich möchte endlich der Mannschaft mit meiner Erfahrung und meinen Qualitäten weiterhelfen und dafür sorgen, dass wir aus diesem Abstiegskampf rauskommen. Dafür bin ich schliesslich hierhergekommen», sagte er vor dem Spiel gegen die Luzern U21. Tatsächlich kam er zum ersten Teileinsatz, das Spiel wurde aber mit 1:5 verloren. (riz/aargauerzeitung.ch)
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