Im Strafjustizzentrum in Muttenz BL begann am Montag das Berufungsverfahren im Betrugsprozess gegen die ehemaligen Fifa-Grössen Sepp Blatter, 88, und Michel Platini, 69, mit einem Paukenschlag: Das Gericht wirft die FIFA von Gianni Infantino aus dem Verfahren.
Diesen Entscheid eröffnete kurz vor Mittag der Baselbieter Oberrichter Roland Hofmann, der die ausserordentliche Berufungskammer präsidiert. Er hiess damit einen Antrag von Dominic Nellen gut, dem Anwalt des ehemaligen Fussballstars Platini.
Hintergrund: Die FIFA hatte zwar die Freisprüche in erster Instanz von Blatter und Platini angefochten, war dann aber buchstäblich abgetaucht. Für das ganze zweitinstanzliche Verfahren liess sich die FIFA ohne Angabe von Gründen dispensieren. Ihre Berufung hatte sie trotz Mahnung des Gerichts nie schriftlich begründet.
Mit ihrem Verhalten habe die FIFA ihren Rekurs, eine sogenannte Anschlussberufung, faktisch zurückgezogen, stellte Richter Hofmann klar. Die FIFA ist damit raus aus dem Verfahren. Sie wird das Muttenzer Urteil nicht anfechten können.
Während die FIFA abgetaucht ist und auch auf Medienanfragen nicht antwortet, sind die Beschuldigten in Muttenz anwesend. Ex-UEFA-Chef Platini ist extra aus Frankreich angereist, Blatter tut sich die Strapazen trotz angeschlagener Gesundheit an.
«Ich bin unschuldig und bitte das Gericht, im Recht zu bleiben», sagte Blatter in der Befragung. Er erzählte wie schon in erster Instanz den Hintergrund der strittigen Zahlung von 2 Millionen aus seiner Sicht. Die drei Richter fragten kritisch nach: Warum gab es nur einen mündlichen und keinen schriftlichen Vertrag? Neue Erkenntnisse gab es nicht. «Das ist einfach so, es war bestens und auch rechtens», sagte Blatter.
Auch die kurze Befragung von Platini ergab nichts Neues. Blatter habe ihn gefragt, wie viel er als Berater verdienen wolle, und er habe gesagt: eine Million, von was auch immer. Blatter habe dann gesagt: «Also eine Million Schweizer Franken.» Zunächst habe die damals klamme FIFA ihm aber nur 300'000 Franken zahlen können. Als die FIFA später viel Geld hatte, habe er die Zahlung eingefordert.
Für Aufruhr sorgte der Staatsanwalt des Bundes, Thomas Hildbrand. Er verlangte, einen kürzlich publizierten Artikel der Zeitung «Le Monde» zu den Beweismitteln zu nehmen und den Autor des Artikels, der als Journalist in Muttenz ist, als Zeugen zu befragen. Dieser hatte geschrieben, dass die Zahlung an Platini laut französischen Untersuchungen womöglich in Zusammenhang mit einem TV-Vertrag stand.
Das wiederum brachte Blatters Anwalt Lorenz Erni auf den Plan. Der Journalist sei doch nicht der «Hilfssheriff der Bundesanwaltschaft». Diese sei offensichtlich verzweifelt. Auch Platinis Anwalt sagte, das zeige, wie verzweifelt der Staatsanwalt sei, wenn er einen Zeitungsartikel zu Hilfe nehmen müsse. Er habe darum gar nichts dagegen, die Schrift zu den Akten zu nehmen.
Das Gericht entschied, den Artikel zu den Akten zu nehmen und allenfalls später zu entscheiden, den französischen Journalisten als Zeugen zu befragen.
Am Nachmittag hörte das Gericht den ehemaligen FIFA-Finanzchef Markus Kattner zur strittigen Zahlung an. Er bestätigte im Wesentlichen seine Aussagen vor der Vorinstanz.
Am Dienstag geht der Prozess weiter, der eigentlich am Bundesstrafgericht in Bellinzona stattfinden müsste. Weil Olivier Thormann, Präsident der dortigen Berufungskammer, selbst in die Eröffnung des Strafverfahrens verwickelt war und mitsamt seine ganze Kammer in den Ausstand geschickt wurde, musste per Losentscheid ein Sondergericht eingesetzt werden.
So findet der Prozess in Muttenz statt, und die Baselbieter stossen an Grenzen. Etwa dreissig Medienleute verfolgen die auf zwei Wochen angesetzten Verhandlungen in einem Nebenraum auf einem Monitor, da der Gerichtssaal zu klein ist. Journalisten, die kein Deutsch sprechen, sind mangels Simultanübersetzung aufgeschmissen
In erster Instanz wurden Blatter und Platini im Juni 2022 vom Bundesstrafgericht freigesprochen: Die strittige Zahlung von 2 Millionen Franken an Michel Platini für Beratungsdienste war demnach rechtens. Obwohl es nur einen mündlichen Vertrag gab. Die Bundesanwaltschaft legte Berufung ein, die FIFA hängte sich hinten an.
Dort können sich zwei sehr wichtige Machtmenschen einen Bruderkuss geben und auf die gute Zusammenarbeit anstossen.