Wenn im Fussball von einer Attraktion gesprochen wird, mutet dieser Ausdruck immer etwas seltsam an. Laut Duden ist eine Attraktion «etwas, was grosse Anziehungskraft ausübt, gespanntes Interesse auf sich zieht.»
Einer, auf den diese Beschreibung wie die Faust aufs Auge passt, ist Arjen Robben . Der Niederländer verzückte von Sommer 2009 bis Sommer 2019 zehn Jahre lang mit seinen Dribblings und Abschlüssen sowie seinem unbändigen Ehrgeiz seine Fans.
Der Einschlag von rechts nach innen wird umgangssprachlich längst als «Robben-Move» bezeichnet, alle seine Traumtore für den Rekordmeister zu benennen würde den Rahmen sprengen: Ob das 2:3 in Manchester 2010 , sein sensationelles Anschlusstor gegen Florenz wenige Wochen zuvor , sein Traumsolo in der Verlängerung des DFB-Pokal-Halbfinals gegen Schalke – alle Treffer dürften eingefleischten Bayern-Fans noch im Gedächtnis sein.
Ganz zu schweigen von jenem Tor, das ihn für immer in die Herzen der Münchner katapultiert hat. Das siegbringende 2:1 im Champions-League-Finale 2013 gegen Borussia Dortmund.
All diese Tore sind bereits mehrere Jahre her. Und im Sommer des vergangenen Jahres sollte eigentlich Schluss sein mit Fussball. Ein Tor in seinem letzten Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt markierte eigentlich das perfekte Ende. «Ich merke, dass es mir richtig schwerfällt. Das Ende kommt näher. Ganz aufzuhören ist eine Option», sagte Robben damals, um wenige Tage später sein Karriereende bekannt zu geben.
Doch nun will er es noch einmal wissen. Der 36-Jährige ist am vergangenen Montag bei seinem Heimatverein FC Groningen ins Mannschaftstraining eingestiegen – und hat nach wie vor hohe Ziele.
«Der Verein kann in dieser Zeit jede Hilfe gebrauchen, um die Corona-Krise zu überwinden. Ich selbst habe auch an verschiedenen Aktionen teilgenommen und darüber nachgedacht, was ich noch für unseren FC tun könnte», so Robben Ende Juni in einer Pressemitteilung.
«Ich weiss noch nicht, ob es funktionieren wird. Aber was ich weiss, ist, dass es nicht an meinem Engagement und meiner Motivation fehlen wird. Es ist jetzt mein Traum, wieder im Trikot des FC Groningen zu spielen.»
Mangelnde Motivation – es ist auch das Letzte, was dem 96-fachen niederländischen Nationalspieler vorgeworfen werden könnte. Das bescheinigt ihm auch Andreas Ottl , sein ehemaliger Mitspieler aus München:
«Sein Ehrgeiz, seine Detailverliebtheit und Begeisterung für den Fussball ist aussergewöhnlich. Darum kommt das Comeback auch nicht komplett überraschend. Er will seinem alten Verein etwas zurückgeben. Das spricht absolut für ihn und seinen Charakter» so Ottl, der sich inbesondere an den Menschen Robben erinnert.
«Arjen ist ein sehr bodenständiger Familienmensch. Den Glamour-Faktor, der bei Stars immer hineininterpretiert wird, lebt er überhaupt nicht. Ein Danke, ein Bitte – das hörst du von ihm immer.»
Der nimmermüde Ehrgeiz, den Ottl benennt, ist das, was den alten Mann aus der kleinen niederländischen Gemeinde Bedum so erfolgreich werden – und eine kometenhafte Karriere starten liess.
Von Groningen über Eindhoven, Chelsea und Real Madrid nach München, erlebte der Mann, der gefühlt schon mit 20 wie 40 aussah, diverse Höhen und Tiefen – insbesondere beim Rekordmeister.
«Als Arjen kam, war er ein Stareinkauf. In München ist er dann zum Weltstar gereift», erinnert sich Ottl an den Wechsel im Sommer 2009. «Es ging alles relativ schnell. Er kam kurz vor Transferschluss, hatte in seiner jungen Karriere aber schon sehr viel gesehen und erlebt. Sein Wechsel hat einen »Wow-Effekt« bei uns ausgelöst.»
Doch drei Jahre später, als er sowohl im entscheidenden Meisterschaftsspiel gegen Dortmund als auch wenige Wochen später im Finale gegen Chelsea vom Punkt vergab, war er der Buhmann. Die Fans pfiffen ihn in der Vorbereitung aus, Robben dachte zwischenzeitlich an Abschied – verwarf den Gedanken aber alsbald. Robben ist keiner, der wegläuft. Keiner, der resigniert. Denn er weiss: Auf Rückschläge folgen meist Erfolge.
Ein Champions-League-Titel, eine spanische, zwei englische und acht deutsche Meisterschaften sowie mehrere Pokalsiege stehen für Robben zu Buche, der Zeit seiner Karriere von Vater Hans beraten wurde.
«Dass in Arjen eine Kraft arbeitet, die ihn immer vorantreibt, war nicht mehr zu übersehen, als er acht, neun Jahre alt war», sagte Hans einst über seinen Sohn, der in München eine ganze Dekade prägte.
Mehrfach soll Robben allerdingsvor einem Abgang aus München gestanden haben – Angebote gab es immer zuhauf. Doch wie auch bei seinem langjährigen Konterpart auf der linken Seite, Franck Ribery, war es stets die «familiäre Atmosphäre», die Robben zum Verbleib in München animierte.
«Ich bin dem Verein sehr, sehr dankbar. Louis van Gaal und Mark van Bommel waren ausschlaggebend, dass ich damals gekommen bin», plauderte Robben kurz vor seinem letzten Ligaspiel für die Münchner über seinen Wechsel zu den Bayern im Jahr 2009. «Aber der ganze Verein hat gesagt: Wir brauchen dich. Das war sehr schön und mein wichtigster Transfer.»
Am 13. September startet in den Niederlanden die neue Saison. Dann trifft Groningen ausgerechnet auf Robbens anderen Ex-Klub PSV Eindhoven . An diesem Sonntag will Robben dann in der Startelf stehen – nach mehr als einem Jahr Pause. Der Fussball hätte Robben wieder, die Attraktion aus den Niederlanden.
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