Wie im Fussball, so im Leben.
René, der im FC in der Verteidigung die Drecksarbeit erledigt, wird auch nach der feuchtfröhlichen Clubfeier nicht einfach mit der Ballkönigin nach Hause gehen. Nein, René hilft beim Aufräumen und bleibt, bis auch die letzten Aschenbecher geleert und alle Festbänke wieder verstaut sind. So wie René Fussball spielt, so lebt er auch. Und umgekehrt.
Kylian, jede Ähnlichkeit mit real existierenden Personen ist rein zufällig, der mit unsportlichen Mitteln versucht, Zeit zu schinden, wird im echten Leben ebenfalls ein ziemlicher Oasch sein.
Auch die viel besungene Arroganz der Briten und der Franzosen widerspiegelt sich in ihrem Fussballspiel. Genauso wie das Kollektivbewusstsein der Deutschen ...
... und die Verzweiflung von euch Österreichern.
Ihr Österreicher seid ja bekanntlich die schönsten Zweifler im deutschsprachigen Raum. Niemand flucht, niemand grantelt, niemand leidet schöner als ihr. Damit will ich euch nicht beleidigen. Es ist der Ausdruck grösster Bewunderung. Denn ihr kombiniert eure Zweifel mit einer umwerfend charmanten Selbstironie, mit einer souveränen Distanz zur eigenen Existenz, zu der jeder vernünftige Mensch im Verlauf des Lebens einmal finden sollte.
Leider klappt das nicht immer. Wenigstens hier in der Schweiz nicht. Bei euch hingegen ist die gesunde Prise Resignation Kulturgut.
An dieser Stelle schlägt meine Bewunderung endgültig in Neid um. Denn diese Grundstimmung im Land trägt Früchte. Sie bildet den perfekten Nährboden für Künstler – vor allem für Comedians. In Sachen Humor seid ihr längst Europameister. Zusammen mit den Briten vielleicht sogar Rekordtitelträger. Und die Erfolgsstory endet nicht bei Josef Hader und Frau Sargnagel. Ich wünschte, unsere Musikerinnen und unsere Schriftsteller hätten die Klasse der euren.
Doch ihr ahnt es. Die Lobeshymne auf euch, ein Anlauf so lang wie die Schanze am Kulm, kann nur ein Ziel haben: den vernichtenden Tiefschlag. Ja, liebe Österreicher. Wie im Leben, so im Fussball: Und Selbstironie schiesst einfach keine Tore. Höchstens Eigentore.
Repräsentativ für euch ist das legendäre Interview mit Toni Pfeffer im Jahr 1999. Beim Pausenstand von 0:5 gegen Spanien analysierte er kühl: «Hoch weadmas nimma gwinna.» 0:9 gingt ihr am Ende baden. Grottig gekickt, dafür aber einen Philosophen geboren. Genau dafür liebe ich euch.
Und deshalb verzeiht mir, dass ich eure Fussballrevolution der letzten Jahre an mir habe vorbeiziehen lassen. Mein Bild stammt noch aus den 90ern. Als der österreichische Fussball noch ein einfaches Spiel war: 22 Bauern mit Werbung auf der Hose pflügten 90 Minuten lang einen Acker um – und am Ende gewann Ivica Vastic.
Doch die Zeiten sind jetzt vorbei. Ihr habt mich gestern eines Besseren belehrt.
Jesus Maria bin ich hin und weg. Das war nicht mehr einfach nur mit Skischuhen gegen das Banlieue-Ballett. Das war richtig geil, liebe Österreicher. Richtig geil. Technisch wart ihr fast ebenbürtig, taktisch ohnehin … ich brauche das Spiel nicht zu analysieren, das könnt ihr besser. Als Schweizer hat mir vor allem eure Leidenschaft imponiert. Nichts deutete auf die typisch österreichische Resignation hin, nichts auf den inhärenten Wunsch nach Selbstzerstörung. Bis zur letzten Minute habt ihr gebissen und gekämpft – und das bisweilen auf Augenhöhe mit den Franzosen, die in den vergangenen Jahren so ziemlich in jedem Endspiel standen.
Es sind Tugenden, die ich so von euch seit Langem nicht mehr gesehen habe – vielleicht seit dem legendären Thomas Muster nicht mehr.
Und deshalb möchte ich mich bei euch bedanken, liebe Österreicher. Ihr hattet schon immer einen speziellen Platz in meinem Herzen. Den habt ihr nun zementiert. Dass ihr das mit einer spielerisch und kämpferisch fantastischen Leistung getan habt, erwischt mich ein wenig auf dem falschen Fuss. Aber ich bin bereit, mein Bild zu revidieren. Und sobald die Fussballgötter das ebenfalls getan haben, verliert ihr auch solche Spiele nicht mehr.
Ein wenig schade um euer Gejammer wäre das allerdings schon. Denn darin seid ihr bereits Europa-meisterlich. Aber vielleicht seid ihr auch ganz wunderbare Sieger. Zutrauen tue ich es euch auf jeden Fall.
Die Österreicher haben hart gespielt, das hat eben Fouls und Karten zur Folge. Richtige Schirifehler gab es auf beiden Seiten. Die Österreicher sind 2 mal an Rot vorbeigeschlittert (Foul gegen FRA- Torhüter und Notbremse gegen Giroud) und hatten da auch grosses Glück.
Aber mit einem bin ich mit dir einig, schön waren die Zeiten, die Werbung am Hintern, die Fans auf Grashügeln und der Speaker „hier regiert der GAK“ schreiend. Stars wie Hasenhüttel, Himmelfreundpointner, Knasmüllner, Schoissengeyr.