Was bedeutet der Kosovo für die Schweizer Nati? Drama!
Eigentlich sind die Spiele zwischen der Schweiz und dem Kosovo politisch nicht aufgeladen. Jene Spieler mit zwei Nationalitäten sprechen sogar von einem «Bruderduell». Ein riesiger Unterschied zur Affiche Schweiz-Serbien. Trotzdem zeigt die Geschichte: Schweiz-Kosovo ist stets ein Drama wert. Jedes der drei bisherigen Spiele war emotional hochgradig aufgeladen.
Seit 2016 darf der Kosovo offizielle Länderspiele bestreiten. Im März 2022 kommt es zum ersten Duell mit der Schweiz. Es ist ein Freundschaftsspiel, für Captain Granit Xhaka aber trotzdem nicht nur wegen seiner kosovarischen Wurzeln speziell. Er ist in diesen Tagen erstmals unter Murat Yakin im Nationalteam dabei. Den kompletten Herbst zuvor verpasste er wegen einer Covid-Erkrankung und einer Knieverletzung.
Auch ohne Xhaka gelang der Schweiz die Qualifikation für die WM in Katar – auf Kosten von Italien. Entsprechend möchte Xhaka nun zeigen, dass die Nati nicht auf ihn verzichten kann. Es gelingt nur mässig. Als ihn Yakin gegen den Kosovo nach gut einer Stunde auswechselt, reagiert er genervt. Den Captain auswechseln? Ausgerechnet in seinem 100. Länderspiel? Ausgerechnet gegen seine zweite Heimat? Xhaka empfindet das als Frontalangriff.
Die Beziehung zwischen Xhaka und Yakin bleibt Dauer-Thema im Nationalteam. Nie ist die Aufregung aber so gross wie im Nachgang des zweiten Aufeinandertreffens zwischen dem Kosovo und der Schweiz. Die Nati kassiert am 9. September 2023 in der EM-Qualifikation beim 2:2 in der Nachspielzeit noch den Ausgleich. Xhaka schreitet zum Mikrofon und sagt sinngemäss: Die Leistung sei nur logisch, wenn man sich die miserablen Trainings unter der Woche anschaue.
Diesmal ist es der Captain, der den Trainer frontal angreift. Und damit einen Sturm auslöst. Yakin ist angezählt. Aber er tut das einzig Richtige, bewahrt einen kühlen Kopf, verzichtet darauf, Xhaka intern zu bestrafen. Im Wissen darum, dass es niemandem nützt, wenn der Machtkampf eskaliert. Wobei die Dissonanzen nicht helfen in diesem zähen Herbst.
Der Ärger findet gut zwei Monate später seinen Höhepunkt. In Basel empfängt die Nati den Kosovo zum dritten «Bruderduell» der Geschichte. Das Spiel endet 1:1. Die Schweiz qualifiziert sich damit für die EM. Alles gut also? Weit gefehlt! Keine Spur von Jubel. Keine Freude. Stille und Resignation bei den Schweizer Fans. Die Nati-Seele ist angeschlagen.
Auftritt Pierluigi Tami. Der Nati-Boss hat das Vertrauen in Trainer Yakin verloren. Kurz nach der EM-Qualifikation finden seine Pläne einen Weg an die Öffentlichkeit: Tami treibt einen Trainerwechsel intern voran. Hätte die Schweiz gegen den Kosovo sogar verloren, wäre Yakin umgehend entlassen worden. Doch Tamis Plan scheitert, Yakin darf die Nati an die EM führen – und sorgt in Deutschland mit der Viertelfinalqualifikation für eine riesige Euphorie im Land.
Nun also das vierte Duell Schweiz-Kosovo. Und wieder riecht es nach Drama. Diesmal schon vor dem Spiel. Im Fokus steht Leon Avdullahu. Der 21-jährige Mittelfeldspieler, in der Schweiz als einer der Nachfolger von Granit Xhaka und Remo Freuler eigentlich fix eingeplant, entschied sich, künftig für den Kosovo zu spielen. Erstmals am Samstag. Ausgerechnet gegen die Schweiz.
«Zu Beginn war alles freundschaftlich – aber von nun an gibt es kein Bruderduell mehr», sagt Murat Yakin. Es könnte wieder ein heisser Herbst auf die Nati warten. Darum gilt gegen den Kosovo: endlich kein Drama mehr. (riz/aargauerzeitung.ch)
Oder war der Sieg 1993 gegen Italien wegen Ciri und Pascolo oder Kamerun mit Torschütze Embolo an der letzten WM auch ein Bruderduell? 🧐