Der Fussball-Weltverband FIFA stellte fünf Monate vor Beginn der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland die erste globale Turnierbotschafterin vor. Dass es sich dabei in Person von Adriana Lima um ein weltberühmtes Topmodel handelt und nicht um eine Fussballerin, sorgt für Aufruhr.
Nun kann man sich natürlich generell fragen, wozu es solche Turnierbotschafter, die auch die Männer-Turniere haben, braucht. Und welche Qualitäten dafür nötig sind. FIFA-Präsident Gianni Infantino behauptete bei ihrer Vorstellung, dass die Brasilianerin «den Fussball lebt und atmet». Wenn man die 41-Jährige kennenlerne, empfinde man sofort ihre Wärme und ihre Freundlichkeit. «Und man spürt ihre grosse Leidenschaft für das schönste aller Spiele.»
Das 1,78 m grosse Unterwäschemodel, das es als Wachsfigur in die New Yorker Filiale von Madame Tussauds geschafft hat, freute sich natürlich über die Ernennung. «Ich bin dankbar und fühle mich geehrt, die erste globale FIFA-Fan-Botschafterin zu sein», sagte Adriana Lima.
Weniger erfreut sind andere. Der Tenor: Wieder einmal werden Frauen auf ihr Äusseres reduziert. «Wenn eine Frau Fussball spielt, sieht die Welt sie ganz anders. Dann geht es nicht um ihren Look oder ihr Aussehen, sie wird stattdessen für spielentscheidende Tacklings und brillante Tore gefeiert», betont Moya Dodd. Einst spielte sie für Australiens Nationalteam, später schlug sie eine Karriere als Funktionärin ein und war in hohen Positionen beim asiatischen Verband und bei der FIFA.
«In einem WM-Jahr sollte doch die Botschaft verbreitet werden, dass auch für Frauen alles möglich ist», so Dodd weiter, «dass es eben nicht ums Aussehen geht, sondern um das, was auf dem Platz geschieht. Wie ein Supermodel da hineinpassen soll, ist mir wirklich ein Rätsel.»
Limas Sprecher liess laut BBC verlauten, dass seine Klientin seit Jahren einen gesunden Lebensstil propagiere. «Und wie bei vielen anderen Menschen auch hat sich ihre Position bei vielen LGBTQIA+- und Frauenthemen weiterentwickelt», teilte er mit. Diese Ergänzung machte er, weil Lima 2006 in einem Interview Abtreibung als Verbrechen bezeichnet hatte.
Seriously, #FIFA, is this the fan engagement ambassador we need as the @FIFAWWC approaches? #tonedeaf https://t.co/a7O2WHRr6g pic.twitter.com/s2S6wvJmFx
— moya dodd (@moyadodd) February 28, 2023
Aus dem WM-Gastgeberland Australien gab es weitere Kritik. «Women Sport Australia», ein Gremium für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Sport, bezeichnete die Ernennung Limas als unnötig. «Es ist definitiv ein anderer Ansatz als bei den Männern», stellte die Präsidentin des Gremiums, Gen Dohrmann, fest. Im «Guardian» fragte sie: «Wenn einer wie Cristiano Ronaldo das Aushängeschild der Männer-WM ist, warum brauchen wir ein Supermodel, wenn wir Megan Rapinoe oder Sam Kerr wählen könnten?»
Die WM-Endrunde der Frauen findet vom 20. Juli bis am 20. August statt. Die Mehrzahl der Spiele wird in Australien ausgetragen. Die Schweizer Nati trägt ihre Gruppenspiele im zweiten Gastgeberland Neuseeland aus. Sie trifft der Reihe nach auf die Philippinen, Norwegen und Neuseeland. (ram)
Diese FIFA setzt wirklich den Jauchestandard unter den Sportverbänden. Immer wieder Niveau-Limbo mit Gianni.