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Warum der Stellenwert des Schweizer Cupfinals nicht mehr ist wie einst

Ein Helfer raeumt ein Banner mit der Aufschrift "Sieger 2019" weg, im Schweizer Fussball Cupfinalspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Thun, am Sonntag 19. Mai 2019, im Stade de Suisse in B ...
Ein Helfer räumt nach dem Cupfinal das Banner des Siegers weg. Die triste Stimmung passt gut zur Lage des Schweizer Fussballs.Bild: KEYSTONE

Premium-Preis für Budget-Darbietungen – der Schweizer Fussball ist abgehoben

Der FC Basel ist dank einem 2:1-Sieg über Thun Cupsieger. Aber das wichtigste Spiel des Jahres bot wenig Diskussionsstoff. Ausser vielleicht diesem: Dass der Stellenwert des Schweizer Cupfinals nicht mehr derselbe ist wie einst.
21.05.2019, 18:1321.05.2019, 18:30
François Schmid-Bechtel / CH Media
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Den Cupfinal kann man guten Gewissens als wichtigstes Fussballspiel des Jahres einstufen. Erst recht, wenn Meister und Absteiger wie in dieser Saison schon feststehen. Wenn aber nur 20'500 Zuschauer die wichtigste Partie im Stadion sehen wollen; wenn am Tag danach kaum noch darüber gesprochen, gesendet und geschrieben wird; wenn ein Ereignis von einst nationaler Bedeutung zu einer Veranstaltung von regionaler Strahlkraft wird, wirft dies Fragen auf.

Die Mannschaften laufen aufs Spielfeld im Schweizer Fussball Cupfinalspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Thun, am Sonntag 19. Mai 2019, im Stade de Suisse in Bern. (KEYSTONE/Thomas Hodel)
Jeder dritte Tribünenplatz blieb am Sonntag leer.Bild: KEYSTONE

Es gibt Gründe für das schwindende Interesse am Cupfinal. Da ist einerseits der Termin. Früher war der Pfingstmontag der Cupfinal-Tag. Dadurch entstand eine Verbindlichkeit. Und weil dieser Feiertag stets ereignisarm verlief, war der Cupfinal, ob im Stadion oder vor dem Fernseher, der Lichtblick des Tages.

Ach, früher …

Dieses Jahr wurde der Cupfinal auf einen Abstimmungssonntag terminiert. Allein das mutet abgehoben an, als wäre der Fussball gross genug, die Politik aus der Tagesaktualität zu verdrängen. Vielleicht fehlt den Machern einfach auch nur das Sensorium oder die Begeisterung, dem Cupfinal die bestmögliche Bühne zu bieten. Andererseits schrecken die Eintrittspreise ab. Wer nicht in einen Fansektor will, was mit Kindern im Schlepptau durchaus Sinn macht, bezahlt 100 bis 120 Franken pro Ticket.

Als sich 1984 Servette und Lausanne im Cupfinal gegenüberstanden, kamen 38000 Zuschauer ins Wankdorf. Das Jahr ist zufällig gewählt, aber nicht das Jahrzehnt. Denn dieses steht für viele niederschmetternde Momente im Schweizer Fussball, für die Erkenntnis, dass der Zug ohne die Schweiz abgefahren ist und auch nicht so bald wieder einfahren wird. Fatalismus machte sich breit. «Ehrenvoll gescheitert» in der Endlosschlaufe.

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Die letzte Qualifikation des Nationalteams für eine Endrunde datierte von 1966. Und nach dem Vorstoss der Grasshoppers in den Viertelfinal des Meistercups 1980 bog man auch im europäischen Clubfussball auf das Abstellgleis. Trotzdem war Servette-Goalie Erich Burgener in den Augen vieler ein Held. Man schwärmte im Mittelfeld von Alain Geiger und Michel Decastel oder versuchte die Tricks von Umberto Barberis und die Kopfballtechnik von Stürmer Jean-Paul Brigger im nächsten Training nachzuahmen.

Heute kann indes ein fussballinteressierter 12-Jähriger aus der Deutschschweiz die Aufstellung von Arsenal und Juventus fehlerfrei runterbeten. Aber einen Spieler von Servette kennt er kaum; es wäre den älteren Semestern vielleicht gleich ergangen, wenn sich die Möglichkeit geboten hätte, jedes Spiel von Tottenham live verfolgen zu können.

Schweiz muss eigenen Weg gehen

Der Fussball ist in vielen Ligen und Ländern grösser als in der Schweiz. Umso wichtiger ist es, dass der Schweizer Fussball einen eigenen Weg geht. Und nicht den Grossen und ihren Premium-Ligen hinterherhechelt. Das beginnt bei den Ticketpreisen. Gemäss einem UEFA-Report hat die Super League mit durchschnittlich 34,20 Euro die viertteuersten Eintrittspreise Europas. Drei Clubs – St.Gallen, Luzern und Basel – rangieren in Europas Top 30. Zum Vergleich: Im UEFA-Ranking liegt die Schweiz nur an 17. Stelle.

Basels Blas Riveros, mitte, Basels Eder Balanta, Mitte, rechts, nehmen ein Selfie mit die Fans des FC Basel bei den 2-1 Sieg, im Schweizer Fussball Cupfinalspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Thun, ...
Die Basler Sieger feiern mit ihren Fans.Bild: KEYSTONE

Premium-Preis für Budget-Darbietungen – der Schweizer Fussball ist abgehoben. Und jammert doch ständig: über fehlende Unterstützung aus Politik und Wirtschaft, über fehlendes Geld von den TV-Stationen, über fehlendes Interesse der Bevölkerung. Gleichzeitig werden permanent Trainer entlassen, scheinbar wahllos Spieler verpflichtet und damit Kader aufgebläht. Ein Sportchef sagte kürzlich, eine Trainerentlassung in der Schweiz verursache in der Regel zwei Millionen Franken zusätzliche Kosten, weil mit dem neuen Trainer auch neue Spieler kommen würden.

In Zeiten des allgemeinen Wachstums nimmt das Interesse am Schweizer Fussball ab. Dieser Trend lässt sich kaum aufhalten. Denn der Abstand zu den europäischen Topclubs wird nur grösser. Also muss man eine Nische besetzen. Raus aus der überhitzten Scheinwelt und hin zur familienfreundlichen, sympathischen, volksnahen und konsequent auf einheimische Nachwuchsarbeit setzenden Bewegung. Wie früher. Etwas 1980er-Jahre-Groove würde dem Schweizer Fussball guttun.

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75 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MyErdbeere
21.05.2019 18:23registriert Juli 2015
Wenn ich mir die Preise in St. Gallen ansehe, schmerzt es. Wenn ich mir dieses Drecksspiel vom Sonntag ansehe, schmerzt es. Wenn ich mir die zigtausend Trainer der letzten Jahre ansehe, schmerzt es. Man sollte einfach wieder an ein Fussballspiel gehen können, nicht an ein "Event", denn Bier kann ich auch ohne diesen Spezialbegriff trinken. Einfach mal wieder normal werden und auf den Boden zurückkommen. Oder wenn ich mir die Verbandsführung anschaue: auf beiden Füssen am Rollator bleiben😂🤦‍♂️
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Füdlifingerfritz
21.05.2019 18:26registriert März 2018
Schöner Text. Da gehe ich zu 100% mit.
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DerRaucher
21.05.2019 18:25registriert Januar 2016
Der Preis spielt wahrscheinlich tatsächlich eine große Rolle. Wenn eine Familie mit zwei Kindern den Cupfinal besuchen will, gehen schon alleine für die Tickets um die 400 Stutz weg. Anfahrt und Verpflegung noch nicht mitgerechnet. Die Zuschauerzahlen in der Schweiz sind eine logische Konsequenz. Jedes zweitliga Team der Bundesliga generiert mehr Zuschauer. Dann kommt noch die fehlende Spannung dazu. Es gibt meistens nur ein Team was um den Titel Kämpft. Jahrelange Basel Dominanz und nun YB. Auch die Qualität der Liga hat nach dem Hoch in den 00er Jahren, wieder stark abgebaut.
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