Den Cupfinal kann man guten Gewissens als wichtigstes Fussballspiel des Jahres einstufen. Erst recht, wenn Meister und Absteiger wie in dieser Saison schon feststehen. Wenn aber nur 20'500 Zuschauer die wichtigste Partie im Stadion sehen wollen; wenn am Tag danach kaum noch darüber gesprochen, gesendet und geschrieben wird; wenn ein Ereignis von einst nationaler Bedeutung zu einer Veranstaltung von regionaler Strahlkraft wird, wirft dies Fragen auf.
Es gibt Gründe für das schwindende Interesse am Cupfinal. Da ist einerseits der Termin. Früher war der Pfingstmontag der Cupfinal-Tag. Dadurch entstand eine Verbindlichkeit. Und weil dieser Feiertag stets ereignisarm verlief, war der Cupfinal, ob im Stadion oder vor dem Fernseher, der Lichtblick des Tages.
Dieses Jahr wurde der Cupfinal auf einen Abstimmungssonntag terminiert. Allein das mutet abgehoben an, als wäre der Fussball gross genug, die Politik aus der Tagesaktualität zu verdrängen. Vielleicht fehlt den Machern einfach auch nur das Sensorium oder die Begeisterung, dem Cupfinal die bestmögliche Bühne zu bieten. Andererseits schrecken die Eintrittspreise ab. Wer nicht in einen Fansektor will, was mit Kindern im Schlepptau durchaus Sinn macht, bezahlt 100 bis 120 Franken pro Ticket.
Als sich 1984 Servette und Lausanne im Cupfinal gegenüberstanden, kamen 38000 Zuschauer ins Wankdorf. Das Jahr ist zufällig gewählt, aber nicht das Jahrzehnt. Denn dieses steht für viele niederschmetternde Momente im Schweizer Fussball, für die Erkenntnis, dass der Zug ohne die Schweiz abgefahren ist und auch nicht so bald wieder einfahren wird. Fatalismus machte sich breit. «Ehrenvoll gescheitert» in der Endlosschlaufe.
Die letzte Qualifikation des Nationalteams für eine Endrunde datierte von 1966. Und nach dem Vorstoss der Grasshoppers in den Viertelfinal des Meistercups 1980 bog man auch im europäischen Clubfussball auf das Abstellgleis. Trotzdem war Servette-Goalie Erich Burgener in den Augen vieler ein Held. Man schwärmte im Mittelfeld von Alain Geiger und Michel Decastel oder versuchte die Tricks von Umberto Barberis und die Kopfballtechnik von Stürmer Jean-Paul Brigger im nächsten Training nachzuahmen.
Heute kann indes ein fussballinteressierter 12-Jähriger aus der Deutschschweiz die Aufstellung von Arsenal und Juventus fehlerfrei runterbeten. Aber einen Spieler von Servette kennt er kaum; es wäre den älteren Semestern vielleicht gleich ergangen, wenn sich die Möglichkeit geboten hätte, jedes Spiel von Tottenham live verfolgen zu können.
Der Fussball ist in vielen Ligen und Ländern grösser als in der Schweiz. Umso wichtiger ist es, dass der Schweizer Fussball einen eigenen Weg geht. Und nicht den Grossen und ihren Premium-Ligen hinterherhechelt. Das beginnt bei den Ticketpreisen. Gemäss einem UEFA-Report hat die Super League mit durchschnittlich 34,20 Euro die viertteuersten Eintrittspreise Europas. Drei Clubs – St.Gallen, Luzern und Basel – rangieren in Europas Top 30. Zum Vergleich: Im UEFA-Ranking liegt die Schweiz nur an 17. Stelle.
Premium-Preis für Budget-Darbietungen – der Schweizer Fussball ist abgehoben. Und jammert doch ständig: über fehlende Unterstützung aus Politik und Wirtschaft, über fehlendes Geld von den TV-Stationen, über fehlendes Interesse der Bevölkerung. Gleichzeitig werden permanent Trainer entlassen, scheinbar wahllos Spieler verpflichtet und damit Kader aufgebläht. Ein Sportchef sagte kürzlich, eine Trainerentlassung in der Schweiz verursache in der Regel zwei Millionen Franken zusätzliche Kosten, weil mit dem neuen Trainer auch neue Spieler kommen würden.
In Zeiten des allgemeinen Wachstums nimmt das Interesse am Schweizer Fussball ab. Dieser Trend lässt sich kaum aufhalten. Denn der Abstand zu den europäischen Topclubs wird nur grösser. Also muss man eine Nische besetzen. Raus aus der überhitzten Scheinwelt und hin zur familienfreundlichen, sympathischen, volksnahen und konsequent auf einheimische Nachwuchsarbeit setzenden Bewegung. Wie früher. Etwas 1980er-Jahre-Groove würde dem Schweizer Fussball guttun.