Der Mann, der Lugano träumen lassen will, sitzt an diesem Nachmittag weit weg, in Chicago. Im Tessin ist er noch gar nie aufgetaucht, er tut das auch an diesem Tag nicht, an dem er zum ersten Mal als neuer Besitzer des FC Lugano auftritt. Und doch ist Mansueto da, ein grosser Bildschirm im Kongresszentrum bringt ihn kurz nach 16 Uhr ins Tessin.
Viele seiner Sätze tun das noch ein wenig mehr, vor allem die ersten. Denn gleich zu Beginn seiner Einleitungsrede spricht der Amerikaner das Thema an, dass die Leute in Lugano zuletzt bewegt hat: Der plötzliche Tod von Bürgermeister Marco Borradori von letzter Woche. Seine Gedanken und Gebete seien bei Borradoris Familie, sagt Mansueto. Es bleibt nicht der letzte Ton, den der 64-Jährige trifft.
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— FC Lugano (@FCLugano1908) August 18, 2021
Es war ein wilder Sommer in Lugano, es ging um die Zukunft des Vereins, darum, wer die Nachfolge von Präsident und Hauptaktionär Angelo Renzetti antritt. Es gab einen ersten Käufer, der viel versprach, aber nichts einlöste, und einige Angst um die Zukunft des FC Lugano. Jetzt sitzt Renzetti im Kongresszentrum und sagt, den wichtigsten Sieg seiner Amtszeit habe der FC Lugano am Ende errungen: mit dem Verkauf des Klubs an Joe Mansueto.
Dessen Vermögen beziffert das US-Magazin «Forbes» auf knapp sechs Milliarden Dollar. Mansueto hat Vorfahren in Italien und sein Vermögen in der Finanzbranche gemacht, in der er einst ganz klein anfing. Er hat im Rahmen einer Initiative von Bill Gates wie andere Schwerreiche versprochen, dereinst mehr als die Hälfte für gute Zwecke zu spenden. Und er investiert derzeit in Immobilien – und in den Fussball. 2019 hat er Chicago Fire, einen Klub in der amerikanischen Major League Soccer, übernommen, Kostenpunkt: 400 Millionen Dollar.
Während Mansueto via Bildschirm in Lugano auftritt, sitzt seine illustre neue Führungsriege in Fleisch und Blut im Kongresszentrum. Da ist Martin Blaser, der neue CEO des FC Lugano, der den Schweizer Sport in verschiedenen Funktionen in- und auswendig kennengelernt hat und derzeit als Geschäftsführer von Ringier Sports, dem Sportvermarktungsarm des Medienkonzerns Ringier, amtet.
Ringier Sports wiederum hat mit der Gesellschaft, die den FC Lugano neu besitzt, eine Zusammenarbeit vereinbart. Laut dieser übernimmt Ringier Sports und in deren Auftrag eben Martin Blaser die operative Leitung in Lugano – ein Arrangement, mit dem die Tessiner im Schweizer Fussball Neuland betreten und das einige Fragen aufwirft, die erst die Zukunft beantworten wird.
Und da ist auch Georg Heitz, ein bekanntes Gesicht im Schweizer Fussball. Heitz hat einst die grosse Ära des FC Basel als Sportchef mitverantwortet. Mittlerweile ist er in derselben Funktion bei Chicago Fire tätig; er hat dort Raphael Wicky, einen anderen Ex-Basler, als Cheftrainer installiert.
Heitz war der Mann, der diesen Deal erst möglich machte, so schildert das auch Mansueto, der – ganz Amerikaner – Heitz für seinen «outstanding job», seine aussergewöhnliche Arbeit, dankt. Künftig wird der Basler im Verwaltungsrat des FC Lugano sitzen, aber in Chicago bleiben und nur sporadisch im Tessin präsent sein.
Mansueto erzählt gerne, dass seine Liebe zum Fussball von seinen Kindern entfacht wurde. Gleichzeitig tätigen Männer wie er keine Investitionen, ohne einen Plan zu haben. Wieso also Lugano? So richtig klar wird das nicht. Der Multimilliardär sagt Sätze, die man sagt, wenn man nicht zu viel preisgeben will. Er wolle Freude nach Lugano bringen. Oder: Die Schweizer Liga sei sehr kompetitiv – eine Einschätzung, über die sich zumindest streiten lässt.
Mansueto bleibt oft im Ungefähren, aber er macht auch das eine oder andere klar: vor allem, dass er langfristig denkt und plant und gekommen ist, um zu bleiben. Das ist schnell gesagt, doch die Art, mit der er seinen anderen Fussballklub, Chicago Fire, führt, legt nahe, dass es ihm ernst ist. Und dann macht Mansueto auch deutlich, dass er grosse Ambitionen hat.
Chicago 🤝 Lugano
— Chicago Fire FC (@ChicagoFire) August 18, 2021
Welcome, @FCLugano1908!
Er sagt zwar nicht, wie viel er in den FC Lugano investieren will. Kündigt keine Summe von 50 Millionen Franken an, wie das GC-Präsident Sky Sun einst getan hat. Doch er bekräftigt, dass der Verein wachsen soll. Und es längerfristig das Ziel sei, um Titel mitzuspielen, «es ist hart für mich, in etwas zu investieren, ohne daran zu denken», sagt er.
Der FC Lugano ist der dritte Super-League-Klub, der zuletzt von einem ausländischen Investor übernommen worden ist. Und er ist wie die Grasshoppers und Lausanne künftig Teil eines Konstrukts, zu dem noch andere Fussballvereine gehören. Was das für den Tessiner Klub heisst, ist aber weniger vorhersehbar. Während Lausanne und GC in erster Linie als Farmteams für die grossen Geschwister in Nizza und Wolverhampton fungieren, ist die Hierarchie – und damit auch der Nutzen für die beiden Vereine – im Fall von Chicago und Lugano weniger klar.
So richtig konkret wird Joe Mansueto auch bei dieser Frage nicht. Er spricht von den Vorteilen, die es habe, mehrere Klubs zu haben, etwa beim Scouting von Spielern. Und er macht ein Versprechen, das man in Lugano nicht vergessen wird: dass es kein Farmteam geben werde. Sondern zwei Partnervereine.