Es ist nicht die Bühne, auf der sich die traditionsreiche AC Milan gerne sieht. Doch epische Nächte gibt es auch in der Europa League – und eine solche erlebte der siebenfache Champions-League-Sieger gestern im Playoff-Spiel gegen den portugiesische Vertreter Rio Ave. 1:1 stand es nach 90 Minuten, 2:2 nach der Verlängerung. Hakan Calhanoglu bewahrte die «Rossoneri» in der 122. Minute mit einem verwandelten Penalty vor dem Aus, noch dramatischer wurde es dann allerdings im Elfmeterschiessen.
Ohne den mit dem Coronavirus infizierten Zlatan Ibrahimovic nahm zunächst alles noch seinen gewohnten Lauf. Die ersten zehn Schützen behielten allesamt die Nerven und sorgten dafür, dass es auch im Penaltyschiessen zur Verlängerung kam. Jeder Fehlschuss könnte nun entscheidend sein und die AC Milan leistete sich gleich drei solche, der Reihe nach verschossen Lorenzo Colomba, Torhüter Gianluigi Donnarumma und Ismael Bennacer. Doch jedes Mal vergab Rio Ave in der Folge den Matchball. Beim ersten prallte der Ball von Nelson Monte gar vom einen Innenpfosten an den anderen. Mehr Pech geht nicht!
Den 23. Penalty versenkte Simon Kjaer dann souverän, wenig später hielt Donnarumma den Versuch von Aderllan Santos und hexte Milan so zu später Stunde endgültig in Europa-League-Gruppenphase. Der Keeper streckte seinen Zeigfinger gen Himmel und wurde schliesslich unter einer Jubeltraube begraben.
PENALTY SHOOT-OUT
— AC Milan (@acmilan) October 1, 2020
Rio Ave: ⚽⚽⚽⚽⚽⚽⚽❌⚽❌❌❌#ACMilan: ⚽⚽⚽⚽⚽⚽⚽❌⚽❌❌⚽@gigiodonna1!!#RioAveMilan 2-2 #SempreMilan#UEL
Die Playoff-Partie dauerte so lange, dass die «Rossoneri» danach nicht mehr wie geplant nach Italien zurückfliegen konnten, denn der Flughafen in Porto war bereits geschlossen. Trainer Stefano Pioli dürfte das egal gewesen sein. «So etwas hab ich noch nie erlebt, aber so ist Fussball», erklärte er nach dem dramatischen Ende der Partie. «Ich verlor einst ein Final der Coppa Italia durch einen doppelten Pfostenschuss, heute hatten wird das Glück auf unserer Seite. Elfmeterschiessen sind eine Lotterie. Aber wir sind sehr glücklich über dieses Ergebnis. Die Jungs haben sich das verdient.»
Bei einem, der sonst in solchen Momenten komplett ausrastet, fehlten gestern die ganz grossen Emotionen. Kult-Moderator und Milan-Fan Tiziano Crudeli, der in der Sendung «Diretto Stadio» die Partien der Rossoneri für Zuschauer ohne Pay-TV jeweils leidenschaftlich begleitet, sass für einmal nicht im Studio, sondern wurde nur zugeschaltet. So kam seine durchaus vorhandene Freude nicht ganz so rüber wie gewohnt.
Für Milan war es der erste Sieg in einem europäischen Elfmeterschiessen seit dem Champions-League-Final 2003 gegen Juventus Turin. Die Europa League ist der einzige internationale Wettbewerb, den die «Rossoneri» in ihrer Geschichte noch nicht gewinnen konnten. Viermal siegte der italienische Traditionsverein bislang in der Champions League, dreimal im Meistercup, dem Vorgänger-Wettbewerb der Champions League und zweimal im mittlerweile eingestellten Cup der Cupsieger.