Italien droht zum zweiten Mal in Serie und zum vierten Mal überhaupt eine Fussball-WM zu verpassen. Nach dem 0:0 gegen Nordirland landet der Europameister in der Schweizer Gruppe C nur auf dem zweiten Rang und muss nun den Umweg über die Playoffs nehmen.
Dort müssen die «Azzurri» Ende März zunächst im Halbfinal ein K.-o.-Spiel gewinnen, um dann wenige Tage später in einem Final eines der drei noch übrigen WM-Tickets zu ergattern. Das wird nicht leicht, denn es warten tückische Gegner: Bis jetzt sind Portugal, Russland, Schweden, Polen, Tschechien, Wales, Schottland, Nordmazedonien und Österreich als weitere Playoff-Teilnehmer bekannt. Die Auslosung findet am 26. November in Zürich statt.
Als Italien zum letzten Mal in die Playoffs musste, gab es ein Drama nationalen Ausmasses. Damals im November 2017 verloren die «Azzurri» das Hinspiel in Schweden mit 0:1, nur um kurz darauf im eigenen Land nicht über ein 0:0 hinauszukommen. Gianluigi Buffon war in Tränen aufgelöst, das ganze Land rutschte in eine sportliche Sinnkrise.
An ein ähnliches Szenario will Trainer Roberto Mancini momentan aber nicht denken. Ganz im Gegenteil, den aufkommenden kritischen Stimmen versucht der «Mister» mit purem Optimismus entgegenzutreten: «Die WM? Wir fahren dorthin und vielleicht gewinnen wir sie», erklärte er nach dem bitteren Abend in Belfast.
Der Erfolgscoach, der Italien im Sommer zum EM-Titel und zur Weltrekordserie von 37 Länderspielen ohne Niederlage geführt hat, mahnt ausserdem: «Wir müssen ruhig bleiben. Wir haben immer noch die Chance, es zu schaffen. Das ist das Wichtigste. Ich bin zutiefst zuversichtlich.»
Dass vor allem der Schlussspurt in der WM-Qualifikation alles andere als optimal verlaufen ist, weiss aber auch Mancini: «Jetzt stecken wir in diesem Schlamassel, weil wir eine Gruppe weggeworfen haben, in der wir den Sieg eigentlich schon sicher hatten.» Vor allem trauerte der 56-Jährige wegen der zwei von Jorginho verschossenen Penaltys gegen die Schweiz, doch auch sonst ist offensiv der Wurm drin: «Momentan tun wir uns einfach schwer damit, Tore zu schiessen – obwohl wir das Spiel bestimmen und die Initiative übernehmen», so Mancini. «Wir können jetzt aber nichts daran ändern, den Umweg gehen zu müssen. Das ist schade, zumal wir diese Gruppe schon vor längerer Zeit hätten klarmachen müssen.»
Das Rezept, wie Italien sich doch noch für die WM qualifizieren kann, glaubt Mancini jedoch bereits zu kennen: «Wir müssen einfach wieder zu dem zurückfinden, was uns über eine lange Zeit ausgezeichnet hat. Wir werden uns akribisch auf Ende März vorbereiten und dann selbstbewusst in die Playoffs gehen. Und dann werden wir unseren Platz bei der Weltmeisterschaft buchen – und dann hoffentlich auch das Turnier gewinnen. Denn ich glaube fest daran, dass wir auch weiterhin ein grosses Team sind.»
Ähnlich wie bei Trainer Mancini tönte es nach dem Nordirland-Spiel auch bei Captain Leonardo Bonucci. «Ich bin überzeugt, dass wir nicht nur zur WM fahren, sondern eine tolle WM haben werden», erklärte der Innenverteidiger gegenüber RAI Sport mit angefeuchteten Augen. «Wir müssen jetzt unsere Batterien aufladen, sowohl körperlich als auch geistig. Dann müssen wir die Freude an unserem Fussball, die wir bei der EM hatten, wieder neu entdecken. Dort haben wir unbeschwert Fussball gespielt. Ohne Druck, etwas beweisen zu müssen. Nach dem EM-Triumph hat uns irgendwas gehemmt.»
Bonucci nutzte die Gelegenheit aber auch, um der Nati zur direkten WM-Qualifikation zu gratulieren. «Herzlichen Glückwunsch an die Schweiz. Wie sie daran geglaubt und weiter gekämpft haben, als wir es schon in der Hand zu haben schienen, das verdient Respekt.» (pre)