Noch im Dezember schien bei Manchester United alles schiefzugehen. Das Aus in der Champions League als Gruppenletzter wurde mit der Heimniederlage gegen Bayern München, für das es um nichts mehr ging, besiegelt. In der Premier League verloren die Red Devils nicht nur gegen West Ham, sondern auch gegen Bournemouth und Abstiegskandidat Nottingham. Am Ende des letzten Jahres stand ManUnited auf dem 8. Platz.
Der Job von Trainer Erik ten Hag war nur deshalb nicht in Gefahr, weil sich der Klub kurz vor dem Einstieg von Sir Jim Ratcliffe befand. Der Ineos-Gründer kaufte der Besitzerfamilie Glazer zwar nur 25 Prozent der Anteile ab, doch übernahm er die sportliche Verantwortung und sollte davor deshalb kein so einschneidender Entscheid gefällt werden wie eine Entlassung des Trainers. Und so arbeitete der Niederländer mit seinem Team erst einmal weiter.
Seither konnte er das Ruder scheinbar tatsächlich herumreissen. Über die letzten zehn Spiele gesehen ist ManUnited das viertbeste Team der Premier League. Zwar war man gegen Stadtrivale City chancenlos, doch konnten mit Aston Villa und West Ham immerhin zwei Teams aus den Top 7 geschlagen und mit Tottenham ein weiterer Punkt abgerungen werden. Damit steht ManUnited neu auf Platz 6, was mindestens zur Teilnahme an der Conference League berechtigen würde.
Dann, am gestrigen Sonntag, bekam die Saison einen neuen Höhepunkt: Manchester United bezwang Liverpool im FA-Cup-Viertelfinal. Und nicht einfach irgendwie, sondern dank eines traumhaften Konters in der Nachspielzeit der Verlängerung in einem sehr unterhaltsamen Spiel zweier stark aufspielender Teams.
«Es könnte der Wendepunkt für uns sein», meinte ten Hag nach der Partie und ergänzte: «Jedes Team braucht solche Momente, bisher hatten wir das nicht. Aber daraus könnten wir nun Energie und den Glauben daran ziehen, fantastische Dinge zu erreichen. Wer Liverpool auf diese Weise schlagen kann, kann jeden Gegner bezwingen.»
Aber nicht nur die Tatsache, dass ManUnited mit Liverpool über 120 Minuten mithalten und sie am Ende nicht unverdient bezwingen konnte, darf dem Rekordmeister Hoffnung machen. Auch, wer die entscheidenden Figuren beim Sieg waren, dürfte so einige Skeptiker überraschen. In der 87. Minute war es der viel gescholtene 95-Millionen-Einkauf Antony, der die Gastgeber im Old Trafford überhaupt erst in die Verlängerung rettete. Ausgerechnet er, pflegen die Kommentatoren in solchen Momenten dann zu sagen.
Ähnliches könnte man auch bei Marcus Rashford anmerken. Der 26-Jährige war in dieser Saison ebenfalls in die Kritik geraten, weil ihm einerseits die Führungsspieler-Qualitäten etwas abgehen und er andererseits beim Feiern erwischt worden war, woraufhin er das Training verpasste. Ausserdem schoss er in der Hinrunde wettbewerbsübergreifend nur zwei Tore. Zuletzt kam er jedoch wieder besser in Form und traf nun auch gegen Liverpool – in der Verlängerung zum zwischenzeitlichen 3:3. Ausgerechnet der in Manchester geborene und aufgewachsene Marcus Rashford also, leitet die Wende gegen den grossen Rivalen des Klubs ein, für den er schon von klein auf spielen wollte.
Am Ende waren es dann die Jungstars Alejandro Garnacho (19) und Amad Diallo (21), die nach einem Eckball des Gegners einen mustergültigen Konter ausführten und einen Grossteil der gut 72'000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Theater der Träume in Ekstase versetzten. Wenn man die Spieler und das Publikum jubeln sieht, scheint die Hoffnung ten Hags, dass dies ein sinnstiftender Moment für sein Team werden könnte, gar nicht so abwegig. Zumal der Gegner im Halbfinal des FA Cups Zweitligist Coventry City ist. Da kann auch der Fakt, dass Torschütze Diallo noch Gelb-Rot sah, weil er beim Jubeln sein Trikot auszieht, den Triumph nicht trüben.
The moment Old Trafford ERUPTED 🔊#EmiratesFACup pic.twitter.com/8az1SFWVOJ
— Emirates FA Cup (@EmiratesFACup) March 17, 2024
Vielmehr wird dieser für ManUnited und seine Fans noch dadurch versüsst, dass sie Liverpools Traum vom Quadruple aus Premier League, Europa League und beiden nationalen Cup-Wettbewerben platzen liessen. Bei den Reds war man darüber nicht gerade erfreut. Besonders der im Sommer abtretende Trainer Jürgen Klopp liess sich den Ärger anmerken. In einem Interview nach dem Spiel zeigte er sich nicht zum ersten Mal nach einer Niederlage ziemlich ungehalten.
Auf die Frage eines dänischen Reporters, weshalb sein Team die bei Liverpool so gross geschriebene Intensität in der Verlängerung nicht aufrechterhalten konnte, antwortete er zunächst: «Das ist eine blöde Frage. Ich weiss nicht, wie viele Spiele wir zuletzt gespielt haben, das kann es im Sport geben. Ich bin etwas enttäuscht über diese Frage, aber Sie haben offensichtlich gedacht, dass sie gut ist.» Als der Reporter nachhakte, ob das Programm in den letzten Wochen also einfach etwas zu dicht war, schnauzte Klopp den Reporter an: «Sie sind offensichtlich nicht in einer guten Verfassung und ich habe keine Nerven für sie. Was stimmt mit Ihnen nicht?» Danach brach der 56-Jährige das Interview ab.
Wie Reporter Niels Christian Frederiksen gegenüber dem dänischen Tipsbladet erzählt, wütete Klopp danach jedoch noch weiter und fluchte lautstark über den Dänen, während er in Richtung der Kabine ging. Für Frederiksen, der Klopp bereits viele Male interviewt hat, ist das aber kein Problem, und er denkt auch nicht, dass der Deutsche ihm gegenüber nun negativ eingestellt sei: «Ich glaube nicht, dass er einen Groll hegt, und ich schon gar nicht.»