Juristisch endete die «Sommermärchen-Affäre» für die Schweizer Bundesanwaltschaft als Peinlichkeit. Die Ermittlungen und der Prozess dauerten so lange, dass er schliesslich wegen Verjährung abgebrochen werden musste. Trotzdem will die Bundesanwaltschaft die Angeklagten nicht einfach so davonkommen lassen. Sie fordert gemäss der «Bild» Schadenersatz und die Übernahme der Prozesskosten.
Das 50-seitige Schreiben richtet sich demnach an die ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, an Ex-DFB-Generalsekretär Horst Schmidt und an den früheren FIFA-Generalsekretär Urs Linsi. Besonders Zwanziger ist im Fokus der Bundesanwaltschaft. Ihm werden etwa systematische Prozessverschleppung, missbräuchliche Ausübung von Druck und Einreichung haltloser Strafanzeigen vorgeworfen. Als «unverhohlen und in rechtlich höchst grenzwertiger Weise» bezeichnet die Bundesanwaltschaft letzteres.
Der angegriffene Theo Zwanziger nimmt die Vorwürfe offenbar gelassen hin. «Wir sind laut Gesetz unschuldig», sagte er der «Bild». Dass nun versucht werde, Schadenersatz zu erhalten, sei «der Abgesang von Verlierern und der Versuch der Schweizer Bundesanwaltschaft, einen verlorenen Fall im Nachhinein zu kaschieren, damit man nicht völlig ohne Hose dasteht.» Besonders «lächerlich» sei es, ihm Prozessverschleppung vorzuwerfen. «Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeissen», so der 75-Jährige, der der Ansicht ist, die Bundesanwaltschaft sei durch ihre Arbeitsweise dafür verantwortlich, dass der Prozess verschleppt wurde.
Zwanziger ist davon überzeugt, dass er sein Portemonnaie nicht öffnen muss. Das Gericht werde «diesen unsinnigen Anträgen» nicht folgen. Er werde deshalb auch nicht zur Zahlung eines Schadenersatzes verurteilt – im Gegenteil: «Vielmehr wird man mir Schmerzensgeld zahlen müssen, wegen einer von Anfang an unwürdigen Strafverfolgung.»
Nach jahrelangen Ermittlungen verjährte Ende April der «Sommermärchen-Prozess». Dabei ging es hauptsächlich um 6,7 Millionen Euro, die der DFB über die FIFA an den inzwischen verstorbenen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus überwiesen hatte. Das Geld wurde als Beitrag für eine Gala zur WM 2006 deklariert, die nie stattfand. Im Jahr 2002 hatte der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer ein Darlehen von Louis-Dreyfus in gleicher Höhe erhalten, das letztendlich auf Konten des damaligen FIFA-Finanzchefs Mohamed bin Hammam verschwand.
Die «Sommermärchen-Affäre» galt als eines der wichtigsten von mehreren Verfahren im Bereich des Fussballs. Die Verjährung kostete Bundesanwalt Michael Lauber viel Kredit. Bei seiner Wiederwahl hatten seine Fürsprecher nämlich unter anderem das Argument vorgebracht, dass nur mit Kontinuität an der Spitze der Bundesanwaltschaft Verjährungen verhindert werden könnten. Wegen dubioser Kontakte zu FIFA-Funktionären ist der oberste Schweizer Strafverfolger nun selber zur Hypothek für die Verfahren geworden. (ram/sda)