Chelsea, Arsenal, Manchester City. Die Spitzenteams im englischen Frauenfussball sind alles solche, die auch bei den Männern um den Titel spielen.
Doch nun gibt es einen «Exoten» in der für viele besten Frauenliga der Welt. Die London City Lionesses sind aufgestiegen. Das einzige von einem Männerklub unabhängige Team trifft zum Saisonauftakt heute Nachmittag auf den Stadtrivalen Arsenal.
Champions-League-Sieger gegen Aufsteiger – da ist die Ausgangslage eigentlich klar. Doch nur auf den ersten Blick. Denn London City ist kein gewöhnlicher Aufsteiger. Nichts beweist dies besser als die Aktivitäten am Deadline Day am Donnerstag.
Zum einen verpflichteten die Lionesses Grace Geyoro. Für die 103-fache französische Nationalspielerin überwiesen sie umgerechnet rund 1,1 Millionen Franken an Paris Saint-Germain. Für etwa 500'000 Franken wechselte zudem die 19-jährige Lucia Corrales vom FC Barcelona auf die Insel.
Möglich machte diese Transfers Michele Kang. Der 66-jährigen Südkoreanerin, die seit ihrem Studium in den USA zuhause ist, gehört London City. Die Investorin, deren Vermögen das Magazin «Forbes» auf 1,2 Milliarden Dollar schätzt, kaufte den Klub im vergangenen Sommer und erweiterte damit ihr Frauenfussball-Imperium. Kang gehörten zuvor bereits Washington Spirit in den USA und OL Lyoness (der neue Name von Olympique Lyon) in Frankreich. Der Transfer von Geyoro stärkte damit nicht nur London City, sondern schwächte zugleich Lyons Rivalen PSG – ein smarter Move.
Die beiden Neuzugänge des Deadline Days gesellen sich zu gleich 14 weiteren Spielerinnen, die in diesem Sommer engagiert wurden. «Die wohlhabende amerikanische Eigentümerin hat ihre Bereitschaft, ins Team zu investieren, unter Beweis gestellt», urteilte die BBC.
Die Geschäftsfrau, die schon leitende Positionen in der Rüstungs-, Medizin- und Finanzbranche hatte, überwand als junge Frau Widerstände, um es an die Spitze zu schaffen. «Für Frauen gab es im Berufsleben keine Aufstiegsmöglichkeiten», erinnerte sie sich an Südkorea zu Beginn der 1980er-Jahre. Vorgesehen war die Rolle als Ehe- und Hausfrau.
Kang schaffte den steilen Aufstieg zur Selfmade-Milliardärin. Es gelang ihr, die Eltern davon zu überzeugen, ihr einen Teil des Gelds, das sie für ihre spätere Hochzeit angespart hatten, schon früher zu geben: für ein Studium in den Vereinigten Staaten. Mit ihrem Wunsch kam sie durch. «Durch die Bestärkung meines Vaters glaubte ich, dass ich alles tun konnte, was ein Junge tun konnte. Ich wollte etwas anderes von der Zukunft als das, was von mir erwartet wurde», sagte sie einmal in einer Rede.
Unter Michele Kangs Leitung werden die London City Lionesses anders geführt als die Konkurrenz, die zu Männerklubs gehören. Der Verein wurde von Grund auf neu gedacht. Der Klub besitzt einen Vorstand mit grossen Kenntnissen des Frauenfussballs und Einrichtungen, die speziell auf Frauen zugeschnitten sind. Damit kann er bei Verhandlungen mit potenziellen Spielerinnen punkten. Unter anderem wurde mit dem Cobdown Park ein eigenes Trainingsgelände im Südosten der englischen Hauptstadt gekauft.
«London City Lionesses wurde gegründet, um den Frauenfussball neu zu definieren», betont Kang. Man wolle mutig und unabhängig sein, und den Sport voranbringen. Dazu passt Trikotsponsor Togethxr, eine Kleidermarke, die unter anderem Ex-Fussballerin Alex Morgan, Ex-Basketballerin Sue Bird und Snowboard-Olympiasiegerin Chloe Kim gehört. Kang spricht von einer «kraftvollen Botschaft». Es sei das erste Mal, dass ein von Sportlerinnen geführtes Unternehmen als Trikotsponsor im Profifussball auftrete.
Deren Slogan «Everyone Watches Women’s Sports» ziert die Brust der Spielerinnen. Erstmals zeigen sie ihn heute im grossen Emirates Stadium von Arsenal. Das eigene Stadion ist die Hayes Lane, die sich der Klub mit dem Bromley FC teilt. Platz bietet es rund 5000 Fans. Gemeinsam mit den Meisterinnen von Chelsea, die im Kingsmeadow-Stadion spielen, ist es das kleinste der Liga.
Mit Zuschauer-Einnahmen lassen sich die Ausgaben für einen Profiklub in der höchsten Frauenliga also kaum wieder hereinholen. Darum geht es Besitzerin Kang auch nicht in erster Linie. Sie sprach auch schon von einem Herzensprojekt.
Aber Kang wäre wohl kaum so vermögend geworden, hätte sie einen schlechten Riecher für Geschäfte. Ihr Einstieg in den Frauenfussball habe nichts mit Wohltätigkeit zu tun, sondern sei eine ernsthafte Investition, sagte sie dem «Guardian» im vergangenen Jahr. «Die Kluft zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, ist riesig. Ich bin fassungslos, dass das niemand erkannt hat.» Washington Spirit erwarb sie vor drei Jahren für 35 Millionen Dollar, heute ist das NWSL-Franchise bereits vier Mal so viel wert.
Es wird spannend sein, den Weg der London City Lionesses weiterzuverfolgen. Sie, Washington Spirit und OL Lyonnais sollen nur der Anfang sein. Michele Kang kündigte an, sie wolle auf jedem Kontinent mindestens ein Team besitzen, «denn ich möchte den Fortschritt des Frauenfussballs beschleunigen».
Z.b City, PSG oder Red Bull
Alle sind dagegen und finden es schlecht.
Wo ist jetzt da der unterschied?
Weil es um Frauen geht?
Ah nein, doch nur Kapitalismus…
Eine klassische Produkteinführung: Nische erkannt, Angebot entwickelt und jetzt der Marketing-Push.
Ich bin mal gespannt wie es sich entwickelt.
Dass der Männerfussball heute ebenfalls reines Geschäft ist, ist klar.
Ich frage mich aber, ob er jemals so erfolgreich geworden wäre, wenn er von Anfang an als Geschäftsmodell betrieben worden wäre.
Die Durchdringung in die Breite war damals einer der Nebenprodukte des Klassen-, bzw. Arbeiterkampfes… 🤷♂️