Wie schon gegen Italien startete der Aussenseiter Albanien auch gegen Kroatien munter in die Partie. Hatte die mutige Equipe um den brasilianischen Trainer Sylvinho im ersten Spiel bereits nach 30 Sekunden getroffen, dauerte es auch im zweiten Spiel nicht lange bis zum albanischen Führungstreffer. In der 11. Minute war es Qazim Laci, der den kroatischen Torhüter Dominik Livakovic auf dem falschen Fuss erwischte und zum 1:0 einnetzte.
Gegen Italien hatten die Albaner die Führung nur gerade zehn Minuten verteidigen können, ehe sie den Ausgleich hinnehmen mussten. Gegen die Kroaten blieb Albanien aber auch defensiv pflichtbewusst und setzte immer wieder Nadelstiche in Form von – oftmals vielversprechenden – Kontern.
In der 31. Minute stand wieder Kroatiens Torhüter Livaković im Zentrum. Im Gegensatz zum 1:0-Treffer, bei dem er keine gute Figur gemacht hatte, parierte Livakovic gegen Asllani, der aus 12 Metern abzog, stark. Bezeichnend für das kroatische Spiel: Der Fehlpass, der Asllanis Grosschance vorangegangen war, kam ausgerechnet vom kroatischen Routinier Luka Modric. Für den 38-Jährigen dürfte die Europameisterschaft in Deutschland die letzte sein.
Mit einer weiteren guten Chance kurz vor der Pause untermauerte das äusserst spielfreudige Albanien, dass die Führung nach 45 Minuten auch gegen das auf dem Papier deutlich überklassige Kroatien keinesfalls gestohlen war.
Welche Worte Trainer Zlatko Dalic in der Kabine an seine Spieler richtete, wissen wir natürlich nicht. Was wir aber wissen: Sie zeigten Wirkung. Kroatien kam wacher aus der Kabine, druckvoller und überzeugender – und das Spiel sah plötzlich so aus, wie man vielleicht im Vorfeld eher erwartet hatte. Kroatien belagerte den albanischen Strafraum, die Rot-Schwarzen standen aber noch immer solide und liessen wenig zu. Auch die neu eingewechselten Mario Pasalic und Luka Sucic trugen dazu bei, dass Kroatien allmählich etwas an Fahrt aufnahm.
In der 50. Minute dann der erste gefährliche Abschluss der Kroaten: Sucic schlenzte die Kugel aus 14 Metern halbrechter Position mit links aufs lange Eck, Albaniens Torhüter Strakosha parierte aber sicher. Doch zu absehbar waren die kroatischen Bemühungen, die albanische Defensive zu überlisten. Auch der sonst so virtuose Luka Modric vermochte dem Spiel keine Leichtigkeit einzuhauchen und die Lücken im albanischen Abwehrbollwerk zu finden.
Und dann passierte es doch noch: Andrej Kramaric ist es, der einen kleinen Funken Hoffnung für einen versöhnlichen Abschied für die goldene Generation um Luka Modric am Leben erhält. Der Hoffenheimer legt sich den Ball zurück auf den rechten Fuss und schliesst aus elf Metern durch die Beine von Hisaj in die linke untere Ecke ab.
Bei Kroatien schien nun der Bann und bei Albanien der Widerstand gebrochen zu sein. Nur zwei Minuten später leiteten die Kroaten einen Angriff ein, der in slapstickartiger Manier zum 2:1 führte. Der Ball sprang von einem Albaner zum anderen und zuletzt an Klaus Gjasulas Bein und landete von dort im eigenen Tor.
Was aus albanischer Sicht gut begann, drohte in einer herben Enttäuschung zu enden. Nach der 2:1-Niederlage gegen Italien schien es erneut so, als würde das Team, das erst zum dritten Mal an einer EM teilnimmt, trotz eines beherzten und mutigen Auftritts nur ganz knapp an der Sensation vorbeischrammen.
Die Albaner liefen in den Schlussminuten zwar auf dem Zahnfleisch, warfen aber noch einmal alles nach vorne. In der 95. Minute war es ausgerechnet der Pechvogel Gjasula, der zuvor den Ball zur kroatischen Führung abgelenkt hatte, der den Ausgleichstreffer erzielte und das Stadion in Hamburg mit vielen albanischen Fans in ein Tollhaus verwandelte.
Dass ein Weiterkommen in einer Gruppe mit Spanien, Italien und Kroatien schwierig werden würde, lag auf der Hand. Der Vorstoss in den Achtelfinal scheint für die Albaner trotz des spektakulären Remis gegen Kroatien eher unwahrscheinlich. Dass das albanische Team zwei Mal beinahe das Unmögliche möglich gemacht hat, dürfte den Fans und der Mannschaft aber auch bei einem Ausscheiden in der Vorrunde ein Trost sein.
Auch Kroatien zittert um ein Weiterkommen. «Solange Luka hier ist, nennen wir es ‹die goldene Generation›. Er ist der grösste kroatische Fussballspieler aller Zeiten», sagte der kroatische Trainer vor der EM. Damit sich die kroatischen Fans noch ein Weilchen länger an Modrics mutmasslich letzten Tanz für das Nationalteam auf der europäischen Bühne erfreuen darf, tut Kroatien gut daran, am Montag (21.00 Uhr) gegen Italien überzeugender aufzutreten.
Kroatien – Albanien 2:2 (0:1)
Hamburg. – 46'784 Zuschauer. – SR Letexier (FRA).
Tore: 11. Laci 0:1. 74. Kramaric 1:1. 76. Gjasula (Eigentor) 2:1. 95. Gjasula 2:2.
Kroatien: Livakovic; Juranovic, Sutalo, Gvardiol, Perisic (84. Sosa); Modric, Brozovic (46. Pasalic), Kovacic; Majer (46. Sucic), Petkovic (69. Budimir), Kramaric (84. Baturina).
Albanien: Strakosha; Hysaj, Djimsiti, Ajeti, Mitaj; Asllani, Ramadani (85. Hoxha), Laci (73. Gjasula); Asani (64. Seferi), Manaj (85. Daku), Bajrami.
Bemerkungen: Kroatien ohne Vlasic (verletzt).
Verwarnungen: 76. Hysaj. 93. Daku. 98. Gjasula.