Die Schweizer Nati freut sich über den Triumph beim Yellow Cup 2020.Bild: KEYSTONE
Der Schweizer Handball-Nationaltrainer Michael Suter spricht vor der heute beginnenden EM-Endrunde – die Schweiz spielt heute Abend um 20.30 Uhr gegen Schweden – über seine 15 Spieler und verrät, wem welche Rolle zukommt.
François Schmid-Bechtel / ch media
Die Torhüter
16 Nikola Portner
26, Montpellier, 88 Länderspiele/8 Tore
«Er ist erblich vorbelastet. Sein Vater Zlatko war ein Weltklasse-Spieler, wurde mit Jugoslawien als Rückraumspieler Weltmeister und gewann 1988 Olympia-Bronze. Nikola Portner ist meine unbestrittene Nummer 1. Er ist der Schweizer Torhüter, auf den man lange gewartet hat. Einer, der das Prädikat Weltklasse erreichen kann. Ich habe ihn kürzlich in Montpellier besucht. Ein Top-Profi, der seiner Karriere vorbildlich geplant hat. Leider macht er jetzt eine sehr schwierige Phase durch. Er spielt im Klub nicht mehr. Es ist eine politische Sache. Frankreichs Nummer 1, Vincent Gérard, ist von Montpellier zu Paris Saint-Germain gegangen. Eigentlich war geplant, dass Portner ihn als Nummer 1 in Montpellier ablösen wird. Deshalb hat er auch einen Vertrag bis 2022 unterschrieben. Doch dann hat Montpellier den kroatischen Nationalgoalie Marin Sego verpflichtet. Und dieser spielt nun und Portner ist nur noch die Nummer 3. Das ist natürlich nicht ideal für uns. Einem Torhüter, der nicht spielt, fehlen die Automatismen. Aber ich habe vollstes Vertrauen in Portner und bin auch überzeugt, dass wir ihn bei der Nati in Form bringen werden.»
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31 Aurel Bringolf
32 St. Otmar St. Gallen, 66 Länderspiele/2 Tore
«Eine sehr gute Ergänzung zu Portner und ein gestandener NLA-Torhüter. Er wirkt sehr reif auch neben dem Feld und nimmt seine Rolle als Routinier ernst. Mit seiner Ruhe ist Bringolf ein wichtiger Gegenpol in dieser jungen, wilden Equipe. Er ist einer, der immer in der Schweiz gespielt hat. Wie intensiv er je einen Wechsel ins Ausland angestrebt hat, weiss ich nicht. Fakt ist: Er macht unsere Liga stärker, was von hohem Wert ist.»
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Linker Flügel
9 Marvin Lier
27, Pfadi Winterthur, 61 Länderspiele/147 Tore
«Ihn begleite ich schon seit meinen Anfängen in den U-Nationalteams. Er hat diverse Positionen gespielt, bis ich ihn an den Flügel gestellt habe. Ich sagte ihm: ‹Wenn du international den Durchbruch schaffen willst, dann am Flügel.› Einerseits, weil ihm etwas die Grösse fehlt. Andererseits, weil er schnell, trickreich und flink ist. Er hat immer Leistung gebracht, ist ein absoluter Vorkämpfer. Ein schlauer Spieler, der sich mit dem Wechsel zu Flensburg einen vorläufigen Karrierehöhepunkt verdient hat. Man hört, dass sich nach der Verletzung des schwedischen Flügels fast 100 Spieler bei Flensburg beworben haben. Es ist eine riesige Ehre für Lier, dass die Wahl auf ihn gefallen ist. Und er bezahlt mit Leistung zurück. In Barcelona in der Champions League hat er beispielsweise 6 Tore erzielt. Allein dieses Spiel wird ihn weiter darin bestätigen, auf internationalem Niveau eine gute Rolle spielen zu können. Als sein Backup in der Nati wäre Samuel Zehnder von den Kadetten vorgesehen. Dieser fällt leider mit Rückenbeschwerden aus. Das bedeutet noch mehr Verantwortung für Lier. Aber er wird das packen.»
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Linker Rückraum
11 Roman Sidorowicz
28, Melsungen, 59 Länderspiele/140 Tore
«Einer von drei linken Rückraumspielern. Alle drei sind ganz unterschiedliche Spielertypen. ‹Sido› ist der bewegliche, explosive Spieler, der für Überraschungsmomente sorgen kann. Mit seiner Sprungkraft kann er auch deutlich grössere Gegenspieler überspringen. Im Gegensatz zu seiner Spielweise ist er neben dem Feld ein ruhiger Typ. Letzte Saison hat er bei Melsungen, einem Top-Verein in der Bundesliga, sensationell eingeschlagen. Auf diese Saison hin hat der Klub nochmals aufgerüstet und Sido kriegt etwas weniger Spielzeit. Wie es für ihn weitergeht, ist noch offen.»
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4 Lenny Rubin
23, Wetzlar, 34 Länderspiele /114 Tore
«Mit seinem Vater Martin habe ich in der Nationalmannschaft noch zusammengespielt. Wenn man die Söhne der früheren Kollegen trainiert, merkt man, dass man älter wird. Lenny ist der Prototyp eines linken Rückraumspielers. Gross, beweglich, schnelle Beine, guter Wurf. Er bringt sehr viele Qualitäten mit und ist deshalb auch in der Bundesliga engagiert. Er spielt jetzt schon die zweite Saison bei Wetzlar, wo er kürzlich seinen Vertrag bis 2022 verlängert hat. Es fehlt ihm zwar noch etwas die Konstanz. Aber er wird von Jahr zu Jahr stabiler, robuster, solider. Wenn er die Stabilität hinkriegt, kann er ein ganz grosser Spieler werden.»
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Kreisläufer
8 Michal Svajlen
30, Pfadi Winterthur, 84 Länderspiele/104 Tore
«Grundsätzlich ist er ein Rückraumspieler. Ihn habe ich nach etwas mehr als 70 Länderspielen als Abwehrchef wieder zurückgeholt. Svajlen erlebt seinen zweiten Frühling. Umso motivierter ist er, in unserem Projekt mitzuwirken. Vor allem durch die Verletzung von Samuel Röthlisberger war er in der Qualifikation sehr, sehr wichtig für uns. Seine Rolle haben wir etwas anders definiert. Dank seiner Routine ist er in der Abwehr zum wertvollen Backup geworden, der auf allen Positionen im Innenblock einsetzbar ist.»
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17 Samuel Röthlisberger
23, Stuttgart, 43 Länderspiele/11 Tore
«Er ist DER Abwehrchef, was ich vor vielen Jahren schon in den U-Teams definiert habe. Er hat eine super Karriere gemacht. Ein Vorbild für viele Schweizer Spieler, weil er konsequent auf Handball setzt. Röthlisberger ist mit klaren defensiven Vorzügen in die Bundesliga gegangen. Mittlerweile bekommt er in Stuttgart auch in der Offensive ein paar Minuten. Das ist wertvoll. Er hat auch bei mir vorne hin und wieder eine Rolle. Aber grundsätzlich ist er in der Defensive unverzichtbar – und das wird auch noch viele Jahre so bleiben.»
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3 Lucas Meister
23, Minden, 47 Länderspiele/125 Tore
«Ihn haben wir als jungen Kreisläufer aufgebaut. Er war fünf Jahre bei mir in der Akademie in Schaffhausen. Auf diese Saison hin hat er in die Bundesliga gewechselt und sich sofort durchgesetzt. Früher dachte kaum jemand, dass es für ihn so weit hinauf reichen würde. Meister beweist, was mit Einsatz, guter Organisation und Leidenschaft möglich ist. Speziell erfreulich ist: Sein Weg ist noch lange nicht zu Ende. Trotzdem: Hätte ich Alen Milosevic nicht zu einer Rückkehr in die Nati bewegen können, wäre Meister auf dieser kräfteraubenden Position etwas allein gewesen.»
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34 Alen Milosevic
30, Leipzig, 46 Länderspiele/82 Tore
«Seine Rückkehr für diese EM-Quali war unglaublich wichtig. Es ist phantastisch, mit welchem Herzblut er wieder für die Schweiz spielt. (Red. Im bewilligten Ausgang bei einem Nati-Zusammenzug betranken sich 2014 einige Schweizer Spieler. Ein Foto, das Milosevic zeigt, wie er sich ungebührlich verhält, findet den Weg zu den Medien. Der damals 24-Jährige wurde daraufhin vom Verband suspendiert. Milosevic trat aus der Nati zurück.) Er ist vor über sechs Jahren zu Leipzig in die zweite Bundesliga gegangen. Milosevic ist 2015 aufgestiegen und seither ein fixer Bestandteil der Bundesliga. Zusammen mit Andy Schmid bildet er eine super Achse in unserem Spiel. Übrigens: Seine Integration ins Team verlief absolut problemlos.»
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Rückraum Mitte
2 Andy Schmid
36, Rhein-Neckar Löwen, 179 Länderspiele/848 Tore
«Unser Idol, unser Vorbild. Seine Karriere ist einzigartig. Fünfmal zum Spieler der Saison in der Bundesliga gewählt – Wahnsinn. Gleichwohl ist er bescheiden und bodenständig geblieben und hilft unseren jungen Spielern, wenn sie Hilfe benötigen. Wäre unser Projekt nicht ambitioniert, würde Schmid nach etlichen enttäuschenden Jahren wohl nicht mehr für die Nati spielen. Denn klar ist: Für Larifari hält Schmid seine Knochen nicht mehr hin. Und wie er zurück kam ... ganz hohes Niveau. In den Jahren zuvor hat er sich im Nationalteam oft schwer getan, weil er sich für fast alles verantwortlich fühlte. Nun haben wir ein Konzept, das ihn auch entlastet. Nun haben wir eine Defensive, nun haben wir auch andere Spieler, die viele Tore schiessen können. Er ist mit viel Engagement dabei und es ist ja auch für ihn eine sensationelle Geschichte, gegen Ende der Karriere endlich diese EM erleben zu dürfen.»
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14 Lukas von Deschwanden
30, Chambéry, 58 Länderspiele/179 Tore
«Er hat die Nationalliga A über Jahre geprägt. War mehrfacher Torschützenkönig und wurde auch einige Male zum wertvollsten Spieler gewählt. Ein super Typ. Von Deschwanden war schon in jungen Jahren sehr reif. Ist ein Allrounder, der verschiedene Rollen spielen kann. Obwohl er in der Nationalliga A ein Starspieler war, ist er anspruchslos geblieben. Er ordnet dem Teamgedanken alles unter. Ich hoffe, dass er seine Form wieder findet. In Chambéry, wo er seit diesem Jahr spielt, kam er zuletzt nur sporadisch zum Einsatz.»
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Rechter Rückraum
18 Dimitrij Küttel
25, Kadetten Schaffhausen, 57 Länderspiele/131 Tore
«Auch einer, der seinen Weg über die Akademie gemacht hat, den ich schon sehr lange kenne. Ein harter Arbeiter, der nie nachlässt, eine super Mentalität hat. Linkshänder mit einem sehr starken Wurf, der auch vermehrt den Abschluss sucht. Küttel ist ein cleverer Mensch, einer, der mitdenkt und deshalb auch bereits mit 25 schon Captain bei den Kadetten ist. Er hat ein gutes Gespür für Strömungen im Team. Er ist der Solide, der Konstante, der kaum je verletzt ist, auf den immer Verlass ist. Und er ist noch nicht am Ende seiner Entwicklung.»
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15 Nicolas Raemy
27, Wacker Thun, 62 Länderspiele/182 Tore
«Er ist ein ganz anderer Spielertyp als Küttel. Er ist der spielerische, eher feingliedrige, auch etwas raffiniertere Spieler. Aber genau diese Vielfalt ist ein Plus. Denn sie eröffnet mir die Möglichkeit, je nach Gegner, Taktik und Spielcharakter zu variieren. Ausserdem sind wir so unberechenbarer für den Gegner. Raemy ist auch vom Wesen her anders. Eher so der künstlerische Typ. Aber er ist gereift und was den Handball betrifft fokussierter als noch vor fünf Jahren.»
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Rechter Flügel
27 Maximilian Gerbl
24, Kadetten Schaffhausen, 31 Länderspiele/65 Tore
«Gerbl war auch bei mir in der Akademie. Er ist ein extrem sprungstarker Flügel, der aus den schwierigsten Winkeln schiessen kann und sehr schnell ist im Gegenstoss. Skills, die einen guten Flügelspieler auszeichnen.»
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25 Nik Tominec
28, Kadetten Schaffhausen, 11 Länderspiele/12 Tore
«Nik ist etwas routinierter als Gerbl. Er könnte für mehrere Nationen spielen. Bei den Junioren lief er für Slowenien auf, später in inoffiziellen Testspielen auch schon für Kroatien. Nik kommt aus einer absolut handballverrückten Familie. (Red. Sein Vater Matjaz war erfolgreicher Spieler und später auch Trainer in der Bundesliga. Mutter Zelika spielte für Borba Luzern.) Nik war fast das ganze letzte Jahr verletzt ausgefallen. Er ist polyvalent einsetzbar, kann auch im Rückraum spielen und er ist ein sehr offener und kommunikativer Typ.»
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