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Wie die Handball-EM zum totalen Corona-Fiasko wurde

Die Hallen voll, die Fans emotional – sorglose Stimmung an der Handball-EM.
Die Hallen voll, die Fans emotional – sorglose Stimmung an der Handball-EM.bild: imago-images.de

Wie die Handball-EM zum totalen Corona-Fiasko wurde

Keine Bubble, haufenweise Ansteckungen: Die Handball-EM in Ungarn und in der Slowakei befindet sich im Würgegriff der Omikron-Welle. Trotzdem geht das Turnier unentwegt weiter. Das sei «das neue Normal», so der Tenor.
21.01.2022, 13:4021.01.2022, 14:26

Täglich trudeln neue Corona-Meldungen von der Handball-EM in Ungarn und in der Slowakei ein. Gestern Donnerstag kamen beispielsweise 18 neue positive Fälle hinzu. Damit haben sich in der ersten von etwas mehr als zwei Turnierwochen bereits über 100 Spieler und Betreuer mit dem Virus angesteckt.

Nur drei der zwölf Hauptrunden-Teilnehmer verzeichneten bis gestern noch gar keinen Corona-Fall: Weltmeister Dänemark, der EM-Dritte Norwegen und Montenegro.

Bislang am stärksten betroffen ist das deutsche Team, bereits zwölf Spieler haben sich infiziert. Ähnlich heftig erwischt hat es im bisherigen EM-Verlauf Kroatien, bei dem es insgesamt neun positive Fälle gab. Damit die EM überhaupt weitergeführt werden kann, dürfen die Mannschaften auch während des Turniers Spieler nachnominieren. Bei den Deutschen beispielsweise stiessen in den letzten Tagen zwölf neue Spieler dazu, vom ursprünglichen Kader sind nur noch sechs Spieler übrig.

Die EM ist das dritte grosse Handballturnier seit Ausbruch der Pandemie. Die WM in Ägypten und die Olympischen Spiele in Tokio fanden letztes Jahr in einer hermetisch abgeschlossenen Bubble statt. Bei der EM in Ungarn und in der Slowakei ist alles anders.

Eine Bubble gibt es nicht, der europäische Verband EHF wollte unbedingt vor Publikum spielen und verzichtete auch deshalb darauf. Während in der Slowakei die Arenen nur zu 25 Prozent ausgelastet sind, sind die Hallen in Ungarn mit bis zu 20'000 Zuschauern gefüllt. Masken und Abstände sind dort zwar Pflicht, doch nur die wenigsten halten sich dem Vernehmen nach konsequent daran.

Auch ausserhalb der Stadien herrscht grosses «Chaos», wie Serbiens spanischer Nationaltrainer Toni Gerona auf Twitter schon vor dem Turnierstart bemängelte. Sein Team war im Hotel auf einer Etage mit normalen Gästen einquartiert worden, getestet wurde nicht oder erst mit grosser Verspätung.

Der dreifache Welthandballer Nikola Karabatic erlebte Ähnliches: «Wir waren alle fassungslos und sogar schockiert, als wir im Hotel Gäste ohne Masken sahen, und dass wir am selben Ort wie andere Gäste assen», so der 37-jährige Franzose.

Nikola Karabatic, right, of France in action against Jasper Adams, left, of Netherlands during the Men's European Handball Championship main round Group I match between France and Netherlands at  ...
Karabatic infizierte sich kurz vor dem Jahreswechsel selbst mit Corona, meldete sich für die EM aber fit.Bild: keystone

Offiziell gelten für Zuschauer und Mannschaften die 2G-Regeln (geimpft oder genesen). Das Hygienekonzept stammt allerdings noch vom November, Omikron war damals noch kein Thema. Als Sicherheitsmassnahme gegen Ausbrüche in den Teams sollten sich alle Spieler und der Staff im Zwei-Tages-Rhythmus einem PCR-Test unterziehen. Mittlerweile müssen sich die Mannschaften täglich testen lassen.

Doch gegen Omikron ist damit kein Kraut gewachsen. Geimpfte und Genesene sind ohne Booster kaum gegen eine Ansteckung geschützt. So helfen 2G und auch weiterführende Massnahmen gegen Ausbrüche kaum. Die stark betroffenen Deutschen beispielsweise haben sich freiwillig in eine Bubble begeben. Die Spieler ziehen sich, wenn nicht gerade ein Training oder eine Partie ansteht, auf ihr Zimmer zurück, verzichten auf jegliche Freizeitaktivitäten und sehen die Teamkollegen nur in dringenden Fällen. So finden auch Videoanalysen nur digital statt.

Wie sich das Virus trotzdem im deutschen Team ausbreiten konnte, können sich die Verantwortlichen beim durchgeimpften DHB nicht erklären. Sie hätten sich an alle Massnahmen gehalten, wurde verkündet. Trotzdem haben sich bislang zwölf Spieler infiziert. Die EM ist für sie allerdings nicht beendet. Die Spieler müssen sich zwar fünf Tage komplett isolieren, dürfen sich danach aber mit zwei PCR-Tests zurück ins Turnier testen. «Infiziert sein ist wie eine Sperre absitzen», schreibt die Zeit.

Rune Dahmke ist einer von zwölf Nachzüglern im deutschen Team.
Rune Dahmke ist einer von zwölf Nachzüglern im deutschen Team.bild: imago-images.de

Dennoch müssen die Deutschen dauernd neue Spieler nachnominieren, damit sie überhaupt spielen können. Einer von ihnen ist Rune Dahmke. Dass der 28-Jährige mit der EM-Teilnahme ein gesundheitliches Risiko eingeht, dessen ist er sich voll bewusst: «Ich habe mit mir selbst den Frieden geschlossen, dass die Wahrscheinlichkeit relativ gross ist, dass ich mich anstecken werde, wenn ich hier hinfahre.»

Mit Delta-Variante wohl abgebrochen

Das scheint momentan die neue Realität im Profisport zu sein. Die Deutschen diskutierten nach der Vorrunde einen sofortigen Rückzug, doch vor allem die Spieler sprachen sich dagegen aus. Auch Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, sprach sich für einen Turnierverbleib aus. «Dass die Verläufe der bisherigen Infektionen mild oder symptomfrei sind, hat dazu geführt, dass sich der DHB entschieden hat, weiterzumachen», erklärte er gegenüber der FAZ.

Vor dem Turnier haben die Verantwortlichen die Gesundheit der Spieler als höchste Priorität angegeben, aber Omikron hat vieles verändert. «Ich glaube, vor sechs Wochen wäre mit der Delta-Variante und ihren Verläufen das Turnier abgebrochen worden», glaubt Bohmann. «Jetzt aber, und davon ausgehend, dass die Infektionen auf das Omi­kron-Virus zurückzuführen sind, haben wir gesagt: Das ist das neue Normal. Wir müssen damit leben.»

Frank Bohmann.
Frank Bohmann. bild: imago-images.de

Dass der sportliche Wettbewerb so zur Farce wird, nehmen die Verantwortlichen in Kauf. Ebenso das gesundheitliche Risiko. Dass viele Handballer komplett geimpft sind, entschärft dieses zwar etwas, grundsätzlich gilt aber weiterhin, dass unklar bleibt, welche Konsequenzen eine Infektion auf die sportliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen haben wird. (pre)

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