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Ratinho im Interview vor Legendenspiel: Mit Ronaldinho wird es besonders

Für ein Legendenspiel ist Ratinho in die alte Heimat zurückgekehrt.
Für ein Legendenspiel ist Ratinho in die alte Heimat zurückgekehrt.Bild: zvg
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Ratinho kehrt für ein Spiel in die Schweiz zurück: «Mit Ronaldinho wird es ganz besonders»

Er wurde in St.Gallen und Aarau zur Kultfigur und machte 2006 mit Luzern sein Abschiedsspiel gegen die brasilianische Nationalmannschaft. Nun kehrt Ratinho für ein Legendenspiel zurück – diesmal an der Seite von Ronaldinho.
09.11.2025, 12:0309.11.2025, 12:03
Raphael Gutzwiller / ch media

Am Sonntag steht Ratinho wieder in Luzern auf dem Platz – an einem Ort, der für ihn mit vielen Erinnerungen verbunden ist. Beim Legendenspiel in der Swisspor-Arena (Sonntag, 18.00) trifft die frühere «Zaubermaus» gemeinsam mit Ronaldinho und Rivaldo auf ehemalige Schweizer Nationalspieler. Davor nimmt sich der 54-Jährige Zeit, über seine Karriere, besondere Momente und sein Abschiedsspiel vor fast zwanzig Jahren gegen Brasilien zu sprechen.

Was löst es in Ihnen aus, am Sonntag im Legendenspiel zwischen Brasilien und der Schweiz aufzulaufen?
Ratinho: Erstmal freue ich mich riesig, wieder im Stadion des FC Luzern zu sein. Seit die Allmend neu ist, war ich nie drin. Nicht als Fussballer, aber auch nicht als Zuschauer. Ich habe es nur von aussen gesehen, wenn ich bei meinem Sohn in Kriens joggen war. Ich freue mich, dieses «neue Schmuckkästchen» endlich von innen zu sehen und zum Verein zurückzukommen, bei dem ich meine letzten Jahre als Profi gespielt habe. Mit dem FCL durfte ich eine Art Abschiedsspiel machen – gegen Brasilien.

Das war im Jahr 2006. Die Brasilianer bereiteten sich in Weggis auf die WM in Deutschland vor und krönten ihren Aufenthalt mit einem ausverkauften Spiel im St. Jakob-Park in Basel – gegen den FC Luzern. Wie war das Spiel?
Das war unglaublich. Die Brasilianer lösten eine riesige Euphorie in der Region aus und dann kam dieses Spiel. Drei, vier Tage vor dem Spiel kam Walter Stierli zu mir. Ich hatte meine Karriere damals schon beendet. Er sagte: «Kröne deine Karriere mit einem letzten Spiel für den FCL gegen dein Heimatland Brasilien.» Schliesslich spielte ich etwa 15 Minuten, wir verloren 0:8. Dieses Erlebnis hat riesige Emotionen ausgelöst, nach dem Spiel vergoss ich ein paar Tränen. Auf diese Weise den Fussball zu verlassen, war ganz besonders. Dafür bin ich dem FC Luzern enorm dankbar.

Brazil
2006 trat Ratinho (r.) mit Luzern gegen Brasiliens Superstars wie Adriano an.Bild: KEYSTONE

Ronaldinho, Ronaldo, Kaká, Roberto Carlos und viele weitere Weltstars standen für Brasilien auf dem Platz.
Das war ein überragendes Spiel. Umso schöner ist es nun, einige Gesichter von damals in Luzern wiederzusehen. Fast zwanzig Jahre sind seither vergangen. Natürlich wird es ganz besonders, wieder mit Ronaldinho auf dem Platz zu stehen. Aber auch viele ehemalige Schweizer Nationalspieler, die nun auf der Gegenseite spielen, kenne ich.

«Diese Woche ist für mich sehr emotional. Verein, Region, Familie – alles kommt zusammen.»

Für Sie passt die Begegnung perfekt: Brasilien und die Schweiz sind – neben Deutschland – Ihre Fussball-Heimatländer.
Total. Mein Sohn wohnt noch immer in Kriens. Er ist mit einer Schweizerin verheiratet, ich habe zwei Enkeltöchter, die beide Schweizerinnen sind. Diese Woche ist für mich sehr emotional. Verein, Region, Familie – alles kommt zusammen.

In die Schweiz gekommen sind Sie 1993 mit ihrem Wechsel zu St.Gallen. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
St.Gallen war meine erste Station in der Schweiz. Das war der Eingang in die Schweizer Welt für mich. Ich durfte dort die Kultur, die Sprache und die Menschen kennenlernen. Ich war ein junger Bursche aus Brasilien, frisch verheiratet, mein Sohn war anderthalb Jahre alt. Heute ist er 35 – das ist so lange her. In St.Gallen hatte ich tolle Mitspieler, die mir geholfen haben. Ich habe mit Urs Fischer, Thomas Wyss und Jörg Stiel gespielt – die später alle Schweizer Nationalspieler wurden. Es war eine besondere Zeit.

13.01.96 Hallen Masters Stuttgart Deutschland, Stuttgart, 13.01.1996, Fussball, Hallen Masters Stuttgart: v.l. Ratinho FC Aarau, Marco Haber VfB Stuttgart. *** 13 01 96 Hallen Masters Stuttgart German ...
Drei Jahre spielte Ratinho für den FC Aarau.Bild: www.imago-images.de

Danach wechselten Sie zum FC Aarau.
Ja, für mich war es der nächste Schritt. Ich war da auch schon angekommen in der Schweiz. Ich konnte die Sprache ein wenig, konnte kommunizieren und kannte die Kultur. Ich habe drei Jahre unter den Trainern Rolf Fringer und Martin Trümpler gearbeitet. Der FC Aarau war intakt und familiär. Das war für mich sehr wichtig, weil ich immer diese Stimmung gebraucht habe. Präsident Ernst Lämmli war wie eine Vaterfigur für alle. Er hat mich in Holziken, gleich nebenan, einquartiert. Ich erinnere mich, wie er täglich mit seinen Hunden spazieren ging und fragte, ob bei meiner Familie alles in Ordnung sei. Er hat sich sehr gekümmert. Diese Zeit beim FC Aarau hat mir den Sprung in die Bundesliga ermöglicht.

«Ich habe mich für Kaiserslautern statt GC entschieden. Ich habe diese Stimmung gesehen, dieses Stadion im Betzenberg.»

Dabei wechselten Sie zunächst in die zweite Bundesliga statt zu GC. Wie kam es dazu?
Der 1. FC Kaiserslautern hat mich beobachtet. Damals war Friedel Rausch noch der Trainer, der wurde entlassen bevor mein Wechsel Tatsache wurde. GC wollte mich unbedingt, ich habe auch Erich Vogel getroffen. GC war die Nummer 1 in der Schweiz, spielte Champions League. Aber ich habe mich für Kaiserslautern entschieden, als ich den Klub anschaute. Ich habe diese Stimmung gesehen, dieses Stadion im Betzenberg. Ich habe gespürt, welche unglaubliche Identifikation und welchen Zusammenhalt dieser Verein auslöst. Vor der Unterschrift kämpfte der FCK um den Klassenerhalt und stieg dann ab. Ich hatte aber schon unterschrieben und bin trotzdem hingegangen. Im «Blick» hiess es damals: «Ratinho wechselt in die Hölle zu den roten Teufeln statt in die Königsklasse.»

Mit den roten Teufeln, dem 1. FC Kaiserslautern, schafften Sie aber ein Fussballmärchen: 1998 wurden sie mit dem Aufsteiger deutscher Meister. Wie kam es dazu?
Das war grandios! Meister zu werden als Aufsteiger war unvorstellbar. Danach spielten wir sechs Jahre immer international. Ich blieb insgesamt achteinhalb Jahre, fühlte mich sehr wohl. Wenn ich heute zurückkomme, spüre ich Dankbarkeit. Wir haben Geschichte geschrieben. Als ich älter wurde, wurde es schwieriger für mich zu spielen, deshalb wechselte ich zunächst nach China – und nach einem halben Jahr zurück in die Schweiz.

Geschafft - Trainer Otto Rehhagel Mitte, Andreas Brehme re. und Ratinho alle Lautern liegen sich nach dem Titelgewinn in den Armen
Gemeinsam mit Otto Rehhagel und Andi Brehme schrieb Ratinho Fussballgeschichte.Bild: www.imago-images.de

Zum FC Luzern in die Challenge League.
Genau. Ich bin den Wechsel in die zweithöchste Liga eingegangen, weil das Ziel klar war: Dem Verein zu helfen, den Aufstieg in die Super League zu schaffen. Das haben wir ja dann 2006, in meiner letzten Saison, tatsächlich geschafft.

In Luzern starteten Sie im Nachwuchs ihre Trainerkarriere, die sie danach wieder nach St. Gallen und Kaiserslautern führte. Inzwischen arbeiten sie für RB Salzburg und leben in Österreich. Wie kam es dazu?
Als ich in Kaiserslautern war, kam die Anfrage von Red Bull. Ich half in Sao Paulo beim Aufbau von Red Bull Brasilien mit. Drei Jahre lang war ich dort – im Januar 2020 wechselte ich nach Salzburg.

Wie war es für Sie, nach so langer Zeit in Europa wieder in Brasilien zu leben?
Heute ist das brasilianische Spitzenfussball-Umfeld strukturell näher an Europa dran, aber damals war noch vieles im Aufbau. Das kostete mich viel Energie. Aber das Hauptproblem war das Leben in São Paulo. Es ist eine riesige Stadt, ich war stundenlang im Stau. Von der Schweiz und Deutschland war ich mir das nicht gewohnt. Für viele Brasilianer ist das Alltag, für mich war es mehr Stress als Freude. Deshalb sagte ich Red Bull, dass ich gerne wieder nach Europa wechseln würde. Für mich ist das auch schöner, weil meine Familie näher ist. In Brasilien war ich nur mit meiner Frau. Meine Töchter leben in Deutschland und mein Sohn in Kriens.

«Dieses Spiel wird kein hohes Tempo haben. Ich kann da schon noch mithalten.»

Welche Funktion haben Sie genau bei RB Salzburg?
Ich bin Integrationsmanager. Dabei bin ich eine Art Talent-Coach. Das heisst: Alle ausländischen Spieler, die zu Salzburg kommen, kommen zu mir. Dabei geht es darum, die Philosophie und die Kultur des Klubs und des Landes weiterzugeben. Ziel ist, dass sie so schnell wie möglich in unser Leben und in unsere Welt hier integriert sind, damit sie auf dem Platz weniger Probleme haben und verstehen, wohin wir gehen wollen.

Zurück zum Spiel vom Sonntag. Wie fit sind Sie eigentlich noch?
20 Minuten liegen sicher drin (lacht). Vielleicht schaffe ich auch etwas mehr. Ich habe zwar täglich mit Fussball zu tun, aber richtig gespielt habe ich schon lange nicht mehr. Ich mache aber etwa viermal pro Woche Sport: Radfahren, Joggen, Krafttraining. Das Problem ist die Arthrose, die sich im Laufe der Jahre entwickelt hat und die es nicht leichter macht. Aber das Gute ist: Dieses Spiel wird kein hohes Tempo haben. Ich kann da schon noch mithalten.

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